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Das Echt essen-Gasthaus im Juli: Eine einmalige Mischung aus traumhafter Lage und klugem Konzept ist das Hotel und Restaurant Casamar in Llafranc an der „Wilden Küste“ Katalaniens.
Je schöner die Aussicht, desto schlechter das Essen – eine gastronomische Grundregel, die fast immer stimmt. Schlicht deshalb, weil schöne Aussichten die Menschen magisch anziehen, egal wie gut oder schlecht gekocht wird. Eine wunderbare Ausnahme von dieser Regel ist das Restaurant „Casamar“ in Llafranc, da wo die Costa Brava wirklich noch wild ist (brava heißt wild). Eine malerische Bucht reiht sich hier an die nächste, dazwischen, dachsteile, pinienbewachsene Felsen – am Besten ist das alles zu erkunden auf einem kühnen Küstenwanderweg, der großartige Ausblicke bietet.
Weiße Teller, grüne Pinien, blaues Meer: „Casamar“
Aber nicht primär wegen der Aussicht haben wir das „Meerhaus“ (Casa gleich Haus und Mar gleich Meer) ausgesucht, sondern wegen dem verlockenden gastronomischen Konzept: Hier wird nämlich mit biologischen Produkten gekocht, bei uns längst eine Selbstverständlichkeit, in Spanien immer noch etwas Besonderes. Auch gehört das Restaurant zur Vereinigung der Genuss-Werker von „Slow Food“, die damit werben, dass mit Erzeugnissen naher Kleinproduzenten ein „Null-Kilometer-Menü“ zubereitet wird. Wir wählten das sechsgängige „Menu Degustació“ für 55 Euro pro Person – und waren erfreut über die dafür gebotene Qualität.
Dreierlei: Kressesalat, Kartoffelkreation, Pulposalat
Ein spannender Auftakt: Als kleine Aufmerksamkeit vor den Gerichten gab es Melone mit Limette und Rum. Dann das abgebildete Dreierlei: Zuerst einen sanft scharfen Kressesalat. Daneben eine Kartoffelkreation in der Art unserer Schupfnudel, eine durchgepresste Kartoffel, mit Olivenöl vermengt und leicht angeröstet. Und rechts einen raffinierten Pulposalat mit Wachtelei, Fischrogen – wieder auf einem kleinen Kartoffelbett.
Bohnencréme, Echinacea-Biskuit, Gamba und Schweinswurst
Für mich das interessantes Gericht: Eine intensive, lauwarme Bohnencréme, dazu ein Biskuit aus der Heilpflanze Echinacea – und nicht sichtbar: Eine Gamba, also eine Garnele, und hauchdünne Scheiben einer Schweinssalami. Was sich scheinbar ordinär anhört, Schweinssalami, wirkt in dieser homöopathischen Dosis von wenigen Scheiben wie ein Geschmack verstärkendes Gewürz.
Foie Gras, Grüntee-Fonds, Zwiebel, Aprikosenschaum
„Ja, geht´s noch?“, dachte ich, als ich diese Zusammenstellung las. Ja, es geht. Nun, ich bin kein Freund mehr der tierquälerischen Mästung von Gänsen zu Stopflebern. Aber in der Umgebung von Llafranc gibt es Produzenten dieser zugegeben excellent schmeckenden Delikatesse, weshalb es in dieses Regionalmenü passt, vor allem, wenn die Foie Gras so spielerisch-klug zubereitet wird: Die süßliche Zwiebel, die süßliche Karotte, der Grünteefonds, das Meersalz und vor allem der umwerfend intensive Aprikosenschaum adeln dieses eher derbe Gericht zu einem umwerfend geschmackvollen Akkord. Wenn schon Gänseleber, dann so. Aber wer so etwas nicht mag, kann ohne irgendwelche Probleme etwas anderes bestellen.
Zahnbrasse, Kartoffel-Basilikum-Sauce, Meerluft
Auf Fisch freue ich mich an der Costa Brava immer ganz besonders, weil es hier noch eine lokale Fischerei gibt. Eine besondere Delikatesse ist die Zahnbrasse, die leider leicht zu trocken geraten ist. Dafür überzeugten die confierten Tomaten-Speckscheiben, die konzentrierte Kartoffel-Basilikum-Sauce. Und der „Meerschaum?“ Der sieht vor allem schön aus – und wer die Brise des nahen Meers tief einatmet, verziert sein Gericht sogar „meerern“.
Reis aus Pals, Sepia-Fonds und Langustine
Berühmt für seinen Reisanbau war die Gegend um den nahegelegenen Ort Pals. Doch im Zuge der „Modernisierungswelle“ der 60er-Jahre, die viele Traditionen als überholt abtat, verkamen die Kulturen weitgehend. Einem uneigennützigen Engagement der Bürger von Pals ist es zu verdanken, dass die Anlagen wieder instandgesetzt wurden, dass vor allem die komplizierte Bewässerung der Felder, die nach einem jahrhundertalten System der Wasserrechte geregelt wird, wieder in Funktion gesetzt wurde.
Ein intensiv schmeckender Rundkornreis, der nicht so einen hohen glykämischen Index hat, wie normaler Reis, ist diese Spezialität. Im „Casamar“ wird der Reis als eine Art Risotto angebraten mit Olivenöl, Knoblauch, Zwiebeln, klein geschnittenem Sepia, als Tintenfisch mit seiner schwarzen Farbe. Dann im zugefügten Fischfonds ziehen lassen – und mit einer topfrischen Langustine krönen. Ein feiner Abschluss eines ungewöhnlichen Menüs.
Zwei Desserts rundeten das Menü ab: Eins mit Birne, Birnengelee, weißer Schokolade und Ingwereis und eins mit einem umgedrehten Apfelkuchen. Beide schmecken wunderbar, waren aber viel zu süß, weshalb ich sie hier nur erwähne, aber nicht detailliert vorstelle.
links: Ein Sternekoch der lockeren Art: Quim Casselas | rechts: Ein intensiver Weißwein der eigenen Art: Verdejo
Die Geschwister Quim und Maria haben aus dem 1955 gebauten Haus in zwölf Jahren ein elegantes Hotel und ein hervorragendes Restaurant entwickelt, das inzwischen auch mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde – wobei das immer lachende Energiebündel Quim in keinem Augenblick eine verdruckst-steife Atmosphäre aufkommen lässt. Hier sind Schlipsträger genau so wie Jeansträger gerne gesehene Gäste.
Autochthon ist die Verdejo-Rebe aus dem Nordwesten Spaniens, was heißt, dass sie in diesem Gebiet alteingesessen ist. Entstanden früher daraus fast sherryartige Weine, ermöglicht es die moderne Kellertechnik, die extrem sauerstoffempfindlichen Trauben so zu keltern, dass sie einzigartig fruchtig-elegante Weine werden. Der „Ossian“ für 29 Euro, den wir getrunken haben, ist ein gutes Beispiel dafür – und er ist ein gutes Beispiel, wie gut heute ökologische Weine schmecken können.
„Wie viel Prozent der Produkte sind tatsächlich Null-Kilometer“, frage ich den Kellner, der sich denkt: „So etwas kann nur ein Deutscher fragen“, elegant der Frage ausweichend, den Kopf leicht Richtung Wasser dreht, als wolle er sagen: „Genieße die Aussicht aufs blaue Meer, das keinen Kilometer entfernt ist“. Darauf noch einen Schluck Verdejo!
Weil´s so schön ist: Ockerfarben das „Casamar“ oben in der Bildmitte
Schlicht-elegant sitzt es sich im „Casamar“ nicht nur auf der Terrasse, sondern auch innen im Gasthaus. Bemerkenswert: Die wie Stahl aussehenden Böden sind aus Keramik – eine Reverenz an die einstmals blühende Keramikindustrie wenige Kilometer entfernt. Zum Restaurant gehört auch ein Hotel mit 20 Zimmern zu bezahlbaren Preisen, wobei die mit Meeresblick natürlich teurer sind.
Ein begeisterndes „Null-Kilometer-Menü“</strong> habe ich vor einigen Jahren in dieser Echt essen-Serie vorgestellt: Im Gasthaus Schweinsbräu in Glonn bei München.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
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