„Rössle“: Bestbürgerlich

5 Minuten

© Hans Lauber
„Rössle“: Bestbürgerlich

„Echt essen“-Gasthaus im September: Eine bodenständige, bestbürgerliche Küche wird im Landgasthof „Rössle“ serviert – und der quirlige Wirt Ernst Kunz jr. hat noch viel vor

Eines der ältesten schwäbischen Traditionsgasthäuser ist das „Rössle“ in Veinau bei Schwäbisch Hall. Seit 1493 ist das urige Gut in Familienbesitz – und früher gab es hier noch eine zünftige Landwirtschaft mit eigenem Vieh. Doch das ist Geschichte, der Stall wurde von Ernst Kunz jr., der hier seit einigen Jahren kocht und wirtet, zu einer coolen Eventlocation umgebaut. Die Gaststube ist elegant eingerichtet mit schöner Tischwäsche und komfortablen Stühlen. Der Laden brummt in dieser wohlhabenden Gegend, und als ich da war, wurden gleichzeitig mehrere Gesellschaften in den Nebenräumen, im Garten und in der Eventhalle bewirtet.

Mir schwante Schlimmes, fürchtete stundenlange Wartezeiten, einen überforderten Service, hastig zusammengerührtes Essen. Nichts dergleichen! Mit Glück ergatterte ich einen Tisch im kleinen Gärtchen vor dem Haus und flugs wurde die Speisekarte von der freundlichen Bedienung gereicht. Großer Pluspunkt: Es steht nicht zu viel drauf, rund zehn Hauptgerichte, dazu einige Vorspeisen – was meist dafür bürgt, dass die Gerichte auch frisch zubereitet werden.

© Hans Lauber
Alteingessenes Anwesen in Veinau: „Landhaus Rössle“

Es fing gleich gut an: Eine große Ravioli, gefüllt mit Frischkäse, der aus Veinau, also dem kleinen Dorf stammt. Genau richtig im Biss die Teigware, gebettet auf perfekt gedämpftem, schlotzigen Spinat – bestreut mit Parmesan, garniert mit Rosmarin, Dill und Vogelmiere. 14,50 Euro kostet das Gericht – und es wurde wunschgemäß auf zwei Tellern serviert. Hier wird sofort deutlich, das ist eine gutbürgerliche Küche auf dem Weg zur bestbürgerlichen – und vielleicht sogar zur Sterneküche.

© Hans Lauber
Schwebt über Spinat: Käseravioli

Als Liebhaber von Innereien bestellte ich natürlich das Bries, also die der Immunabwehr dienende Thymusdrüse des Kalbs. Auf zwei Arten kommt die leider selten servierte Delikatesse hier auf den Tisch: Einmal in einer kräftigen Sauce und dann paniert und gebacken. Beide Male ist das Kalbsbries auf den Punkt gegart, also nicht zu trocken. Ausgezeichnet dazu das Erbsenpüree und einige die Verdauung fördernde Kräuter. 9,60 Euro kostet das Ganze – und es wird sofort klar, warum der renommierte Guide Michelin das „Rössle“ mit dem begehrten Bib Gourmand auszeichnet, der für eine hervorragende Küche zu fairen Preisen steht.

© Hans Lauber
Wird auf zwei Arten serviert: Kalbsbries

Ideal dazu der 2015er Riesling Ü40 von Tina Pfaffmann aus der Pfalz. Wobei damit nicht ein Wein für über 40-jährige gemeint ist, sondern einer aus über 40 Jahre alten Reben. Sicher, der Tropfen hat kräftige 13 Prozent Alkohol, aber er kommt ungemein spritzig und süffig daher – und ist für 19 Euro sehr korrekt bepreist.

Außergewöhnlich für einen Landgasthof ist die Weinkarte, die auf 20 Seiten Interessantes zu fairen Tarifen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Spanien auflistet. Spannend einige rare Weine aus der Schweiz und einige verlockende Magnumflaschen. Wer sich auskennt, kann hier auf Entdeckungsreise gehen.

Natürlich bestelle ich als Autor von „Heimatküche“ den Zwiebelrostbraten, eines der Referenzgerichte der schwäbischen Küche. Spannend zu erleben, wie trotz des Ansturms der Braten in angemessener Zeit auf den Tisch kommt, das Fleisch nicht „durch“, sondern saftig ist. Herrlich die geschmelzten Zwiebeln, intensiv die dunkle Soße. Selbstgemacht schmecken die angenehm dünnen Spätzle, korrekt ist das Gemüse dazu – so muss der Klassiker schmecken, der seine 21,50 Euro wert ist.

© Hans Lauber
Himmel der Schwaben: Zwiebelrostbraten mit Spätzle

Löblich ist, dass das „Rössle“ möglichst viele Waren aus der unmittelbaren Umgebung bezieht. So kommt etwa das Schweinefleisch von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Sicher, die Erzeugergemeinschaft wird wegen dem umtriebigen, auch auf seinen eigenen Vorteil achtenden Gründer Rudolf Bühler gerne auch kritisiert. Fakt ist aber: Die fast ausgestorbenen Schwäbisch-Hällischen Schweine sind wieder eine Delikatesse, es gibt noch einen eigenen Schlachthof und allein in Veinau existieren noch vier Bauern, die es ohne diese Gemeinschaft nicht gäbe.

Jäger ist Ernst Kunz. Aber da im Jahr rund 100 Rehe verarbeitet werden, kommt auch viel Wild von befreundeten Kollegen auf den Teller. Für mich der Höhepunkt des Abends ist der rosa gebratene Rehrücken. Gut die geschmelzten Pfifferlingsknödel, wobei die Pilze noch etwas intensiver hätten schmecken können. Ordentlich das Kohlrabigemüse, die gedämpften Pilze. Das alles für faire 26 Euro.

© Hans Lauber
Rosa, wie es sich gehört: Rehrücken

Eine kleine Entdeckung ist der Lemberger Spätlese trocken vom Weingut Zaiß für 25 Euro. Erst ärgerte ich mich, dass statt dem auf der Karte angekündigten 2008er ein 2012er entkorkt wurde (das muss dringend aktualisiert werden). Aber der barrique-gereifte Wein war sofort „da“, schmeckte rund – und mir fiel auch ein, wo ich schon einmal Zaiß getrunken hatte: Auf dem Cannstatter Wasen, wo dieses Stuttgarter Weingut ein eigenes kleines Zelt hat. Chapeau: Der Spagat zwischen populärer Breite und guter Qualität gelingt nicht vielen.

© Hans Lauber
Schmeckt beim Wasen und beim Rössle: Zaiß-Wein

Als ich nach dem Essen noch mit einem Glas Wein in den lauschigen Garten laufe, treffe ich Ernst Kunz. Obwohl Großkampftag ist, ist er völlig entspannt, ist bester Laune. Hier ist einer, der seinen Laden im Griff hat. Der Eindruck bestätigt sich am nächsten Morgen, als ich ihn treffe, wie er die Tische für die nächste Hochzeit richtet, das Laub kehrt, „jetzt bin ich Hausmeister“, sagt er lachend. Dann zeigt er mir die feinsinnig umgebaute Eventhalle mit einer Fußbodenheizung, sodass auch ein Wintergeschäft möglich ist. Staunend sehe ich die Mischung aus Tradition und moderner Architektur, vieles von ihm selbst entworfen. Und er hat noch viel vor: Aus dem Garten, wo jetzt schon Gesellschaften tafeln, wird wohl irgendwann eine schöne Gartenwirtschaft entstehen. Das wird hoffentlich kein Wellnesstempel werden, aber sicher ein Landgasthof, wo es sich lohnt, ein paar Tage ruhig in schöner Umgebung auszuspannen.

© Hans Lauber
Strotzt vor Schaffenskraft: Wirt und Koch Ernst Kunz jr

Auch in der Küche hat der Wirbelwind noch einiges vor, schließlich hat er sich in der Schweiz im Adler in Fläsch im Jahr 2007 einen Michelin-Stern erkocht – bevor er dann zwei Jahre später das Zepter in Veinau übernahm. Nicht dass Kunz direkt davon spricht, aber der Ehrgeiz blitzt ihm aus den Augen und die tolle Weinkarte weist heute schon den Weg noch oben. Mir persönlich wäre ja eine noch weiter entwickelte bestbürgerliche Küche lieber als das oft übertriebene Sternegetue. Aber wer weiß, vielleicht gelingt diesem ehrgeizigen Küchenchef, der in guten Häusern gelernt hat, ja der Spagat, die regionale Küche auf ein kulinarisch anspruchsvolles Niveau zu heben. Ein Vorbild für diesen Küchenstil gibt es nur einige Kilometer davon zu bewundern: Der „Adler“ in Rosenberg, den ich schon oft beschrieben habe.

Fazit: Ein spannender Landgasthof mit aufstrebender Tendenz. Aber Vorsicht am Wochenende: Dann haben oft die vielen Gesellschaften Vorrang – und das Restaurant ist für normale Gäste geschlossen.

Rössle, Hotel (mit Doppelzimmern und gutem Frühstück um die 90 Euro) und Landgasthof, Zeilwiesen 5, 74 523 Schwäbisch-Hall (Veinau), 0791/2593.
Täglich ab 17 Uhr geöffnet. Samstag, Sonntag und Feiertag ab 12 Uhr. Montag nur für Hausgäste, Dienstag Ruhetag.
www.roessle-veinau.de


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de

zurück zur „Echt essen“-Übersicht

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

EASD-Jahrestagung 2025: Die Diabetes-Forschung der Welt in Wien

Zur 61. Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Diabetesforschung (EASD) traf sich die Diabetologie im September 2025 in Wien. Live waren 13 855 Personen dabei, im Internet verfolgten 1354 den Kongress.
EASD-Jahrestagung 2025: Die Diabetes-Forschung der Welt in Wien | Foto: EASD

4 Minuten

Nachgefragt Recht | Nur in besonderen Situationen: Mehrkosten für Ernährung geltend machen

Manche Menschen benötigen aus gesundheitlichen Gründen eine kostenaufwendige Ernährung. Allerdings kann man diese Mehrkosten in Deutschland nur im Ausnahmefall bei Sozialamt, Krankenkasse oder Finanzamt geltend machen. Hier fassen wir die Möglichkeiten zusammen.
Nachgefragt Recht | Nur in besonderen Situationen: Mehrkosten für Ernährung geltend machen | Foto: New Africa - stock.adobe.com

3 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Wir freuen uns auf das letzte virtuelle Community-MeetUp des Jahres! 🎄Morgen, Donnerstag, um 18 Uhr. Alle Infos findet ihr hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-dezember-2/

  • bloodychaos postete ein Update vor 6 Tagen, 1 Stunde

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 1 Woche

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

Verbände