„Rössle“: Bestbürgerlich

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© Hans Lauber
„Rössle“: Bestbürgerlich

„Echt essen“-Gasthaus im September: Eine bodenständige, bestbürgerliche Küche wird im Landgasthof „Rössle“ serviert – und der quirlige Wirt Ernst Kunz jr. hat noch viel vor

Eines der ältesten schwäbischen Traditionsgasthäuser ist das „Rössle“ in Veinau bei Schwäbisch Hall. Seit 1493 ist das urige Gut in Familienbesitz – und früher gab es hier noch eine zünftige Landwirtschaft mit eigenem Vieh. Doch das ist Geschichte, der Stall wurde von Ernst Kunz jr., der hier seit einigen Jahren kocht und wirtet, zu einer coolen Eventlocation umgebaut. Die Gaststube ist elegant eingerichtet mit schöner Tischwäsche und komfortablen Stühlen. Der Laden brummt in dieser wohlhabenden Gegend, und als ich da war, wurden gleichzeitig mehrere Gesellschaften in den Nebenräumen, im Garten und in der Eventhalle bewirtet.

Mir schwante Schlimmes, fürchtete stundenlange Wartezeiten, einen überforderten Service, hastig zusammengerührtes Essen. Nichts dergleichen! Mit Glück ergatterte ich einen Tisch im kleinen Gärtchen vor dem Haus und flugs wurde die Speisekarte von der freundlichen Bedienung gereicht. Großer Pluspunkt: Es steht nicht zu viel drauf, rund zehn Hauptgerichte, dazu einige Vorspeisen – was meist dafür bürgt, dass die Gerichte auch frisch zubereitet werden.

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Alteingessenes Anwesen in Veinau: „Landhaus Rössle“

Es fing gleich gut an: Eine große Ravioli, gefüllt mit Frischkäse, der aus Veinau, also dem kleinen Dorf stammt. Genau richtig im Biss die Teigware, gebettet auf perfekt gedämpftem, schlotzigen Spinat – bestreut mit Parmesan, garniert mit Rosmarin, Dill und Vogelmiere. 14,50 Euro kostet das Gericht – und es wurde wunschgemäß auf zwei Tellern serviert. Hier wird sofort deutlich, das ist eine gutbürgerliche Küche auf dem Weg zur bestbürgerlichen – und vielleicht sogar zur Sterneküche.

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Schwebt über Spinat: Käseravioli

Als Liebhaber von Innereien bestellte ich natürlich das Bries, also die der Immunabwehr dienende Thymusdrüse des Kalbs. Auf zwei Arten kommt die leider selten servierte Delikatesse hier auf den Tisch: Einmal in einer kräftigen Sauce und dann paniert und gebacken. Beide Male ist das Kalbsbries auf den Punkt gegart, also nicht zu trocken. Ausgezeichnet dazu das Erbsenpüree und einige die Verdauung fördernde Kräuter. 9,60 Euro kostet das Ganze – und es wird sofort klar, warum der renommierte Guide Michelin das „Rössle“ mit dem begehrten Bib Gourmand auszeichnet, der für eine hervorragende Küche zu fairen Preisen steht.

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Wird auf zwei Arten serviert: Kalbsbries

Ideal dazu der 2015er Riesling Ü40 von Tina Pfaffmann aus der Pfalz. Wobei damit nicht ein Wein für über 40-jährige gemeint ist, sondern einer aus über 40 Jahre alten Reben. Sicher, der Tropfen hat kräftige 13 Prozent Alkohol, aber er kommt ungemein spritzig und süffig daher – und ist für 19 Euro sehr korrekt bepreist.

Außergewöhnlich für einen Landgasthof ist die Weinkarte, die auf 20 Seiten Interessantes zu fairen Tarifen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Spanien auflistet. Spannend einige rare Weine aus der Schweiz und einige verlockende Magnumflaschen. Wer sich auskennt, kann hier auf Entdeckungsreise gehen.

Natürlich bestelle ich als Autor von „Heimatküche“ den Zwiebelrostbraten, eines der Referenzgerichte der schwäbischen Küche. Spannend zu erleben, wie trotz des Ansturms der Braten in angemessener Zeit auf den Tisch kommt, das Fleisch nicht „durch“, sondern saftig ist. Herrlich die geschmelzten Zwiebeln, intensiv die dunkle Soße. Selbstgemacht schmecken die angenehm dünnen Spätzle, korrekt ist das Gemüse dazu – so muss der Klassiker schmecken, der seine 21,50 Euro wert ist.

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Himmel der Schwaben: Zwiebelrostbraten mit Spätzle

Löblich ist, dass das „Rössle“ möglichst viele Waren aus der unmittelbaren Umgebung bezieht. So kommt etwa das Schweinefleisch von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Sicher, die Erzeugergemeinschaft wird wegen dem umtriebigen, auch auf seinen eigenen Vorteil achtenden Gründer Rudolf Bühler gerne auch kritisiert. Fakt ist aber: Die fast ausgestorbenen Schwäbisch-Hällischen Schweine sind wieder eine Delikatesse, es gibt noch einen eigenen Schlachthof und allein in Veinau existieren noch vier Bauern, die es ohne diese Gemeinschaft nicht gäbe.

Jäger ist Ernst Kunz. Aber da im Jahr rund 100 Rehe verarbeitet werden, kommt auch viel Wild von befreundeten Kollegen auf den Teller. Für mich der Höhepunkt des Abends ist der rosa gebratene Rehrücken. Gut die geschmelzten Pfifferlingsknödel, wobei die Pilze noch etwas intensiver hätten schmecken können. Ordentlich das Kohlrabigemüse, die gedämpften Pilze. Das alles für faire 26 Euro.

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Rosa, wie es sich gehört: Rehrücken

Eine kleine Entdeckung ist der Lemberger Spätlese trocken vom Weingut Zaiß für 25 Euro. Erst ärgerte ich mich, dass statt dem auf der Karte angekündigten 2008er ein 2012er entkorkt wurde (das muss dringend aktualisiert werden). Aber der barrique-gereifte Wein war sofort „da“, schmeckte rund – und mir fiel auch ein, wo ich schon einmal Zaiß getrunken hatte: Auf dem Cannstatter Wasen, wo dieses Stuttgarter Weingut ein eigenes kleines Zelt hat. Chapeau: Der Spagat zwischen populärer Breite und guter Qualität gelingt nicht vielen.

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Schmeckt beim Wasen und beim Rössle: Zaiß-Wein

Als ich nach dem Essen noch mit einem Glas Wein in den lauschigen Garten laufe, treffe ich Ernst Kunz. Obwohl Großkampftag ist, ist er völlig entspannt, ist bester Laune. Hier ist einer, der seinen Laden im Griff hat. Der Eindruck bestätigt sich am nächsten Morgen, als ich ihn treffe, wie er die Tische für die nächste Hochzeit richtet, das Laub kehrt, „jetzt bin ich Hausmeister“, sagt er lachend. Dann zeigt er mir die feinsinnig umgebaute Eventhalle mit einer Fußbodenheizung, sodass auch ein Wintergeschäft möglich ist. Staunend sehe ich die Mischung aus Tradition und moderner Architektur, vieles von ihm selbst entworfen. Und er hat noch viel vor: Aus dem Garten, wo jetzt schon Gesellschaften tafeln, wird wohl irgendwann eine schöne Gartenwirtschaft entstehen. Das wird hoffentlich kein Wellnesstempel werden, aber sicher ein Landgasthof, wo es sich lohnt, ein paar Tage ruhig in schöner Umgebung auszuspannen.

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Strotzt vor Schaffenskraft: Wirt und Koch Ernst Kunz jr

Auch in der Küche hat der Wirbelwind noch einiges vor, schließlich hat er sich in der Schweiz im Adler in Fläsch im Jahr 2007 einen Michelin-Stern erkocht – bevor er dann zwei Jahre später das Zepter in Veinau übernahm. Nicht dass Kunz direkt davon spricht, aber der Ehrgeiz blitzt ihm aus den Augen und die tolle Weinkarte weist heute schon den Weg noch oben. Mir persönlich wäre ja eine noch weiter entwickelte bestbürgerliche Küche lieber als das oft übertriebene Sternegetue. Aber wer weiß, vielleicht gelingt diesem ehrgeizigen Küchenchef, der in guten Häusern gelernt hat, ja der Spagat, die regionale Küche auf ein kulinarisch anspruchsvolles Niveau zu heben. Ein Vorbild für diesen Küchenstil gibt es nur einige Kilometer davon zu bewundern: Der „Adler“ in Rosenberg, den ich schon oft beschrieben habe.

Fazit: Ein spannender Landgasthof mit aufstrebender Tendenz. Aber Vorsicht am Wochenende: Dann haben oft die vielen Gesellschaften Vorrang – und das Restaurant ist für normale Gäste geschlossen.

Rössle, Hotel (mit Doppelzimmern und gutem Frühstück um die 90 Euro) und Landgasthof, Zeilwiesen 5, 74 523 Schwäbisch-Hall (Veinau), 0791/2593.
Täglich ab 17 Uhr geöffnet. Samstag, Sonntag und Feiertag ab 12 Uhr. Montag nur für Hausgäste, Dienstag Ruhetag.
www.roessle-veinau.de


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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