6 Minuten
Das Echt essen-Gasthaus im November: Eine raffinierte Bio-Küche der Region kocht Robert Stolz im einladenden Restaurant Stolz am schönen Plöner See in Schleswig-Holstein.
Ein Paradies für Echt Essen ist das „Stolz“. Rund um das Gasthaus findet sich alles, was die Natur zu bieten hat: Gutes Gemüse, viele Wildkräuter, Wild, Fische aus den Seen und von der nahen Ostsee. Robert Stolz ist stolz auf diese Schätze – und er sucht unermüdlich nach ihnen, sammelt mit seinen Köchen den Samen der Kapuzinerkresse, weckt Hagebutten mit ihren Schalen ein, entsaftet Wildkräuter, arbeitet mit einer ganz besonderen Gärtnerin zusammen, Anja Christiansen von „Wilde Kost“ in Bad Segeberg. Und dieser kulinarische Leuchtturm in Schleswig-Holstein macht das, was jeder vernünftige Koch macht, der an die eigene, an die Gesundheit seiner Gäste und an die Zukunft der Natur denkt: Er arbeitet weitgehend mit ökologischen Produkten.
Wohlgelitten bei Führern und Gästen: Gastliches „Stolz“
Drei verschiedene Menüs werden angeboten, wir wählten das fünfgängige „Feinheimisch“ für 73 Euro, zu dem als Auftakt ein feiner Lachs-Kürbis-Spieß gehören – und das wunderbare selbstgebackene Brot, dessen Sauerteig vier gemächliche Tage „gehen“ kann, was einen tiefgründigen Geschmack ergibt.
Scheiben vom Angler Sattelschwein mit Linsen, Leberwurst, Pastinaken
Wo er kann, verwendet Robert Stolz authentische Produkte. Dazu gehört auch das Angler Sattelschwein. Eine bis in die 1950er-Jahre äußerst beliebte Rasse, die um 1990 aber praktisch ausgestorben war, weil die Menschen nach magerem, dafür geschmacksarmem Fleisch gierten. Inzwischen haben mutige Züchter die Rasse wieder heimisch gemacht – und Robert Stolz serviert davon dünne Scheiben mit einem wohlschmeckenden Fettrand. Bei 60 Grad wurde das Fleisch mit Nieder-Temperatur gegart und anschließend mariniert. Ich esse selten Schweinefleisch, aber das hier lohnt die Reise.
Spannend dazu die sauer eingelegte Pastinake, ein weitgehend vergessenes Urgemüse – und ein Klacks Leberwurst. Hört sich verwegen an, ergänzt sich aber prächtig, vor allem mit den krach-knusprigen, selbst gebackenen Roggenkräckern. Intensive Geschmackstupfer bilden die kleinen Würfel aus Liebstöckel und die mit Petersiliensauce aromatisierten Alblinsen. Ein ungeheuer vielfältiges Gericht, das ich am liebsten zwei Mal gegessen hätte (wie vieles hier), einfach um die Raffinesse der Kombination noch mehr zu genießen.
Nordsee-Tintenfisch mit geräuchertem Frischkäse und Kürbis
Auch eine gute Idee: Den Frischkäse leicht zu räuchern – so bildet er einen adäquaten Kontrast zum saftigen Tintenfisch (kein Vergleich zu den trocken-zähen Stücken, die viele Italiener servieren). Apart dazu die selbst gesammelten Holunderkapern, und die süß-sauer marinierten Scheiben vom Kürbis. Amalgiert wird das Ganze durch eine unendlich intensive Dillsauce – ein Ergebnis des leidenschaftlichen Kräuterentsafters Robert Stolz.
Perfekt passt dazu der 2009er Riesling „Brüssele“ vom württembergischen Traditionsweingut Graf Adelmann. Ein Wein mit würzigen Ecken und Kanten. Ein Tropfen mit den Genen der schwäbischen Seele: Nicht aufdringlich, aber immer präsent.
Kabeljau mit gelben und roten Beten, Fenchelsamen, Zwiebelblüte
Dieses Gericht ist die perfekte Inszenierung der raffinierten Küche von Robert Stolz: Da ist zuerst die bissfeste saftige Schnitte vom Ostsee-Kabljau, die auf einer leicht säuerlichen Sauce (wobei Säure ein guter Verdauungsförderer ist) aus Zwiebelblüten und Fenchelsamen „schwimmt“. Wobei die Blüten der Zwiebel das „Zwiebelige“ auf unendlich sanfte Weise transportieren. Die Zwiebelblütensauce vermengt sich auf das Trefflichste mit der grünen Lauchsauce. Rechts oben ist eine gelbe Bete – und die wird „gekrönt“ von geröstetem und gekrümeltem Pumpernickel, vermengt mit Rote-Bete-Asche. Natürlich auch wieder so ein faszinierendes Gericht, das nach einem zweiten „Genusslauf“ schreit.
Interessiert hat mich die Rote Bete-Asche – und die wird so hergestellt: Zuerst wird die ganze Bete in Alufolie bei 200 Grad drei Stunden im Ofen gegart, dann geschält, klein geschnitten – und wieder geht es bei diesmal 250 Grad in den Ofen. Immer wieder werden Teile runtergenommen, ganz getrocknet und zum Schluss vermahlen. „Schmeckt doch wie Kakao?“ fragte Robert Stolz. Wir fanden wie eine Mischung aus Kakao und Rote Bete, auf jeden Fall ungeheuer intensiv, was dem Gericht eine zusätzliche Tiefe verleiht.
Natürlich ließe sich fragen, lohnt der Aufwand? Mit dieser Frage kann der leidenschaftliche Koch nichts anfangen – und das ist gut so. Er sieht sich als einen Naturforscher, der sich seine „kindliche Neugier“ bewahrt hat, der ganz tief in die Essenz der Lebens-Mittel eindringen will, und der wenig mit meinen ernährungsphysiologischen Erwägungen anfangen kann.
Ein weiterer Höhepunkt dieser außergewöhnlichen „Landlust“: Ein innen noch leicht blutiges, also perfekt auf den Punkt gebratenes, geschmackstarkes Reh, das in einer Lakritzsauce (eine Kreation des Gewürzkönigs Ingo Holland) ruht, die mit ihrer dezenten Süße gut zum Wild passt.
Reh, rosa gebraten, mit „Purple Haze“-Karotten, Lakritzsauce
Das Weiße vorne ist Käsebruch, aromatisiert mit öligen Auszügen aus Fichtenspitzen. Vergessen habe ich den Namen der wunderbaren Kartoffeln, gottseidank mit Schale serviert. Und das Schwarze im Hintergrund? Das sind die berühmten, hier Butter-glasierten Purple Haze-Karotten, eine alte Züchtung die außen lila ist, und innen mit viel Vitamin C, Herz schützenden Antioxidantien und sehschärfenden Carotinen prunkt. Ideal dazu der 2010er Pfälzer Spätburgunder vom Weingut Bergdolt.
Ein geerdetes Gericht, das zum Träumen verleitet – etwa nach dem Motto von Jimi Hendrix, der in seinem wunderbaren Liebeslied „Purple Haze“ singt: „Actin` funny, but I don´t know why“. Sie wissen es!
links: Wenig Zucker, viel Geschmack: Früchte mit Honigquark | Gutes Essen, faire Preise:„Stolz“-Rechnung
Ich gestehe: Das Menü war so faszinierend, dass ich dem wunderbaren Dessert nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet habe – auch weil mich die Gäste vom Nebentisch mit ihrer Befindlichkeitsdiskussion abgelenkt haben (siehe Schluss der Geschichte). Ich weiß nur noch, dass die Birne mit Pflaumen, den Trauben und der Honigquark bestens gemundet haben. Und dass das Dessert mit bemerkenswert wenig Zucker auskam.
Sicher, 210 Euro für zwei Personen – das ist eine stolze Summe, die sich viele nicht leisten können (ich letztendlich auch nicht). Aber angesichts des Gebotenen, des ungeheueren Aufwands im Detail, der letztendlich stimmigen, nie gekosteten Geschmäcker bei gleichzeitig guter Bekömmlichkeit – ein angemessener Preis.
Feinheimisch heißt eine von Robert Stolz mit ins Leben gerufene Initiative, in der sich aus Schleswig-Holstein zusammengeschlossen haben: Gastronomen, Produzenten von Fleisch, Geflügel, Wild, Käse, Gemüse, Obst, Backwaren, Honig und Schnäpsen – immer mit dem Ziel, aus dem Heimischen das Feinste auf den Tisch zu bringen, möglichst alte Sorten zu kultivieren, möglichst fair zur Natur zu sein – also möglichst ökologisch zu handeln. Das hört sich an, wie die Grundsätze der für gute Lebens-Mittel so wichtigen Slow-Food-Bewegung – und konsequenterweise ist Robert Stolz denn auch ein begeisterter Unterstützer dieser Genusshandwerker.
Bringt die pure Natur auf den Teller: Robert Stolz
Fazit: Dieses Restaurant mit seinen fünf Hotelzimmer mit Seeblick hat einen eigenen Stil gefunden – und der ist auf den kulinarischen Norden ausgerichtet. „Wir gehen in Deutschland nicht mehr essen“, erzählt uns Robert Stolz. Nun, das halte ich für ein wenig zu streng, aber er liebt halt die hochgelobten Restaurants in Dänemark, er war schon sieben Mal im oft als bestes Restaurant der Welt gelobten „Noma“, er hatte Ende Oktober als Gastkoch Norwegens besten Koch bei sich, Esben Holmboe Bang aus Oslo.
Wobei diese Restaurants deutlich höhere Preise nehmen – und ich bin nicht sicher, ob ich dort besser und stimmiger esse, als bei Robert Stolz, der bei aller Experimentierlust nie den guten Geschmack vergisst.
Schön, dass alle wichtigen Restaurantführer diese Leistung würdigen. Besonders schön, dass auch der von den Wirten als wichtigster Maßstab akzeptierte „Guide Michelin“ dieses mutige Konzept mit einem Stern würdigt – eine Ehrung, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Da hätten die Tester das Fehlen teurer Edelprodukte wie Kaviar, Hummer beklagt – und hätten ein steiferes Zeremoniell im Service angemahnt.
Aber im „Stolz“ ist der Service so natürlich wie das Essen: Dem Gast dienend, die Fragen des Gastes fundiert beantwortend. Sei es, dass unsere angenehme Bedienung, dass die Köche uns die Gerichte erläutert haben, immer geht es angenehm gastlich zu.
Nicht alle teilen diese Ansicht. Am Nebentisch saß ein Paar, das im Saarland auch ein Sterne-Restaurant führt – und die hatten nichts Besseres zu tun, als die arme Bedienung zu triezen – und uns zu erklären, wie der Service in einem Sterne-Haus zu sein habe: „Wir erwarten, dass uns die Serviette auf den Schoß gelegt wird“. Wir erwarten das nicht – und wunderten uns nur, wie die besserwisserischen Saarländer gekleidet waren: Sie trugen Jeans.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
5 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen