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Wissen Sie, warum man verstärkt im Winter mit Schnupfen zu kämpfen hat? Oder warum in der Vor-Antibiotika-Ära Tuberkulosekranke in höher gelegene Luftkurorte zum Ausheilen ihres Lungenleidens verbannt wurden? Die Verbindung zwischen beiden Fragen ist Vitamin D! Prof. Reinhard Zick klärt auf.
Vitamin D ist wichtig für den Körper. Im Alter kann die Produktion über die Haut nur noch ein Viertel von der eines jungen Menschen betragen. Der tägliche Vitamin-D-Bedarf liegt beim normalgewichtigen Menschen mit etwa 70 kg bei 4 000 internationalen Einheiten (IE). Bei stark Übergewichtigen kann sich der Bedarf verdoppeln – wegen der Aufnahme in das Fettgewebe. Bei Übergewicht wird das Sonnenhormon ins Fettgewebe ausgelagert und kann seine volle Wirkung an anderen Körperzellen nur noch bedingt entfalten.
Dieser Verdünnungseffekt ist vor allem deshalb von Bedeutung, da alle Empfehlungen der Vitamin-D-Zufuhr sich in der Regel auf normalgewichtige Personen beziehen; bei zunehmendem starkem Übergewicht (Adipositas) beobachte ich im Praxisalltag eine häufig vorkommende Unterdosierung.
Erschwerend kommt hinzu, dass über Nahrung allein der Bedarf nur bedingt zu decken ist – es sei denn, man ist Anhänger von Lebertran und von kaum bezahlbarem, echtem Wildlachs. Deshalb muss es nicht verwundern, dass in unseren Breiten ältere und leicht übergewichtige Menschen in den Wintermonaten nahezu alle einen echten Vitamin-D-Mangel mit seinen Folgen aufweisen.
Die Vitamin-D-Synthese in der Haut hängt ab vom Einfallwinkel der Sonne, von der Höhenlage des Aufenthaltsortes, von Luftverschmutzung und von der Bekleidung. Viel zu wenig bekannt ist der Einfluss der Sonnencreme: Schon ein Produkt mit Lichtschutzfaktor 15 blockiert die Vitamin-D-Produktion in der Haut um bis zu 99,5 Prozent.
Ohne ausreichende Vitamin-D-Spiegel im Blut fällt die Aufnahme von Kalzium und Phosphat über den Darm dramatisch ab. Als Reaktion darauf kommt es zum Anstieg von Parathormon, das über eine Aktivierung der Knochenzellen (Osteoklasten) Kalzium aus den Knochen ins Blut strömen lässt. Da Parathormon gleichfalls die Ausscheidung von Phosphat über die Niere reguliert, kommt es unter einem Vitamin-D-Mangel zusätzlich zu einem gesteigerten Phosphatverlust über den Urin.
Als Konsequenz dieser Hormonverschiebungen werden Knochen entkalkt und zusätzlich die Knochenneubildung gestört. Es zeigen sich Osteoporose und Osteomalazie (schmerzhafte Knochenerweichung), im Kindesalter Rachitis. Wichtig: Die Osteoporose ist nicht schmerzhaft und wird meist leider erst sehr spät entdeckt.
Dennoch bleibt die Frage: Können durch konsequente Einnahme von Vitamin D Knochenbrüche vermieden werden? Einigkeit besteht bei allen Untersuchern, dass zur Normalisierung des Knochenab- und -umbaus dauerhaft Vitamin-D-Spiegel von wenigstens 30 ng/ml unumgänglich sind.
Rezeptoren für Vitamin D finden sich an vielen Zellen, die an körpereigenen Immunreaktionen beteiligt sind. Deshalb verwundert es nicht, dass in der Jahreszeit mit wenig Sonne durch Viren verursachte Infektionen besonders häufig auftreten. Unter dem Einfluss von Vitamin D können infizierte Zellen, mit Hilfe bestimmter Proteine (Cathelicidine) Tuberkelbakterien abtöten:
Es war also nicht die Luft, die in bergigen Luftkurorten zur Heilung von Tuberkulose beitrug – es war die vermehrte Vitamin-D-Produktion in der Höhe sowie die damit einhergehende niedrige Luftverschmutzung, kombiniert mit den ärztlich verordneten, sonnigen Liegestunden auf der Terrasse des Sanatoriums. Demzufolge müsste man die Luftkurorte eigentlich in Sonnenhormonkurorte umbenennen.
Da sich auch auf den Muskelzellen Vitamin-D-Rezeptoren nachweisen lassen, wird verständlich, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel mit einem Verlust an Muskelkraft einhergehen. Von Bedeutung ist dieser Zusammenhang insbesondere bei älteren Menschen. Es ist unstrittig, dass eine Normalisierung der Vitamin-D-Spiegels mit einem deutlichen Rückgang der Sturzneigung einhergeht.
Selten lässt sich in der Medizin – mittels einfacher Blutuntersuchung und falls nötig durch täglich eine Tablette oder einen Sprühstoß – so leicht vorhersehbares Leiden vermeiden.
Sinnvoll vor allem bei Senioren und Risikogruppen ist die Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels im Herbst und Frühjahr: im Herbst, um zu sehen, ob im Sommer ausreichend Sonnenhormon getankt wurde, um gut durch den Winter zu kommen. Der Frühjahrs-Check zeigt, ob das Niveau im Winter gehalten wurde – oder ob sich ein Mangel entwickelt hat.
Wie schon gesagt, sollten die Vitamin-D-Spiegel vom Alter unabhängig durchgehend oberhalb von 30 ng/ml liegen; den Löwenanteil der Bereitstellung von Calcidiol übernimmt die Haut in Verbindung mit den UVB-Strahlen des Sonnenlichtes. In den Monaten September bis März steht die Sonne jenseits des 45. Breitengrades so tief, dass die Vitamin-D-Produktion der Haut, insbesondere des älteren Menschen, praktisch zum Erliegen kommt. Deshalb sind diese Monate die Durststrecke fürs Sonnenvitamin.
In den Sommermonaten fällt in unseren Breitengraden bis 11 und ab 15 Uhr das Sonnenlicht auch zu schräg ein, um eine ausreichende Produktion zu gewährleisten. Nur: Was ist zu tun, wenn im Herbst niedrige Vitamin-D-Spiegel festgestellt werden? Jetzt kann eine Substitution, sprich Zuführung sinnvoll sein. Die Palette verfügbarer Vitamin-D-Präparate ist groß, wobei die Auswahl mit dem Hausarzt besprochen werden sollte. In meinen Augen sehr vorteilhaft sind solche, die als Spray eingesetzt werden. Mit ein bis zwei Sprayhüben, nach dem morgendlichen Zähneputzen, wird die Einnahme ritualisiert gesichert.
Abschließend noch etwas zum Thema Überdosierung: Meine Erfahrung aus den zurückliegenden Jahren als Endokrinologe ist, dass aus Sorge vor Überdosierung tendenziell zu niedrig substituiert wird. Von einem Übermaß an Vitamin D spricht man, wenn Blutspiegel 100 ng/ml überschreiten. Anders ausgedrückt müssten bei einem Vitamin-D-Blutspiegel von 15 ng/ml kurzfristig 500 000 IE eingenommen oder gesprayt werden. Dieses Beispiel beleuchtet deutlich den therapeutischen Sicherheitsabstand.
Prof. Dr. med. Reinhard Zick
Medicover GmbH, Möserstraße 4a, 49074 Osnabrück,
E-Mail: der.chef@mac.com
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (6) Seite 23-25
5 Minuten
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