Buchbesprechung: „Die Schönheit des Kreisverkehrs“ – ein Roman

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Buchbesprechung: „Die Schönheit des Kreisverkehrs“ – ein Roman

Von einem Mann, der durch seinen Diabetes in sich selbst gefangen ist, erzählt Dominique Paravel in ihrem Roman „Die Schönheit des Kreisverkehrs“. Ist das lesenswert? Oder dreht sich die Geschichte im Kreis? Ja, schon, aber, so viel sei verraten: auf höchst interessante Weise.

Joaquin ist Landschaftsplaner. Von seinem Diabetes weiß bei Savinco, dem Bauunternehmen, bei dem er arbeitet, niemand. Er schämt sich für seine Erkrankung, hält sich für einen „falschen Fuffziger“, denkt, dass er nicht mehr bei Savinco arbeiten kann, wenn man von seinem Diabetes wüsste. Sein Leben ist ausgerichtet auf die Geheimhaltung seiner Krankheit, von Angst bestimmt, von ihm selbst beschränkt; er will kein Risiko eingehen, alles muss berechnet werden und berechenbar sein.

Unterwegs in den Süden

Dieser Mann trifft nun auf Vivienne Hennessy, mit der er zu einem Kundentermin fahren soll. Joaquin möchte durch die Gestaltung eines Kreisverkehrs in einem Dorf im Südosten Frankreichs seiner Karriere Schwung verleihen. Vivienne kommt zu spät und verzögert während der Fahrt immer wieder aus nichtigen Gründen die Ankunft.

Joaquin wird immer nervöser – dieses Sich-treiben-Lassen widerspricht seiner Art zu leben und macht es ihm natürlich unmöglich, den Tag zu planen, zu berechnen, so wie er es gewohnt. Und da er sein Geheimnis partout nicht preisgeben möchte, schliddert er in eine Hypo, kommt kaum dazu zu messen, etwas zu essen, sich Insulin zu geben.

Zwei, die so verschieden sind – und sich doch gleichen

Gleichzeitig fühlen sich zwischen Vivienne und Joaquin zueinander hingezogen, gleichen sich in ihrer Sehnsucht. Sie spürt, dass da noch mehr ist als, dass etwas in ihm steckt … Er wiederum gerät in einen Zustand, in dem er zwischen ein Hypo und einem allgemeinen Schwebezustand nicht mehr unterscheiden kann und gezwungen ist, seine Kontrolle immer mehr aufzugeben – auch aufgeben zu wollen.

Wie die französische Autorin Dominique Paravel all das beschreibt, ist meisterhaft (und wurde mit dem französischen Literaturpreis Prix Cazes Brasserie Lipp ausgezeichnet). Der Diabetes ist hier Mittel zum Zweck, dient dazu, Joaquin in das Gefängnis seines Körpers und seiner Seele zu sperren.

Vivienne hingegen kennt keine Grenzen, lässt sich immer weiter treiben – und ist letztlich doch auch eine Gefangene – eine Gefangene ihrer Vergangenheit, gerade weil sie die Erinnerung daran scheut. Wird sie für sich einen Ausweg finden? Und Joaquin? Was ist mit seinem Wunsch nach Freiheit?

Da Joaquins Leben vom Diabetes bestimmt wird, erfährt der Leser auch viel darüber: Wie er nach der Diagnose zunächst alle Regeln und Grenzen außer Acht lässt und ins Koma fällt, wie er während einer Rast der Fahrt auf der Toilette heimlich misst, wie er immer mehr verzweifelt, als er einmal nicht heimlich messen und spritzen kann.

Ein Roman als Roadmovie mit Witz

Das alles ist mit großem Einfühlungsvermögen beschrieben. Dominique Paravel bleibt über den gesamten Roman, der einem Roadmovie gleicht, nah an ihren Figuren. Witzig ist das Buch außerdem (besonders die Szenen im Gemeinderat von La Virote).

Die Autorin muss sich sehr gründlich über Diabetes informiert haben. Leider hat das die Übersetzerin von „Die Schönheit des Kreisverkehrs“ nicht getan: Sie schreibt „Insulinstift“ statt Pen und „die Diabetes“, obwohl sie sonst die Stimmung des Romans überzeugend widergibt. Zudem müssen deutsche Leser mit einigen schweizerdeutschen Ausdrücken zurechtkommen.

Insgesamt: Ein unbedingt lesenswertes Buch mit Drive, aber auch einer gewissen Zartheit und ganz viel Gefühl, ohne jemals kitschig zu sein.

Erschienen ist „Die Schönheit des Kreisverkehrs“ 2017 im Verlag Nagel & Kimche, hat 173 Seiten und kostet 19 Euro.

Über die Roman-Autorin

Dominique Paravel wurde 1955 in Lyon geboren. Nach ihrem Literaturwissenschaftsstudium unterrichtete sie Französisch an der Universität in Venedig. Sie veröffentlichte Gedichte und wissenschaftliche Beiträge und arbeitete als Übersetzerin.

Seit 2009 lebt Dominique Paravel wieder in Frankreich und ist zurzeit Lehrbeauftragte am Centre International d’Etudes Françaises de Lyon II. Ihr literarisches Debüt war der Erzählband Nouvelles vénitiennes (2011), gefolgt vom Roman Uniques (2013). Giratoire (2016) ist das erste Werk der Autorin, das in deutscher Übersetzung erscheint.


von Nicole Finkenauer

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  • gingergirl postete ein Update vor 6 Tagen, 3 Stunden

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

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