- Leben mit Diabetes
Helfen neue Technologien auch Langzeit-Diabetikern?
4 Minuten
Im Herbst letzten Jahres wurde durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses die kontinuierliche Glukosemessung (rtCGM) für insulinpflichtige Diabetiker eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch übernehmen immer mehr Kassen die Kosten für ein FGM-System, so dass mehr Menschen mit Diabetes die “unblutige Zuckermessung” durchführen können. Doch profitieren von diesen neuen Technologien auch diejenigen, die seit Jahrzehnten mit ihrem Diabetes leben?
Seit 1964 die ersten Teststreifen zum Ablesen des Blutzuckergehalts zur Verfügung standen und 1969 das erste Blutzuckermessgerät auf den Markt kam, wurde die Behandlung des Diabetes revolutioniert. Die Geräte entwickelten sich im Laufe der Jahre immer weiter – sie wurden kleiner, leichter, schneller und benötigen heute deutlich weniger Blut.
Messgeräte: von 1-kg-Kaventsmännern zu 40-g-Geräten
Im Vergleich: 1977 wog ein gängiges Blutzuckermessgerät etwa 1 kg, verfügte über ein analoges Zeigerfenster, das nach einigen Minuten ein Ergebnis anzeigte, benötigte 20 µl Blut und kostete 700 DM (eine sporadische Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgte erst ab 1987). Heute wiegt ein gängiges Blutzuckermessgerät etwa 40 g, nach wenigen Sekunden und mit nur 0,3 µl Blut wird das digitale Messergebnis angezeigt, und die durchschnittlichen Kosten von 50 € werden von den Kassen übernommen.
Die Blutzuckermessung ist seit nun 40 Jahren eine vertraute und bewährte Strategie, um den Glukosegehalt zu bestimmen. Die wachsende Selbstbestimmtheit in der Behandlung des Diabetes und die eigenständige Interpretation der gemessenen Werte sind für die meisten Langzeitdiabetiker Routine im täglichen Leben.
Neu ist für viele aber noch die kontinuierliche Glukosemessung (CGM). Die auf diese Weise erfassten Werte müssen andersartig interpretiert werden, da ein CGM-System nicht unmittelbar den aktuellen Blutzuckerwert anzeigt, sondern den Glukosewert in der Gewebsflüssigkeit.
CGM – statt Blutzucker wird „Gewebezucker“ gemessen
Damit ist dieser etwa 10 – 15 min “älter” als der im Blut gemessene Zuckergehalt. Berücksichtigt man diese Verzögerung und lernt die angezeigten Trendpfeile sowie zurückliegende Glukoseverläufe für die eigene Therapieanpassung zu nutzen, kann dies die Diabeteseinstellung kurz- wie langfristig optimieren.
Bislang unsichtbare Verläufe, z. B. in der Nacht oder während körperlicher Aktivitäten, werden nun sichtbar gemacht und erlauben eine daran angepasste Reaktion.
Umfassende Einweisung – und danach macht Übung den Meister
Die verschiedenen rtCGM-Systeme (rt = real time, sprich Echtzeit) benötigen jedoch eine umfassende Einweisung in Handhabung, Bedienung und Kalibrierung. Auch das Setzen des Sensors erfordert zunächst etwas Übung. Menschen, die bereits viele Jahre Insulin spritzen, haben häufig Veränderungen am Gewebe (Lipodystrophien).
Die Sensornadel muss aber ausreichend von Gewebeflüssigkeit umspült werden, um genaue Messergebnisse liefern zu können. Befinden sich z. B. am Bauch solche Lipodystrophien, empfiehlt es sich, den Sensor an eine Stelle zu legen, die weniger häufig zur Insulininjektion oder zum Kathetersetzen genutzt wurde. Dies können der Oberarm oder auch der Bereich oberhalb des Gesäß sein.
Die rtCGM-Systeme verfügen über Alarmfunktionen bei Über- oder Unterschreiten des eingestellten Zielwertes. Patienten, die bereits langjährig Typ-1-Diabetes haben, leiden häufiger an einer Störung der Unterzuckerungswahrnehmung. Diese Geräte können daher im Alltag helfen, zu niedrige Werte frühzeitig zu bemerken und ausreichend Handlungsspielraum schaffen, um sie zu bekämpfen.
Das FGM-System hat keine Alarmfunktion. Das Setzen des Sensors ist unkompliziert und muss nicht oft geübt werden. Auch ist keine Kalibrierung wie bei den rtCGM-Systemen notwendig, was eine mögliche Fehlerquelle der Messgenauigkeit ausschließt. Im täglichen Leben kann es eine große Hilfe sein, nicht ständig eine blutige Messung durchführen zu müssen und dennoch die Werte immer im Blick zu haben.
Insulinpumpen und Smartphone-Apps
In den letzten Jahrzehnten gab es weitere technologische Entwicklungen, die das Leben mit Diabetes veränderten: Die erste Insulinpumpe kam 1976 auf den Markt und sollte all diejenigen unterstützen, die mit der intensivierten konventionellen Therapie (ICT) an ihre Grenzen stießen.
Heutzutage steht die Insulinpumpentherapie auch für eine erhöhte Flexibilität im Alltag: etwa durch verzögerte Bolusabgaben sowie der Möglichkeit, die Basalrate temporär zu verändern. In Kombination mit der kontinuierlichen Glukosemessung gibt es ein Insulinpumpensystem, das in der Lage ist, den Patienten bei nahender Unterzuckerung zu alarmieren sowie die Insulinversorgung automatisch zu unterbrechen und anschließend wieder einzuschalten (SmartGuard-Funktion).
Um diese Funktionen im Alltag sinnvoll einsetzen zu können, bedarf es zunächst einer intensiven Auseinandersetzung mit der Technologie. Dies bedeutet womöglich bestehende Ängste und Hürden im Umgang mit solchen Geräten zu überwinden und sich neuen Herausforderungen zu stellen.
In Zeiten des Smartphones nutzen zudem immer mehr Patienten verschiedene Apps, deren Angebot im Diabetesbereich weiter wächst: sei es zur Dokumentation der gemessenen Werte in Form eines elektronischen Tagebuchs, zur Berechnung der benötigten Insulinmenge als Bolusrechner, zur Erfassung weiterer relevanter Daten wie erreichte Schritte oder gemessener Blutdruckwerte.
Therapie zu kompliziert? Auch hier kann moderne Technik helfen
Im Laufe des Lebens und mit zunehmender Diabetesdauer kann es zu körperlichen Einschränkungen kommen wie bei motorischen Fähigkeiten oder auch dem Sehvermögen. Besteht eine Überforderung des Betroffenen in der Umsetzung der Therapie, ist es notwendig, gemeinsam mit dem Diabetesteam nach einer Lösung zu suchen – eventuell kann man auf eine einfachere Therapieform umstellen oder vereinfachte Insulinschematas erstellen.
Auch moderne Technik kann helfen: Neue Insulinpens können z. B. über eine Erinnerungsfunktion verfügen, die anzeigt, wie lange die letzte Injektion zurückliegt und wie hoch diese war. Für einige Fertigpens steht eine Insulinkappe zur Verfügung, die über eine solche Anzeige verfügt. Auch viele neuere Messgeräte sind auf bestimmte Bedürfnisse ausgerichtet: So gibt es Blutzuckermessgeräte auf dem Markt mit besonders großen Tasten, Displayanzeigen und Teststreifen, die die korrekte und selbstständige Handhabung auch bei nachlassenden motorischen Fähigkeiten und Einschränkungen des Sehvermögens ermöglichen.
Ihr Diabetesteam und Ihre Familienmitglieder werden Ihnen Unterstützung und Hilfestellung bieten, die für Sie passende Therapieform zu finden. Offen zu sein für Neues und neue Technologien für sich zu nutzen kann eine Chance sein. Sie können die Selbstständigkeit in der Behandlung des Diabetes erweitern und die Lebensqualität verbessern.
Schwerpunkt „Jahrzehnte mit Diabetes gut leben“
- Gute Therapie ein Leben lang!
- Erfolgsrezepte für ein gutes Leben mit Diabetes
- Helfen neue Technologien auch Langzeit-Diabetikern?
- Motivation statt Frust
von Joana Greiner
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (12) Seite 23-25
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Tagen, 9 Stunden
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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