- Leben mit Diabetes
„Ich würde es ihm so gerne abnehmen“
4 Minuten
„Die Höhen und Tiefen im Leben mit Typ-1-Diabetes – Erzähl’ deine Geschichte“: Unter diesem Motto hat Mirjam Eiswirth Gespräche zwischen 16 Typ-1-Diabetiker:innen in Schottland aufgenommen und sie gemeinsam mit einem Künstler porträtiert.
Mirjam Eiswirth hat seit ihrem 5. Lebensjahr Diabetes. Sie ist in Deutschland aufgewachsen und hat für Studium und Promotion 6 Jahre in Schottland verbracht. Heute lebt und arbeitet sie in Essen.Der Finne Alpo Honkapohja forscht und zeichnet unter dem Künstlernamen „Valkea“ aktuell in Edinburgh (mehr auf Doodle Addicts und deviantART).
Im Diabetes-Journal und auf diabetes-online.de sind weitere Beiträge zu diesem Projekt erschienen:
- Teil 1: „Ich muss nicht immer perfekt sein“, erschienen in Ausgabe 4/2021
- Teil 2: „Diabetes soll nicht mein Leben regieren!“, erschienen in Ausgabe 5/2021
- Teil 3: Wer Diabetes managen kann, kann (fast) alles!, erschienen in Ausgabe 7/2021
- Teil 4: Diabetes in der Familie …? „Jetzt schon!“, erschienen in Ausgabe 8/2021
- Teil 5: „Ich würde es ihm so gerne abnehmen“, erschienen in Ausgabe 9/2021
„Ihr könnt damit bestimmt gut umgehen“, sagten alle, als bei Angelas und Stefans Sohn Andy im Alter von zwei Jahren Diabetes diagnostiziert wurde. Angela, heute Ende 30, ist gelernte Krankenschwester und arbeitet mittlerweile in der Forschung, ihr Mann ist Arzt. Die Diagnose hat sie selbst gestellt. Angela erzählt: „Andys Windeln waren ständig nass und er war immer durstig, müde, rastlos. Als er eines Tages bei einem Geburtstag allen anderen Kindern die Becher leer getrunken hat, habe ich meinen Mann gebeten, einen Test für Zucker im Urin mitzubringen.“ Der war positiv, sie fuhren gleich ins Krankenhaus.
Keine Ahnung, was es eigentlich bedeutet, mit Diabetes zu leben
„Wir waren nur drei Tage auf der Station und haben kaum Informationen oder Hilfe bekommen. Vielleicht dachte das Team ja, wir wüssten schon alles, weil wir vom Fach sind, aber das war nicht so. Ich hatte zwar schon mal von Diabetes gehört, wusste, dass unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) zu tief ist, hatte schon mal Blutzucker gemessen und gespritzt. Aber ich hatte keine Ahnung, was das eigentlich bedeutet. Wie es sich anfühlt, unterzuckert zu sein. Was der Unterschied zwischen Typ 1 und 2 ist. Wie fordernd Diabetes sein kann. Es war schrecklich zu sehen, wie schlecht es Andy ging und wie ihm die Spritzen zu schaffen machten. Ich würde ihm das alles so gerne abnehmen.“
Die Ersteinstellung erfolgte noch auf ein fixes Spritz-Ess-Schema mit drei fest vorgeschriebenen Mahlzeiten pro Tag. Doch das war mit einem 2-Jährigen kaum umzusetzen, sagt Angela: „Andy war die ganze Zeit hungrig. Also habe ich ihm kaum Kohlenhydrate gegeben, sondern viel Gemüse, Käse, Eier, Nüsse … Trotzdem war sein Zucker ständig zu hoch, er war meist müde und lethargisch und vor allem sehr viel krank. Ziemlich bald nach der Diagnose musste er noch mal wegen einer Mandelentzündung ins Krankenhaus.“
Falsche Einstellung, hohe Werte, ein ständig krankes Kind
Sie erzählt weiter: „Einige Monate danach sind wir freitags abends zu einer Hochzeit gefahren, und auf der Anreise sind Andys Augen wegen einer Entzündung so schlimm zugeschwollen, dass wir umdrehen und ihn schon wieder ins Krankenhaus bringen mussten. Dort hat er ein Antibiotikum bekommen. Aber die Diabetologie hat das nie interessiert, die haben uns einfach irgendwie machen lassen.
Irgendwann hat uns eine der Ernährungsberaterinnen endlich in eine Spezialsprechstunde weitergeleitet, und wir haben gelernt, mit der intensivierten konventionellen Therapie zu arbeiten: also das Insulin an die Mahlzeiten und den Blutzucker anzupassen. Danach wurde alles deutlich besser.“
Diabetes ist jetzt immer da
Für das erste Jahr nach der Diagnose ließ Angela sich beurlauben, um alles über Diabetes zu lernen. Damals, so erzählt sie, sagten alle zu ihr, das Leben würde ganz schnell wieder normal werden. Aber: „Nichts ist normal, und das wird es auch nie wieder. Diabetes ist jetzt immer da, wir müssen es immer mitdenken.“
Der Austausch mit anderen Eltern von Kindern mit Diabetes war und ist für Angela in diesem Prozess sehr hilfreich, denn: „Es tut einfach gut, mit Menschen in der gleichen Lage zu sprechen, die dich verstehen. Und oft kann man von den Erfahrungen anderer viel lernen – klar muss man filtern, nicht alles passt für jeden. Aber grundsätzlich wollen wir ja alle das Beste für unsere Kinder.“
Diabetes in der Schule – nur mit viel zusätzlicher Unterstützung möglich
Mittlerweile arbeitet Angela wieder, aber in Teilzeit und im Labor statt in Vollzeit auf Station. Denn sie muss ihren Sohn zur Schule bringen und abholen und ist auch sonst stark involviert, da die Betreuung im Schulalltag in den letzten Jahren schlecht geklappt hat. Andy hat nun eine mit einem Sensor gekoppelte Insulinpumpe mit Hypoglykämie-Abschaltung. Den Alltag in der Klasse bewältigt er mit der Hilfe einer Integrationsassistentin, weil er zusätzlich zum Diabetes auch Lernschwierigkeiten hat. Doch sowohl diese Betreuung als auch die technische Versorgung mit Pumpe und Sensor musste die Familie bei Ämtern und Schule hart erkämpfen, erzählt Angela.
Besondere Sorge bereitet ihr, dass Andy in den nächsten Jahren zunehmend selbst Verantwortung für sein Diabetes-Management übernehmen muss. Angela weiß, wie belastend es sein kann, ständig so viel im Blick zu behalten, immer vorauszudenken und zu planen.
Verantwortung übertragen: wann und wie viel?
Sie sorgt sich um mögliche Folgeerkrankungen des Diabetes, aber vor allem auch darum, wie es für ihren Sohn werden wird, ein Leben lang den Alltag mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes mellitus zu meistern: „Im Moment kümmere ich mich noch um alles, und ich will ihm eigentlich nichts davon aufbürden, vor allem will ich ihn nicht überfordern. Die Pubertät und das Erwachsenwerden sind so schon schwierig genug. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das zusammen mit Diabetes sein wird.“
Einfach mal mit einem Tee auf dem Sofa einkuscheln
Eines will sie ihrem Sohn auf jeden Fall auf den Weg mitgeben: „Diabetes ist eine große Herausforderung, denn unser Körper ist sehr komplex. Wir können nur jeden Tag immer wieder unser Bestes geben. Manche Tage werden trotzdem nicht gut laufen. Dann ist es wichtig, dass wir gut zu uns sind, Pausen machen, wenn wir sie brauchen, uns einfach mal mit einem Tee unter einer dicken Decke auf dem Sofa einkuscheln, unseren Frust rauslassen, wenn wir wütend sind. Und dann wieder aufstehen, weitermachen und wieder unser Bestes geben. Mehr kann niemand verlangen, auch wir selbst nicht.“
von Mirjam Eiswirth
E-Mail: mirjam.eiswirth@gmail.com
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (9) Seite 42-43
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 3 Wochen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig