- Psyche
Das juckt mich nicht – Hauterkrankungen und Psyche bei Diabetes
4 Minuten
Die Haut als vermeintlicher Spiegel zur Seele – was ist dran an den vielen Sprichwörtern und Redewendungen wie “Das juckt mich nicht”, die den Zusammenhang zwischen Haut(bild) und seelischer Gesundheit vermitteln? Unsere Haut gibt auch ohne große Analyse Auskunft über unser Innenleben: Sie zieht sich zusammen bei Kälte, errötet bei Scham, erblasst bei Schreck.
Diabetes mellitus hängt mit verschiedenen Hauterkrankungen zusammen, die im Wesentlichen aus drei Bereichen stammen: Zum einen sind Hautreaktionen im Rahmen der Diabetes-Therapie zu nennen, die als Reaktion auf die Gabe von Insulin oder die Einnahmen von Medikamenten auftreten.
Weiterhin steigt durch Diabetes das Risiko für Hautinfektionen durch Pilze und Bakterien, was sich durch hohe Glukose-Konzentrationen in der äußersten Schicht der Haut, der Epidermis, sowie die gestörte Barriere-Funktion der Haut erklären lässt.
Zum Dritten gibt es einige Hauterkrankungen, die typischerweise bei Diabetes auftreten können. Dazu gehören z. B. trockene Haut und Juckreiz (Pruritus diabeticorum) sowie die diabetische Dermopathie, die bei 10 bis 30 Prozent der Menschen mit Diabetes anzutreffen sind.
Adipositas, Typ-2-Diabetes und Psoriasis hängen zusammen
Eine weitere Hauterkrankung, die ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes darzustellen scheint, ist die Schuppenflechte, Psoriasis genannt. Psoriasis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, die sich als gerötete, schuppige Hautflecken zeigt. In letzter Zeit wurde ein in beide Richtungen bestehender Zusammenhang von starkem Übergewicht (Adipositas) und Psoriasis beschrieben. Die Häufigkeit von Psoriasis war in Stichproben von Menschen mit höhergradiger Adipositas mit 17,4 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Menschen mit Normalgewicht.
Durch den klaren Zusammenhang von Übergewicht und Typ-2-Diabetes ist also deutlich, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes überdurchschnittlich häufig von Psoriasis betroffen sind. Zudem wurde beschrieben, dass eine bestehende Psoriasis das Diabetes-Risiko auch unabhängig vom Gewicht erhöht.
Hauterkrankungen belasten psychisch
Allen genannten Hauterkrankungen ist gemeinsam, dass sie zwei Elemente aufweisen, die zu einer psychischen Belastung führen können. Sie sind sichtbar und sie gehen häufig mit starkem Juckreiz einher. Die Sichtbarkeit einer Andersartigkeit, auch Stigma genannt, ist ein Risikofaktor für das Wohlbefinden. Umfassend in der Literatur beschrieben sind Abweichungen von subjektiven Normen, zum Beispiel aus den Bereichen Sexualität und Religion, und ebenso, dass Menschen auch aufgrund vermuteter Zugehörigkeit zu Minderheitsgruppen von der Mehrheitsgruppe ausgeschlossen werden und sich aus diesem Ausschluss Leiden für die Betroffenen ergibt.
Dies gilt auch für Abweichungen durch Erkrankungen, die bei chronischem Verlauf früher oder später sichtbar werden. Beispiele der Stigmatisierung Erkrankter sind die Infektion mit dem Human-Immunodeficiency-Virus (HIV) und sichtbarer AIDS-Erkrankung im Verlauf sowie auffälliges Verhalten durch psychische Störungen wie die Schizophrenie. Auch für Hauterkrankungen ist beschrieben, dass Stigmatisierung stattfindet. An Lepra Erkrankte wurden über Jahrhunderte ausgeschlossen und ausgegrenzt.
In früheren Zeiten Isolation als Schutz
Betrachtet man historisch die Entwicklung von Menschen, kann davon ausgegangen werden, dass ein Absondern von infizierten Personen dazu führen sollte, nicht selbst an dieser Erkrankung zu erkranken bzw. ein Vererben der Erkrankung zu verhindern. In Zeiten der Zivilisations-Erkrankungen ist dieser Mechanismus so nicht mehr gültig, kann jedoch von vielen Menschen nicht richtig eingeordnet werden.
Menschen mit chronischen sichtbaren Erkrankungen, wie Adipositas, aber auch Diabetes, vor allem Typ 2, berichten daher – oft abhängig vom Schweregrad der Erkrankung – von abwertenden Blicken oder Kommentaren (Stigmatisierung) oder systematischer Benachteiligung (Diskriminierung), die sich durch Daten aus dem Arbeitsmarkt, Erhebungen zum Einkommen und anderen Indikatoren auch objektiv messen lässt.
Kommen nun zwei Arten von Stigma zueinander, wie es beispielsweise bei Adipositas (und Diabetes) und Psoriasis der Fall ist, kann sich die Belastung durch diesen Prozess steigern. Für sichtbare Hauterkrankungen ist nunmehr gut erforscht, dass diese von Patientinnen und Patienten als stigmatisiert wahrgenommen werden und etwa ein Fünftel der Betroffenen von abwertenden Blicken u. ä. berichtet.
Stigmatisierung stresst chronisch
Während man in früheren Jahren davon ausging, dass ein sozial akzeptiertes Stigma durchaus auch motivierend für Änderungen des Verhaltens sein könnte (z. B. Umstellen des Lebensstils), sieht man heute, dass Stigmatisierung als chronischer Stress-Faktor anzusehen ist, der den Verlauf von chronischen Erkrankungen negativ beeinflussen kann.
Das ist einerseits möglich durch eine schlechtere Versorgung von Menschen, die sich stigmatisiert fühlen – weil sie beispielsweise weniger häufig und weniger schnell ärztliche und therapeutische Hilfe suchen. Ihre Sorge ist, auch dort Stigmatisierung durch Kommentare oder Diskriminierung durch fehlende angemessene medizinische Ausstattung vorzufinden.
Andererseits ist dokumentiert, dass Erfahrungen von Stigmatisierung die körperliche und seelische Gesundheit von Menschen negativ beeinflussen. Für Adipositas, die sowohl mit Typ-2-Diabetes als auch mit Psoriasis zusammenhängt, sind verschiedene Artikel erschienen, die diesen Zusammenhang dokumentieren. Negative Effekte zeigen sich im Bereich der Psyche vor allem bei Depressionen sowie Risikofaktoren wie einem verringerten Selbstwertgefühl.
Depressionen wiederum – hier als Konsequenz von Stigmatisierung – erhöhen das Risiko für Gewichtszunahme und Typ-2-Diabetes. Sie erhöhen ebenso das Risiko für schlechtere Behandlungs-Verläufe der Hauterkrankung. Keine der Erkrankungen kann daher einzeln betrachtet werden, sondern Typ-2-Diabetes (mit Adipositas), Hauterkrankung und psychische Gesundheit müssen gemeinsam erfasst und bewertet werden.
Juckreiz kann Lebensqualität reduzieren
Ein zweiter Punkt, der sowohl psychische Belastung mit sich bringt als auch Auslöser für Verschlechterung sein kann, ist das bereits erwähnte Symptom Juckreiz. Faktoren wie depressive Verstimmung erhöhen das Gefühl des Juckreizes bei Menschen mit Psoriasis, gleichzeitig ist der Juckreiz ein zentrales Symptom, das die Lebensqualität und damit auch die Stimmungslage der Patientinnen und Patienten negativ beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen Stress und Juckreiz (und Hauterkrankungen im Allgemeinen) ist komplex und nicht ausschließlich psychisch begründet.
Jedoch ist das subjektive Erleben maßgeblich für die empfundene Einschränkung durch die Erkrankung, wobei sie nicht zwingend mit ihrem objektiven Schweregrad zusammenhängt. Die Bedeutung psychologischer Therapien ist daher nicht zu unterschätzen. Für Programme zur Stressreduktion, die auf Achtsamkeit basieren, liegen erste Beweise vor, dass diese sowohl den Schweregrad der Psoriasis als auch den Juckreiz und das allgemeine Wohlbefinden verbessern können.
Einen Umgang mit Stress-Faktoren zu erlernen, erscheint daher für Menschen mit chronischen Erkrankungen, im Besonderen auch mit Hauterkrankungen, angezeigt. Krankenkassen bieten zum Beispiel entsprechende Präventions-Kurse an. Weitere, auch psychotherapeutische, Begleitung bei hohem Leidensdruck oder manifester psychischer Störung, wie Depressionen, ist unbedingt in Erwägung zu ziehen und sollte zur Therapie gehören.
Zusammenfassung
- Den Diabetes begleitende Hauterkrankungen sind häufig. Hauterkrankungen wie Psoriasis erhöhen wiederum das Risiko für Diabetes.
- Menschen mit sichtbaren Hauterkrankungen erleben Stigmatisierung durch Blicke und Vermeiden von Kontakt durch andere. Dies kann sich nachteilig auf die psychische Gesundheit auswirken.
- Bei Hauterkrankungen mit fortschreitendem oder wellenförmigem Verlauf kann Stress ein relevanter Auslöser sein, der zur Verschlimmerung führt.
- Das Erlernen von Strategien im Umgang mit Stress-Faktoren kann daher von zentraler Bedeutung bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes, aber auch bei Hauterkrankungen sein.
Schwerpunkt: „Die Haut bei Diabetes“
- Erkrankungen der Haut bei Diabetes
- Das juckt mich nicht – Hauterkrankungen und Psyche bei Diabetes
- Tätowierungen – besser zwei Mal darüber nachdenken
von Prof. Dr. Claudia Luck-Sikorski
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 73 (4) Seite 18-21
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 6 Tagen, 15 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 6 Tagen, 13 Stunden
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 5 Tagen, 19 Stunden
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 5 Tagen, 14 Stunden
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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