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„Hey.“
Wir sehen uns an. Ich reiche das Stück Kuchen rüber. „Happy Birthday.“
„Danke.“
Stille. Dann setzt er wieder an.
„Alles gut bei dir?“
Kann mir einen genervten Blick nicht verkneifen.
„Bei der Nacht? Was war da bitte los?“
Schulterzucken und ein zerknautschtes „Sorry“.
Ich seufze. Wollte ihm heute eigentlich ausnahmsweise nicht böse sein. Ist nicht immer leicht.
Ich lasse meinen Blick schweifen. Seit dem letzten Mal sieht es schon deutlich besser aus – wir haben die Wände neu gestrichen. Zweimal, um genau zu sein, weil der Diabetes erst die falsche Farbe gekauft hatte. Ich kann ihn echt keine Sekunde aus den Augen lassen.
Heute sieht er aber ganz süß aus, mit dem kleinen Geburtstagshut auf dem Kopf.
Er hat mich ganz verwundert angestarrt, als ich ihm erzähle, dass ich gerne unser Jubiläum feiern will.
„Warum?“, hat er gefragt, „warum willst du dich darüber freuen, dass es mich gibt?“
Und während wir hier sitzen, kann ich keine zufriedenstellende Antwort finden. Ist es der Stolz darauf, schon ein kleines Jahrzehnt überstanden zu haben?
Ich sehe ihn an. „So lange schon?“
„Scheint so. Kannst du dich noch an die erste Spritze erinnern?“
„Klar. Nette Krankenschwester. Hungriges, kleines Mädchen. Ein kleiner Pikser in den Oberschenkel für eine Scheibe Toast mit Käse und Butter. Erschien mir damals wie ein fairer Tausch.“
„Und seitdem sind wir immer zu zweit.“
Wir lächeln uns an.
Dann fragt er mich plötzlich: „Hast du Angst?“
„Vor dir? Nein, dich kann ich schaffen.“ Ich wähle meine Worte mit Bedacht.
Wenn andere ungläubig sagen, sie könnten sowas ja nicht, dann kann ich nur antworten: „Doch.“
Wenn man keine Wahl mehr hat, kann man plötzlich vieles.
Trotzdem bleiben sie natürlich, die kleinen Sorgen.
„Ich hab’ nur Angst, dass du eines Tages noch mehr Schaden anrichtest. Wenn ich nicht aufpasse. Verstehst du?“, fahre ich fort.
„Ich kann dir nicht das Gegenteil versprechen.“
„Ich weiß.“
Ich betrachte ihn. Er sieht bedrückt aus, als würde es ihm tatsächlich leid tun. Auch wenn es natürlich oft anstrengend ist, ist er nun mal so unberechenbar wie das Leben.
Und wenn ich hier mit ihm sitze und Geburtstag feiere, dann nicht, weil ich ihn so gerne habe.
Ich feiere, weil ich nicht mit Trauer und Melancholie an die Zeit vor ihm denke, sondern mit Erleichterung an die Zeit mit ihm.
Denn wir kennen alle die Floskeln, die man einander zuwirft, um schwierige Situationen erträglicher erscheinen zu lassen: Halt durch, du hast schon so viel geschafft, bald ist es zu Ende, es wird besser.
Doch bei chronischen Krankheiten gibt es kein Ende, dem man entgegenblicken konnte, kein Ablaufdatum.
Stattdessen gibt es einen Morgen.
Und die Krankheit reiht sich in eine Liste des Alltäglichen ein.
Irgendwann hört man unweigerlich auf, sich an „Warums?“ aufzuhängen – man hinterfragt ja auch nicht das Zähneputzen oder Wäschewaschen oder Einkaufengehen. Mal hat man mehr und mal weniger Lust darauf, aber sie sind nun mal notwendig.
Manchmal, in den kleinen Momenten, wenn ich eine Insulinpumpe oder einen Sensor in der Öffentlichkeit aufblitzen sehe und mich kurz mit der fremden Person verbunden fühle oder wenn ich trotz Einladung zum Brunch, Familienbesuch und nächtlichen Keksebackens einen perfekten Wert habe, ja, dann fühlt sich der Diabetes weniger wie eine Bürde und mehr wie ein alter Bekannter an.
Denn ich habe es geschafft und es geht noch viel weiter.
Auch wenn ich mich gerne mit dem Diabetes so lauthals streite, bis alle andern Organe besorgt zu uns rüberschauen, so ist er nun mal meine Selbstverständlichkeit.
Ich schiebe das Stück Kuchen näher an ihn ran.
„Komm, iss. Ich hab auch schon Insulin abgegeben.“
Für all die gesunden Jahre, die noch folgen.
Der Weg, sich mit seinem Diabetes anzufreunden, ist schwer und ein ewiges Auf und Ab. Katharina erzählt von den 5 Phasen der Trauer: der Weg zur Akzeptanz!
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