Ich mal mir die Welt, wie sie mir gefällt!

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Ich mal mir die Welt, wie sie mir gefällt!

Zu Beginn fühlte sich der Diabetes an wie ein grauer Umhang. Unglaublich schwer und hässlich zugleich. Es war wie eine unsichtbare Kraft, die mich ständig nach unten zog. Egal wie sonnig ein Tag war, egal wie lecker das Mittagessen schmeckte, egal wie viel Liebe mir meine Freunde und meine Familie schenkten, spürte ich meinen Umhang.

Mein Wunsch war es, den Umhang einfach abzulegen, hinauszugehen und mit den anderen Kindern Spaß zu haben, doch meine Realität war eine andere.

Kein gemeinsames Essen wegen Überzucker

Der Tisch wurde gedeckt, es roch köstlich. Beim bloßen Geruch lief mir das Wasser im Mund zusammen. Oma hatte sich wieder einmal mit ihren Kochkünsten übertroffen. Meine ganze Familie wurde zum Essen gerufen. Nach kurzer Zeit waren alle am Tisch versammelt. Mein Platz jedoch blieb leer wie so oft. Obwohl ich einen unbändigen Hunger verspürte und der Letzte gewesen wäre, der nicht zum Essen erschienen wäre, saß ich allein in meinem Zimmer. Als meine Mutter mich fragte, warum ich nicht kam, murmelte ich nur ärgerlich vor mich hin: „Hab’ Überzucker, kann noch nicht essen!“ Die Zeit verging und ich wartete sehnsüchtig darauf, dass mein Blutzucker endlich sank und ich essen konnte. Als ich dann endlich essen durfte, hatte ich bei diesem Mal Glück, dass das Essen zumindest noch lauwarm war. Besser als nichts, dachte ich mir und drehte dabei meinen Kopf langsam nach links und dann nach rechts, um festzustellen, dass ich allein war. Wer schon einmal allein gegessen hat, der weiß, dass selbst das beste Gericht plötzlich fad und langweilig schmeckt.

Nicht nur das Essen schmeckte fad und langweilig, nein, mein ganzes Leben. Es gab Tage, an denen ich von morgens bis abends in meinem Bett lag, manchmal weinte ich leise vor mich hin, aber die meiste Zeit war ich einfach still. Meine gesamte Lebensenergie war futsch.

Mein Leben vor dem Diabetes

Aber wie war das passiert? Vor meiner Krankheit war ich doch so ein aufgewecktes, neugieriges Kind. Ich war fasziniert von Lego und besonders von Pokémon-Karten. Ganze Fantasiewelten ließ ich in meinem Kopf entstehen. Wenn ich eine Ritterburg baute, stellte ich mir mich nicht nur als Ritter vor, ich war der Ritter. In meinen Träumen stolzierte ich durch die Ritterburg, hielt mit dem König ein Abendmahl und schützte die Prinzessin vor feuerspeienden Drachen. Im Schwimmbad verwandelte ich mich in ein Wasser-Pokémon, dass andere Menschen mit Wasser beschoss und sich mehr unter als über Wasser aufhielt. Mich zu erkennen, war nicht sonderlich schwierig, denn ich war das einzige Kind, bei dem andauernd nur der Po aus dem Wasser schaute.

Als ich so in Erinnerungen schwelgte, kam mir die Erleuchtung. Ich begriff, dass die Bilder in meinem Kopf meine Gefühle steuern. Früher waren meine Bilder dermaßen aufregend, dass ich gar nicht genug davon bekommen konnte, und so fühlte ich mich auch. Dazu im Vergleich: ein hässlicher Umhang…

Quelle: Ingo Eh

Was erwartete ich? Bessere Gefühle? Es war ja klar, dass ein hässlicher Umhang nur hässliche Gefühle auslösen konnte. Naja, so klar war es dann für mich doch nicht, denn die Erkenntnis ließ sehr, sehr lange auf sich warten. So lange braucht ihr nicht zu warten und darum will ich euch jetzt zeigen, wie diese Erkenntnis mein Leben für immer verändert hat.

Die Bilder in meinem Kopf sind der Spiegel zu meinen Gefühlen

Nachdem ich diese Botschaft begriffen hatte, habe ich jetzt in jedem Moment die Macht, meine Gefühle zu beeinflussen.

Schritt 1: Ich schließe meine Augen, atme ruhig durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus, dabei beobachte ich einfach die Bilder, die an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Ich akzeptiere, was ich sehe, und lasse es los, wie eine Welle, die kommt und wieder geht. Ich atme dazu kräftig durch den Mund aus.

Schritt 2: Ich male mir nun die wundervollsten, kraftvollsten Bilder aus, die ich mir vorstellen kann. Ich lege die Hände auf meinen Bauch und lasse die Bilder durch meinen ganzen Körper fließen. Ich merke, wie sich mein Körper mit der Zeit ganz warm und gesund anfühlt. Ich genieße den Moment!

Schritt 3: Ich achte wieder auf meinen Atem. Beim Ausatmen lasse ich alle alten Bilder von mir wegtreiben. Ich atme ein und lasse meinen ganzen Körper wieder mit den wundervollsten, kraftvollsten Bildern durchfluten, die ich mir vorstellen kann. (Ich mache die Übung vor dem Einschlafen, so festigen sich die Bilder unterbewusst über Nacht.)

Meine neue Beziehung zum Diabetes

Diese Übung ist für jede Zeit an jedem Ort gedacht, außer im Auto natürlich. Besonders viel Freude hatte ich damit im Unterricht. Egal wie langweilig die Stunde war, ich konnte mir selbst meine aufregende Welt erschaffen und niemand konnte mich daran hindern. Vielleicht gelingt es auch anderen, sich ihre eigene aufregende Welt zu erschaffen. Gerade wenn es einem nicht gut geht, ist das aus meiner Sicht eine Chance, augenblicklich glücklich zu sein.

Bei mir hat es auf jeden Fall geklappt. Mein Leben sowie die Beziehung zu meinem Diabetes sind heute eine ganz andere als zu Beginn meiner Krankheit. Dazu tauschte ich den grauen Umhang gegen das Gewand eines Königs. Wie das Nähen eines Umhangs Zeit braucht, so braucht sie auch eine mächtige Vorstellungskraft.

Quelle: Ingo Eh

Doch wie entsteht nun ein solcher Umhang? Die Schritte sind denkbar einfach: Maß nehmen, Stoffe zurechtschneiden und schon kann das Nähen losgehen. Vorstellungskraft entsteht meiner Meinung nach sogar noch einfacher: Man stellt sich vor, was man will, und wiederholt diesen Gedanken immer wieder, Nadelstich für Nadelstich.

Natürlich kann es passieren, dass mal eine Naht reißt. Dann bessere ich sie eben aus und weiter geht’s. Bedrückt mich also ein Gedanke, bessere ich ihn aus, indem ich die eben gelernte Übung anwende. Mit der Zeit wurde meine Vorstellungskraft immer stärker. Ich kann mir die farbigsten Bilder ausmalen, ohne jede Anstrengung. Wie eine Näherin, die scheinbar nebenbei fabelhafte Umhänge näht.

Die Frage ist nun, ob ihr anfangt, neue Kleider zu nähen, oder weiterhin euren alten hässlichen Umhang anbehaltet. Die Entscheidung liegt ganz allein bei euch.


Eine Liebeserklärung an dich, lieber Diabetes! – So hat Annika ihr Leben mit Typ-1-Diabetes angenommen!

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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