„In bedrohlichen Situationen wachsen Menschen oft über sich hinaus“

3 Minuten

„In bedrohlichen Situationen wachsen Menschen oft über sich hinaus“

In Zeiten der Corona-Pandemie verläuft das Leben anders als gewohnt. Viele Menschen sind deshalb verunsichert. Wie kommt man gut durch diesen Ausnahmezustand? Der klinische Psychologe und Angstforscher Prof. Dr. Georg W. Alpers (s. bild oben) von der Universität Mannheim beantwortet Fragen und gibt Tipps, wie man die Situation persönlich am besten bewältigen kann.

Ist es im Moment wichtig, Angst zu haben?
Prof. Dr. Georg W. Alpers:
Natürlich, Angst hat unserer Spezies geholfen, so lange zu überleben. Es kommt aber immer auf die richtige Balance an. Gefahren zu vermeiden, weil sie Angst auslösen, oder mutig voranzugehen, weil wir viele Herausforderungen meistern können – das muss im rechten Verhältnis stehen. Diese delikate Balance kann auch mal auf die eine Seite kippen oder auf die andere. Denn zu wenig Angst kann es offensichtlich auch geben: Warum sonst nehmen manche Mitbürger es offensichtlich nicht ernst, wenn vor Ansteckung bei sozialen Kontakten gewarnt wird?

Wie unterscheidet sich die derzeitige Situation aus Perspektive der Angstforschung von Ereignissen wie beispielsweise 9/11?
Prof. Dr. Georg W. Alpers:
Angst ist das Gefühl, das durch ungewisse, unbekannte Bedrohungen ausgelöst wird. Und jetzt steht unsere ganze Gesellschaft vor einer großen Unbekannten. Die Bedrohung lauert unmittelbar vor unserer Haustür – ohne, dass wir sie konkret sehen können. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu anderen Ereignissen aus der Vergangenheit.

Die Einschnitte der Regierung sind oft drastisch und kommen plötzlich: Wie kann man die Situation persönlich am besten bewältigen?
Prof. Dr. Georg W. Alpers:
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier: Plötzliche Änderungen mögen wir nicht. Lieb gewordene Routinen aufzugeben kann unser Gleichgewicht aus dem Lot bringen. Ein bekanntes Phänomen in der Psychologie ist, dass manchmal sogar positive Veränderungen, wie eine Beförderung, depressiv machen können. Das gilt natürlich umso mehr, wenn es um für uns zentrale Dinge geht – unsere Arbeit zu erledigen, Freunde zu treffen.

Es sind oft die kleinen Dinge, die wir für unser Gleichgewicht tun können: Trotz allem regelmäßig aufstehen und eine gewissen Routine im Alltag pflegen. Wir müssen aber auch neue Routinen und Rituale einführen. Mit meinem Team machen wir jetzt beispielsweise häufig Videokonferenzen. Viele Menschen telefonieren jetzt mehr mit ihren Angehörigen.

Kehrt die Krise wirklich die schlechteste Seite der Menschen hervor, wie manchmal behauptet wird?
Prof. Dr. Georg W. Alpers:
Das will ich nicht hoffen. Das wird jetzt oft behauptet, weil irgendeiner Desinfektionsmittel geklaut hat oder Menschen Dinge horten. Vielmehr beobachte ich, dass Teams bei der Arbeit ideell zusammenrücken, obwohl man sich noch nicht einmal persönlich treffen kann. Für viele Menschen gibt es jetzt nur ein gemeinsames Ziel: bestmöglich durch die Krise zu manövrieren. Man beobachtet immer wieder, dass Menschen in bedrohlichen Situationen über sich hinauswachsen.

Als Psychotherapeut weiß ich aber auch, dass manche Menschen in Krisen ganz niedergedrückt werden – die darf man jetzt nicht übersehen, nur weil sie vielleicht nicht so laut nach Hilfe rufen können. Tragisch ist, dass es jetzt mit den Kontaktverboten viel schwieriger ist, diese Menschen zu erreichen. Wir arbeiten in unserer Praxis derzeit daran, Videosprechstunden für die schwer Betroffenen einzurichten.

Einer Erkältung kann man durch das Steigern der Abwehrkräfte vorbeugen. Gibt es so etwas auch für Angst?
Prof. Dr. Georg W. Alpers:
Schon, aber niemand ist ganz gefeit vor Erkältungen, und so ist auch niemand frei von Angst. Das wäre ein viel zu hoher Anspruch – in Krisenzeiten oder überhaupt im Leben. Wir befinden uns jetzt in einer ganz außergewöhnlichen Situation, das lässt auch niemanden kalt. Aber man weiß einiges über den Umgang mit Angst: Sie lässt oft mit der Zeit nach, wir gewöhnen uns, wenn wir nicht vermeiden. Einfach nur die eigenen Sorgen auszusprechen und zu benennen, kann oft schon helfen.

Es kann auch helfen, sich zu vergegenwärtigen, wovor man genau Angst hat: Hat man Angst vor der Angst oder vor etwas Konkretem? Befürchtet man, sich anzustecken, oder befürchtet man, eine Ansteckung nicht zu überleben? Dazwischen liegt ein großer Unterschied.


Quelle: Universität Mannheim

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes und Auge: Retinopathie und Makulopathie vorbeugen

Diabetes und Auge: Retinopathie und Makulopathie vorbeugen | Foto: puhhha – stock.adobe.com

6 Minuten

Wintersport für Kinder mit Diabetes: Schnee, Sport und Insulintherapie – das geht!

Der Winter steht kurz bevor und die Vorfreude auf Aktivitäten im Schnee steigt. Wintersport bringt viel Spaß, aber auch Herausforderungen im Diabetes-Management für Kinder mit Diabetes. Bezüglich der Insulintherapie gibt ein paar Dinge zu beachten.
Wintersport für Kinder mit Diabetes: Schnee, Sport und Insulintherapie – das geht! | Foto: MP Studio – stock.adobe.com

3 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 15 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 5 Tagen, 13 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

Verbände