- Aus der Community
„Mit Diabetes lässt es sich doch heute gut leben!“ – Oder doch nicht?
3 Minuten
Ich stehe in einer langen Schlange vor dem Klo an einem Autobahnrasthof. Links mein Schlüssel, am Arm den Sensor, in der rechten Hand das Auslesegerät und die Pumpe in der Hosentasche. Vor mir ein junges Mädchen, ungefähr 1. oder 2. Klasse, an ihrem T-Shirt-Rand kann ich ein Stück durchsichtiges Pflaster sehen.

Mein von Diabetes geprägtes Gehirn regt sich: Ist das vielleicht ein FreeStyle Libre, welches Pflaster ist das, spreche ich sie an? Ich entscheide mich zum Frontalangriff. „Hast du Diabetes?“ – „Ja.“ Ich zeige ihr meinen Sensor und die nächsten Minuten unterhalte ich mich mit ihr, ihrem jüngeren Bruder und ihrer Mutter über uns und den Diabetes. Es sind schöne Minuten, durchweg positiv und ohne Verstimmung, dass es uns mit Diabetes im Kleinkindalter erwischt hat. Die drei sind an der Reihe, ich muss noch kurz warten und werde von einer Dame angesprochen. „Das klang doch eben gut. Mit Diabetes lässt es sich doch heute gut leben.“ Zuerst stimme ich ihr zu, doch später im Auto bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Lässt es sich mit Diabetes immer gut leben?
Meine Gedanken gehen einige Wochen zurück. Ich bin ein positiv gestimmter Mensch, bin nur selten sehr verärgert, dass ich mit Diabetes leben muss, blogge und spreche viel über Diabetes und nehme ihn sogar als Stärke wahr. Aber. Da ist ein Aber. Vor wenigen Wochen stand ich vor einem Rucksack und neben mir Diabetesutensilien, die ich für eine Pilgerreise packen wollte. Es waren zu viele, ich musste mir einen größeren Rucksack zulegen. Und da fängt es bereits an. Größerer Rucksack, mehr Gewicht.
Wie sehr mich mein Diabetes beeinflusst, merke ich immer mehr an Situationen wie oben. Direkt der Gedanke, es kann nicht nur ein normales Pflaster sein, es kann auch ein Diabetesequipment fixieren. Seit ich ein CGM besitze, kann ich sogar einfach so lange Auto fahren, bis ich eine Pause machen möchte, und nicht, weil ich Blutzucker messen muss.
Diabetes, überall Diabetes
Diabetes begleitet mich also jeden Tag, jede Stunde, Minute, Sekunde. Die Dame meinte das durchweg positiv, hatte in ihrem Bekanntenkreis auch Typ-1- und Typ-2-Diabetiker und war sich der Schwierigkeiten durchaus bewusst.
Mit mir selbst bin ich aber auch öfter im Zwiespalt: Ich mache alles, was ich möchte. Mitunter verzögert sich das durch den Diabetes, z.B. muss eine Sporteinheit manchmal etwas warten. Immer trage ich nerviges Mehr-Gepäck mit mir herum, sei es auf dem Rücken oder die Gedanken im Kopf. Ich möchte anderen Diabetikern Mut machen, ihre Ziele zu verwirklichen. Gerade weil ich weiß, wie viele Privilegien ich habe: Ich lebe in Deutschland mit Pumpe und CGM (trotzdem ist das Diabetesleben nicht einfach), bin sehr gut vernetzt, hervorragend geschult und habe sogar noch einige Typ F, die noch mehr wissen wollen und mehr können, als im Unterzucker nicht Insulin zu spritzen.

Mit Diabetes lässt es sich heute gut leben?!
Nach den ganzen Jahren mit Diabetes kann ich mir mittlerweile auch ehrlich eingestehen, dass es eine Doppelbelastung ist. Das habe ich früher anders wahrgenommen. Manchmal bin ich sehr genervt und auch beeinträchtigt und nein, dann möchte ich nicht hören, dass jeder mal einen schlechten Tag hat. Das hat damit überhaupt nichts zu tun, vielen Dank.
Mein Zeitmanagement, das Wahrnehmen der gesundheitlichen Veränderungen bei anderen sowie von deren Bedürfnissen und auch mein Bewusstsein für Ernährung hat der Diabetes positiv mit beeinflusst. Auch das Kopfrechnen, die Kreativität oder auch problemlösendes Denken werden immer wieder gefordert und gefördert.

Eine andere Wahl, als mit Diabetes gut zu leben, habe ich schließlich sowieso nicht. Schlecht mit Diabetes zu leben, heißt, schlecht zu leben. Auch wenn ich mir das in extrem nervigen Zeiten oder bei der Anpassung der Therapie immer wieder sagen muss.
Ich lebe gut mit Diabetes. Das Mädchen und ihre Familie auch.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 1 Tag
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike