- Diabetes-Grundwissen
Einstellungssache: Diabetes und Bewusstsein
4 Minuten
Henry Ford sagte einmal: „Ob Du denkst, Du kannst es oder Du kannst es nicht – Du wirst auf jeden Fall recht behalten.“ Dieser kleine Spruch begleitet mich schon seit Jahrzehnten im Berufsleben. Und inzwischen hilft er mir auch dabei, mit dem Diabetes umzugehen. Das wurde mir gerade kürzlich wieder bewusst, als ich nach längerer Zeit mal wieder einen Menschen besuchte, der seit 40 Jahren mit Diabetes lebt, keinerlei Folgeschäden aufzuweisen hat und bis heute mit 78 Jahren bewundernswert gesund und lebensfroh ist. Die Gespräche mit diesem Menschen brachten mich mal wieder zum Nachdenken darüber, inwiefern man sich Dinge noch schlechter reden oder denken kann, als sie ohnehin sind.
Ich habe großen Respekt vor Menschen mit Diabetes, die permanent auf ihren Körper achten müssen, die sich täglich mehrfach piksen müssen, die darauf achten müssen, was sie essen und die vor jeder größeren körperlichen Aktivität bewundernswerte Planungsarbeiten leisten müssen. Noch viel mehr Respekt habe ich jedoch vor den Diabetikern, die dem Thema gar nicht so eine große Bedeutung zumessen, ohne es jedoch zu vernachlässigen. Denn diese Menschen schaffen es, zu leben und die Krankheit dabei zu integrieren, ohne sich von ihr bestimmen zu lassen. Und wenn man sie fragt, wie sie das machen, dann sind sie erstaunt und erzählen, dass ihnen das recht mühelos gelingt. Eben automatisch.
Diabetes ist eben doch Einstellungssache
Zurück zu Henry Fords Zitat. Der Mann lebte von 1863 bis 1947 und doch wusste schon er das, womit sich später Heerscharen von Psychologen und Mentaltrainern eine goldene Nase verdienen sollten: Die Einstellung macht’s. Und das gilt tatsächlich für alle Lebensbereiche. Wenn ich mir permanent etwas einrede, dann wird es irgendwann wahr. Und wenn in meinem Kopf alles schlecht und ungerecht ist, dann dauert es nicht lange, bis mein Umfeld genau das widerspiegelt.
Nach der Diabetes-Diagnose hört man von allen Seiten ganz schreckliche Dinge – von „Darfst Du das essen?“ über „Davon wird man doch blind, oder?“ bis zu „Die Depressionsrate ist bei Diabetikern sehr hoch.“. Und natürlich gibt es all diese Risiken unbestreitbar. Aber wie viel Risikopotential ist hausgemacht, also im eigenen Kopf?
Wie oft meint man, etwas nicht tun zu können, weil der Diabetes einen daran hindern könnte? Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie oft ist Dir das bereits passiert? Wenn Du jetzt zu den glücklichen Menschen gehörst, die mit „Noch nie!“ antworten, dann herzlichen Glückwunsch. Ich wusste, dass es Euch gibt!
Gerade wenn die Diagnose noch frisch ist, sind große Zweifel ganz natürlich und normal. Aber auch langjährige Diabetiker kommen ins Grübeln, wenn es um „große Aufgaben“ geht: ein neuer Job, ein Kind, eine sportliche Herausforderung, aber auch ganz alltägliche Dinge können einen zur Verzweiflung bringen oder gar scheitern lassen.
Das Unterbewusstsein kann uns auf die falsche Fährte führen
Was können wir aber tun, wenn uns Dinge schwerfallen und Entscheidungen, ob wir etwas tun oder lassen, ewig dauern? Die Neurowissenschaft hat nachgewiesen, dass wir mit bewussten und unbewussten Entscheidungen unseren Alltag bestreiten, wobei die bewussten Entscheidungen nur einen ganz kleinen Teil ausmachen. Unser Gehirn arbeitet also sehr selbständig und autark, nämlich unterbewusst. Das ist auch gut so, denn wenn wir jedes Mal bewusst nachdenken müssten, wenn wir eine Gabel zum Mund führen oder ein Wort sprechen wollten, dann hätten wir viel zu tun und würden unheimlich viel Energie verbrauchen.
Der Nachteil ist allerdings, dass das Unterbewusstsein Entscheidungen hauptsächlich „aus dem Bauch heraus“, also basierend auf unseren Erfahrungen und Glaubenssätzen trifft. Rationale Überlegungen werden hier komplett ausgeblendet und finden somit keinen Eingang in den Entscheidungsfindungsprozess. Genau die sind aber so wichtig, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren.
Der 28-jährige Patrick hatte bislang wenig Kontakt mit Diabetikern, weiß jedoch, dass viele Diabetiker Probleme mit den Füßen haben. Ein entfernter Verwandter von ihm hat ganz schlimmen Diabetes und vor kurzem einen Fuß verloren. (Fachlich richtig müsste es heißen: Der Verwandte hat seit Jahren Diabetes Typ 2 und sich nicht darum gekümmert.) Nun hat Patrick selber die Diagnose Diabetes Typ 1 bekommen und macht sich furchtbare Gedanken um seine Zukunft. Denn nach allem, was er gehört hat, ist er unmittelbar gefährdet, selber massive Probleme mit den Füßen zu bekommen. Dies wurde ihm auch von anderen Diabetikern bestätigt. Seither unterlässt Patrick jegliche sportlichen Aktivitäten und kann nicht mehr gut schlafen.
Das ist nicht erfunden, Patrick ist ein tatsächlich existierender Mensch (der natürlich in Wirklichkeit anders heißt). Er bekommt seine Informationen zumeist aus dem Internet und nur ganz selten von einem guten Diabetologen, denn er wohnt auf dem Land und nach der Diagnose wird er hauptsächlich von seinem Hausarzt betreut. Abgesehen von vielen anderen Problemen, die hier keine Rolle spielen, schleppt er tatsächlich die fest verankerte Meinung mit sich herum, dass Diabetiker höchst gefährdet für alle möglichen Dinge sind. Und im Internet liest man ja zumeist auch nur die schlechten Dinge, gute Erfahrungen oder positive Beispiele werden selten zur Schlagzeile oder in Berichten thematisiert.
Es ist wichtig, das Bewusstsein zu schulen
Ein drastisches Beispiel, aber eines aus dem richtigen Leben. Und wie oft hört man Diabetes-Berater/innen schimpfen, dass sie einfach nicht an ihre Patienten herankommen und erzählen können, was sie wollen – umgesetzt wird es dann doch nicht?
Der Schlüssel liegt hier im Erreichen des Bewusstseins der Betroffenen. Es geht darum, falsche Meinungen bewusst neu zu bewerten und Dinge auszuprobieren, die man bislang für unmöglich hielt. Das ist in Fällen wie Patricks nicht einfach und mitunter eine langwierige Angelegenheit (wobei der echte Patrick heute wieder mit Begeisterung Sport treibt, weil er sich der Problematik gestellt hat). Aber auch im kleineren Maßstab spielt das Unterbewusstsein ab und zu Bremsklotz. Ich selber war nach der Diagnose recht schnell aufgeklärt und gut informiert, habe aber bis heute hin und wieder regelrechte Hemmungen, neue Dinge auszuprobieren, und schiebe das gerne auf den Diabetes.
Dann hilft es, bewusst und rational an die Sache heranzugehen. Das betrifft natürlich nicht nur den Diabetes, sondern eigentlich alle Entscheidungen, die schwerfallen. Es lohnt sich, diese mit einer gewissen Rationalität anzugehen und einfach mal sachlich zu bewerten. Was spricht dafür, was dagegen und was sind die Risiken? Ganz oft wird man vom Ergebnis dieser rationalen Überlegungen mehr als überrascht. Probiert es einfach mal aus. Und werdet Euch bewusst darüber, wer im Vordergrund steht: Ihr oder „Euer“ Diabetes.
Hier kommt ihr zum nächsten Teil von Christians „Motivation monatlich“: Der piepsende Pod – ein Weihnachtswunder?
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 1 Tag
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 2 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike