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Ruhig geworden ist es um die „Smart Lens“ von Google, die im vergangenen Jahr für Furore und jede Menge Gerüchte sorgte. Ebenfalls wenig getan hat sich (zumindest in der öffentlichen Berichterstattung) auf dem Gebiet des „Closed Loop“, ebenfalls eines der Hip-Themen in der Diabetes-Berichterstattung. Das fortschrittliche Langzeitinsulin Tresiba ist vom deutschen Markt verschwunden, weil der GKV-Spitzenverband sich einer Übernahme der Kosten verweigert, obwohl Tresiba nachweislich vielen Diabetikern deutliche Verbesserungen beschert hat. Und das FreeStyle Libre? Wird nach wie vor nur vereinzelt von den Kassen bezuschusst, obwohl hier inzwischen wahrlich Erfahrungswerte vorliegen, die über alle Zweifel erhaben sind. Sollte man meinen.
War 2015 also ein schlechtes Jahr für die Diabetiker? Müssen wir uns um unsere Zukunft sorgen, weil die Krankenkassen sich noch immer sträuben, die Kosten für CGM-Systeme zu übernehmen, die uns zu einem besseren und vor allem längeren Leben verhelfen?
Nicht unbedingt, denn schaut man einmal hinter die Kulissen, dann tut sich doch einiges. Neue Behandlungswege klingen mehr als vielversprechend, darunter zum Beispiel die Möglichkeit, T-Regs künstlich anzureichern und dem Patienten wieder zu injizieren. Das klingt ganz einfach und ist es offenbar auch – erste Versuche waren äußerst erfolgreich, die Patienten produzierten bis zu einem Jahr lang ganz normal Insulin. Oder die „Schweinezellen“, die per Mikrokapsel geschluckt werden können und das Immunsystem so austricksen, dass keine zusätzlichen Immunsuppressiva nötig sind.
Geforscht wird also viel, und Ideen gibt es mehr als genug. Aber wann können wir endlich die lästigen Diabetesbegleiter in die Tonne werfen? Wann können wir auf das Spritzen verzichten, wann wird die kontinuierliche Messung endlich zum Standard und wie lange dauert es noch, bis entgleisende Blutzuckerwerte der Vergangenheit angehören, weil sie durch selbstregulierende Systeme frühzeitig verhindert werden können?
Die Hoffnung auf eine zeitnahe Heilung verdränge ich vorerst, seit ich verstanden habe, dass es Interessengruppen gibt, die gut von uns Diabetikern und unserer Gier nach Insulin leben. Die werden sicherlich nicht an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen, solange sie es nicht müssen. Anders ist es auch nicht zu erklären, warum Krankenkassen nach wie vor bereitwillig Teststreifen für museumsreife Messgeräte finanzieren, sich aber bei allen moderneren Methoden taub und blind stellen, obwohl deren positiver Effekt auf die Blutzuckereinstellung auf der Hand liegt. Sorry, aber die Zeiten der punktuellen Blutzuckerbestimmung mit anschließendem Raten der dazwischenliegenden Werte ist in Zeiten von Sensoren und moderner Datenübertragung nun wirklich total Neunziger.
Dennoch bin ich überzeugt davon, dass Abbott mit dem FreeStyle Libre nur den Anfang gemacht hat, wenn es um bezahlbare neue Methoden geht. Wenn hier nicht bald die Zulassung als Hilfsmittel erfolgt, dann verliere ich mein Vertrauen in den gesunden Menschenverstand. Lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich mal spekuliere, wie lange es dann wohl noch dauert, bis Googles „Smart Lens“ von den Krankenkassen übernommen wird?
Wie lange muss es also noch klassische Blutzuckermessgeräte geben, die die Fingerkuppen malträtieren und nach teuren Teststreifen verlangen? Wie lange müssen wir uns noch mit umständlichen Blutzucker-Tagebuch-Apps (und für manche Krankenkassen sogar handgeschriebenen Tagebüchern) herumschlagen, wenn sämtliche Daten doch automatisiert aus den Pumpen und CGM-Systemen herausfallen, wenn man ihnen nur mitteilt, wie viele BE man zu sich nimmt? Wie lange gibt es noch einen Markt für Spritzen und Pens, die wir uns selber in den Bauch rammen müssen?
Natürlich ist klar, dass neue Entwicklungen Zeit brauchen, vor allem wenn sie den Menschen betreffen. Zum Glück ist die Zulassung medizinischer Hilfsmittel keine einfache Sache, sondern unterliegt strengen Regeln und Kriterien. Wirtschaftliche Gesichtspunkte dürfen dabei jedoch keine Rolle spielen. Neue Entwicklungen auf dem Gesundheitssektor gehören unter staatliche Kontrolle, damit die bestmögliche Versorgung keine Frage von Profit und Wachstum ist. Schließlich geht es hier in erster Linie um Menschenwohl und erst danach eventuell um die Brieftaschen der Investoren und Aktionäre.
In diesem Zusammenhang kommt mir auch ein ganz anderes Thema in den Sinn. Einerseits wünsche ich mir für die nahe Zukunft natürlich auch eine Entlastung meiner Hosen- und Jackentaschen, indem PDM und Libre-Scanner einfach wegfallen und ins Smartphone integriert werden. Andererseits melden sich an dieser Stelle zu Recht die Datenschützer, die davor warnen, dass dann eine Menge höchst privater Daten quer um den Globus geschickt wird und mutmaßlich auch bei Google oder Apple landet. Aber schon heute sammeln diese Unternehmen über Apps wie „Apple Health“ bereits fleißig Daten – und nicht wenige von uns tippen sogar freiwillig die täglich gelaufenen Schritte und ähnliche Informationen in Runtastic ein und übertreffen damit sogar die kühnsten und schwärzesten Zukunftsaussichten der Warner vor dem gläsernen Menschen. Ich für meinen Teil kann sagen: Wenn es einem besseren Leben und der perfekten Diabetes-Therapie dient, dann ist es mir egal, wo meine Daten umherschwirren. Solange es Menschen gibt, die ihr Essen fotografieren und ihre Kinder online zur Schau stellen, halte ich das sogar noch für harmlos, weil sinnvoll.
Tja, wann kommt der Durchbruch und was ist überhaupt der Durchbruch? Sprechen wir vom endgültigen Abschied von Kanülen und Stechhilfen? Wünschen wir uns eine dauerhafte Überwachung des Blutzuckerspiegels für alle mit selbstregulierenden Gegenmaßnahmen bei Abweichungen nach oben oder unten? Oder ist der Durchbruch erst die Heilung von Diabetes durch die komplikationslose Implantierung von Inselzellen und damit der Rückkehr zu einem völlig „normalen“ Leben?
Wir wissen es nicht und vielleicht ist das auch ganz gut so. Die Hoffnung stirbt jedenfalls zuletzt und außerdem ist es doch extrem spannend, die Entwicklung zu verfolgen und sich bei allem Frust und Ärger auch über kleine Fortschritte zu freuen.
In diesem Sinne wünsche ich der gesamten Blood Sugar Lounge Community ein wunderbares Weihnachtsfest und einen tollen Übergang ins neue Jahr. Und wenn dann auch nur ein kleiner Teil unserer Träume wahr wird, dann ist schon allen Diabetikern ein wenig geholfen.
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