Wie Sie motiviert bleiben können in Sachen Diabetes

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Wie Sie motiviert bleiben können in Sachen Diabetes

Kette von Entscheidungen, Versuchungen und Widrigkeiten

Das Leben mit Diabetes ist eine scheinbar endlose Kette von Entscheidungen, Versuchungen und Widrigkeiten. Der einzige Weg, "nein" zum dritten Stück Stollen zu sagen, "ja" zur Blutzuckerkontrolle und zu einer Bewegungseinheit auf dem Heimtrainer, ist es, sich immer wieder neu zur Diabetesbehandlung zu motivieren.

Nach den Befunden amerikanischer Diabetesforscher ist ein Großteil von akuten Stoffwechselentgleisungen nicht auf mangelndes Behandlungswissen zurückzuführen: Vielmehr führen Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit, Gleichgültigkeit oder gar Ärger auf den Diabetes häufig zu einer Vernachlässigung der Therapie und damit zu einer Verschlechterung der Blutzuckerwerte.

Was treibt Sie an?

Ein Patient mit Diabetes berichtete mir vor kurzem von seinen Bemühungen, seiner Familie einen schönen Urlaub zur ermöglichen. Es kostete ihn Mühe, den passen-den Ferienort zu finden, die Interessen der ganzen Familie unter einen Hut zu bekommen, Geld für die Urlaubskasse zu sparen und berufliche Aufgaben rechtzeitig abzuschließen. Er fühlte sich hoch motiviert und strengte sich an. Der Erfolg gab ihm recht – der Urlaub sei traumhaft gewesen.

Kann man sich in ähnlicher Weise auch für die

Ein Patentrezept gibt es nicht

Sie ahnen schon, dass es kein Patentrezept für eine dauerhaft motivierte Diabetesselbstbehandlung gibt. Was den einen Menschen antreibt, sich für die Behandlung anzustrengen, ist für andere Betroffene bedeutungslos, nicht ansprechend oder wenig praktikabel.

Während es sich bei der Urlaubsplanung um eine kurzfristige Episode handelt, begleitet Sie der Diabetes lebenslang. Menschen, die lange Zeit gut mit dem Diabetes zurechtgekommen sind, räumen rückblickend vielfach ein, dass vorübergehende

Mir passiert schon nichts…

Die menschliche Psyche versteht es meisterhaft, den Ereignissen des Alltags alle Aufmerksamkeit zuzuwenden, dagegen langfristige Risiken auszublenden und zu unterschätzen; Folgeerkrankungen scheinen in weiter Ferne. Motivationsforscher weisen daher darauf hin, dass mögliche Folgeerkrankungen eher als ein abstraktes Risiko wahrgenommen werden.

Bei den meisten Menschen mit Diabetes hat dieses Wissen wenig Einfluss darauf, wie sie am heutigen Tag mit ihrer Gesundheit umgehen. Und wenn Sie im Leben schon oft Glück gehabt haben, liegt der Gedanke "…es wird schon irgendwie gutgehen" recht nahe.

Das eine Stückchen Kuchen

Würden Sie einen Bausparvertrag unterschreiben, wenn ungewiss ist, wie viel Sie am Ende der Laufzeit zurückerhalten? So schilderte mir ein Bankangestellter mit Diabetes sein Motivationsproblem. In der Tat ist es schwer, sich jeden Tag aufs Neue um die Diabetesbehandlung zu bemühen, ohne zu wissen, ob sich die Anstrengungen langfristig lohnen.

Dagegen sind Menschen eher motiviert, sich anzustrengen, wenn ein attraktiver Gewinn in greifbarer Nähe erscheint. Vielleicht ist es deshalb so schwer, zum lockenden Stück Kuchen "nein" zu sagen, weil eine unmittelbare Belohnung für dieses Verhalten ausbleibt und der langfristige Gewinn ungewiss ist.

"So vieles auf einmal"

Viele Menschen erleben die Therapieanforderungen als eine permanente Überforderung. Warum soll man sich anstrengen, wenn das Ganze ohnehin nicht zu schaffen ist? Der Gedanke wirkt demotivierend. Das Gefühl der Überforderung mit der Diabetesbehandlung kann das Wohlbefinden beeinträchtigen.

Diabetesforscher haben herausgefunden, dass ein fehlender Antrieb für die Selbstbehandlung Ausdruck einer Depression sein kann. Gleichzeitig erleben viele Betroffene auch bei erhöhten Blutzuckerwerten das Gefühl der Antriebslosigkeit, welche eine depressive Grundstimmung zusätzlich verstärken kann.


Zuviel Ehrgeiz?

Ehrgeiz in der Diabetestherapie ist eigentlich ein nützlicher Wesenszug. In übersteigerter Form kann er jedoch dazu führen, dass Sie sich Ihre Ziele immer wieder zu hoch stecken. Die Folge: Trotz besserer Blutzuckerwerte bleiben Sie mit den Ergebnissen unzufrieden. Sie nehmen diese dann als Misserfolge wahr, weil Sie sich insgeheim bessere Resultate erhofft hatten. Das kann sich auf die Dauer ungünstig auf Ihre Behandlungsmotivation auswirken.

"Ich lebe doch gesund"

Haben Sie schon einmal für mehrere Tage Ihr Ess- und Bewegungsverhalten beobachtet? Viele Menschen bemerken bei der Auswertung ihres Essprotokolls, dass sie mehr Kalorien als vermutet zu sich genommen haben. Ebenso sind Menschen, die vermeintlich "den ganzen Tag auf den Beinen sind", beim Tragen eines Schrittzählers erstaunt, wie wenig sie sich tatsächlich bewegen.

Psychologen nehmen an, dass eine verzerrte Überzeugung, gesund zu leben, erklärt, warum viele Menschen mit Diabetes unmotiviert sind, sich gut zu ernähren und viel zu bewegen.

Dafür ist der Arzt zuständig

Viele Menschen mit Diabetes neigen dazu, die Verantwortung für die Erkrankung dem Arzt zu überlassen. Diese

Strategien, die helfen

Wie kann man den eigenen Antrieb für eine sorgfältige Diabetesbehandlung immer wieder finden? Befragt man Menschen, die eine hohe Behandlungsmotivation beschreiben und erfolgreich ihre Erkrankung bewältigen, lassen sich einige Gemeinsamkeiten finden.

Persönliche Ziele und eine Marschroute festlegen

"Wenn man nicht genau weiß, wohin man will, landet man leicht da, wo man gar nicht hinwollte." Dieses Zitat des Pädagogen und Autors Robert F. Mager gilt sicherlich auch für die Behandlung des Diabetes. Motivierte Menschen mit Diabetes zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie sich fortwährend persönliche Ziele stecken, wie sie die Behandlung ihres Diabetes im Alltag gestalten und wo sie ihre Prioritäten setzen.

Entscheidend ist dabei, dass dieses Ziel für Sie attraktiv ist und Sie es sich zutrauen, dieses Ziel auch zu erreichen. Eine israelische Studie konnte nachweisen, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes, die selbst persönliche Ziele und Pläne für ihre Behandlung entwickelten, im Vergleich zu Patienten mit einer Standardbehandlung nach 8 Jahren weniger Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenerkrankungen erlitten – selbst wenn sie mit denselben Medikamenten therapiert wurden.

Seine Stärken und Möglichkeiten des Alltags nutzen

Sicherlich haben Sie eine Art

Haben Sie ein Hobby oder eine besondere Fertigkeit, die Sie mit der Behandlung des Diabetes verbinden können? Wenn Sie etwa Spaß am Umgang mit Computern haben, könnten Sie beispielsweise Ihre Behandlungsergebnisse elektronisch dokumentieren oder in einem sozialen Netzwerk Kontakte mit Gleichgesinnten pflegen.

Wenn Ihre Partnerin bemängelt, dass Sie zu wenig für den Haushalt tun, würde es sich anbieten, dass Sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Einkäufe erledigen. Das hätte zwei Vorteile: Sie wären körperlich aktiver und Ihre Partnerin würde Ihnen bald anerkennende Blicke zuwerfen.

Die eigenen Ansprüche an das Machbare anpassen

Gerade in Zeiten, in denen andere Sorgen Sie belasten (zum Beispiel Probleme am Arbeitsplatz), leidet häufig die Motivation, sich auch noch um den Diabetes zu kümmern. Aus eigener Erfahrung wissen Sie, dass Sie sich bei Stress anders ernähren und bewegen. Weiterhin sorgen Stresshormone für einen zusätzlichen Anstieg der Blutzuckerwerte.

Gerade in Zeiten knapper zeitlicher und nervlicher Reserven ist es günstig, ihre Ansprüche an Ihre Behandlungsziele an das anzupassen, was im Alltag dann tatsächlich machbar ist. So ersparen Sie sich unnötige Frustrationen. Vielleicht können Sie es ja auch als Erfolg verbuchen, wenn sich Ihre Blutzuckerwerte in einer belasteten Lebensphase nicht verschlechtert haben?


Gut mit der eigenen Energie haushalten

Von Winston Churchill stammt der Satz: "Man muss seinem Leib Gutes tun, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen." Vielleicht haben Sie auch schon die Beobachtung gemacht, dass die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren, auch von der körperlichen und psychischen Verfassung abhängt. Motivierte Menschen mit Diabetes gehen insgesamt achtsamer mit ihrer Gesundheit um. Dazu zählt etwa das Bemühen, sich beim Essen Zeit zu nehmen, sich selbst ausreichend Schlaf oder sich kleinere Erholungspausen im Alltag zu gönnen.

Überlegen Sie, was Ihnen guttut. Wie und wo können Sie immer wieder Kraft für Ihre Diabetesbehandlung schöpfen? Welche Aufgaben kosten Sie unnötig Energie, die Ihnen für die Diabetesbehandlung fehlt? Wie viel Zeit, die Sie unnötig vor dem Fernseher oder Computer verbringen, könnten Sie nutzen, um sich selbst etwas Gutes zu tun?

Suchen Sie Unterstützung!

Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass motivierte Menschen eher zu wissen scheinen, welche Hilfe sie wann benötigen, und welche Personen sie dazu am besten ansprechen. Wenn sich ein Motivationstief abzeichnet, kann es sinnvoll sein, sich rechtzeitig um Unterstützung zu bemühen und es nicht auf einen

Gerade in Krisensituationen kann der Erfahrungsaustausch neue Anstöße geben. Gleichgesinnte Menschen können sich hervorragend gegenseitig motivieren. Weiterhin schaffen Sie es gemeinsam leichter, Ihre Ziele, z. B. körperlich aktiver zu werden, zu erreichen und am Ball zu bleiben.

Sich belohnen

"Wer wird schon ohne Aussicht auf Gewinn früh aufstehen wollen?" fragt ein chinesisches Sprichwort. Für den eingangs beschriebenen Patienten war die Aussicht auf einen gelingenden Urlaub der Antrieb, viel Energie für die Planung und Vorbereitung zu investieren. Worin besteht Ihre Belohnung, wenn Sie sich sorgfältig um Ihre Diabetesbehandlung kümmern? Was ist Ihr Motiv, wofür es sich für Sie lohnt, sich immer wieder aufs Neue anzustrengen?

Wenn Sie eine klare Vorstellung von ihrem persönlichen Gewinn haben und Ihnen dieser Gewinn attraktiv erscheint, werden Sie sich langfristig motivierter um Ihre Behandlung kümmern.

So tun, als ob Sie motiviert wären

Wenn Sie lustlos eine Aufgabe vor sich herschieben, ziehen Sie die Mundwinkel nach oben und tun Sie so, als ob Sie motiviert wären. Ihre Stimmung wird sich aufheitern und es wird Ihnen leichter fallen, den ersten Schritt zu tun. Aller Anfang ist schwer – wenn Sie begonnen haben, an einer Aufgabe zu arbeiten, fühlen Sie sich vielleicht tatsächlich motiviert, nicht aufzuhören, sondern die Bearbeitung der Aufgabe fortzusetzen und diese hinter sich zu bringen.

Für Ihre Diabetesbehandlung wünsche ich Ihnen Kraft, aber auch etwas, was Sie antreibt und Sie für Ihre Mühen reichlich belohnt!


Dipl.-Psych. Berthold Maier

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  • Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 1 Woche

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

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