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Trotz steigenden Bedarfs aufgrund stetig anwachsender Erkrankungszahlen und trotz Fortschritten in der Diabetesforschung verschlechtert sich hierzulande die stationäre Versorgung von Diabetespatienten. Auf diesen Missstand sollte gerade im Diabetes-Aufklärungsmonat November mit aller Vehemenz hingewisen werden, findet Diabetes-Journal-Chefredakteur Günter Nuber.
Der Diabetes-Monat November heißt so, weil der Insulin-Entdecker F. G. Banting (1891 – 1941) am 14. November Geburtstag hatte. 1991 wurde der Tag von der Internationalen Diabetes-Föderation und der Weltgesundheitsorganisation eingeführt als weltweiter Aktionstag. Seit 2007 ist der 14. November als Weltdiabetestag ein offizieller Tag der Vereinten Nationen (UN).
In Deutschland erscheint seit 2002 jeweils zum Gedenktag Bantings der „Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes“. Denn der Gedenktag oder -monat ist wie kein anderer dazu geeignet, über Diabetes mellitus aufzuklären, auf Missstände hinzuweisen, Vorurteile abzubauen. In der druckfrischen 2020er-Ausgabe (Herausgeber: Deutsche Diabetes Gesellschaft/DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe) steht Folgendes:
Nackte Zahlen: In Deutschland haben mindestens 6,9 Mio. Menschen einen dokumentierten Typ-2-Diabetes. 32 000 Kinder und Jugendliche sowie 340.000 Erwachsene haben Typ-1-Diabetes; im Alter von 0 bis 17 Jahren ist jährlich von 3.100 Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes auszugehen. Das mittlere Alter bei Typ-2-Diabetes-Diagnose liegt für Männer bei 61 und für Frauen bei 63 Jahren. Nach Schätzungen dürften ca. 100.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes in stationärer Pflege sein.
Laut Deutschem Gesundheitsbericht Diabetes 2020 muss davon ausgegangen werden, dass die Diagnose „Herzinsuffizienz“, sprich Herzschwäche, bei Diabetikern viel zu selten gestellt wird (betroffen sind Menschen mit Typ-1- dreimal häufiger als mit Typ-2-Diabetes). Drastisch: Die effektivste Form der Schlaganfallvorsorge (Antikoagulation) wird bei Typ-2-Diabetikern mit hohem Risiko oft nicht eingesetzt!
Und: „Leider ist es in Deutschland immer noch ökonomisch attraktiver, eine Amputation durchzuführen, als Zeit und Ressourcen in den Erhalt der Extremität zu investieren.“ Weiter: Bei bis zu 40 Prozent der Typ-2-Diabetiker werden die Augen nicht leitliniengerecht untersucht. Und behandelnde Ärzte waren nur bei einem bis zwei Drittel der Patienten in der Lage, die häufigste Form der diabetischen Nervenerkrankung korrekt zu diagnostizieren.
Dem entgegengesetzt und aus meinem Blickwinkel unfassbar: Wenn Menschen mit Diabetes ins Krankenhaus müssen, dann oft (siehe oben) wegen Begleit- und Folgeerkrankungen, die interdisziplinär behandelt werden müssen. Aber: Viele Abteilungen mit diabetologischer Expertise sind durch lukrativere Fachabteilungen (mit besseren Abrechnungsmöglichkeiten) ersetzt worden! An den 34 deutschen Universitätskliniken gibt es nur noch 8 bettenführende klinische Lehrstühle für Diabetologie – mit wenigen Betten.
„Die Notwendigkeit und Bedeutung der klinischen Diabetologie wird von Klinikträgern und Gesundheitspolitik unterschätzt und falsch bewertet“, so DDG-Präsidentin Prof. Monika Kellerer. Es kommt zu der paradoxen Situation, dass sich trotz steigenden Bedarfs und Fortschritten der Diabetesforschung die stationäre Versorgung der Diabeteserkrankten verschlechtert.
Wo immer weniger Lehrstühle sind, kommen Studierende immer weniger in Berührung mit der Diabetologie. Es wird mehr und mehr an qualifiziertem diabetologischen Nachwuchs mangeln – bei drastisch steigenden Patientenzahlen. Das hätte gravierende Folgen für Menschen, die Diabetes haben, und für deren Familien. Es gibt viel zu tun – auch dieses Jahr im Diabetesmonat November.
von Günter Nuber
Chefredakteur Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag,
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 14, 55130 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (11) Seite 50
5 Minuten
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