- Soziales und Recht
CGM: überraschend positive Entscheidung
4 Minuten
Die Nachricht sorgt für Furore – und stellt für Experten eine überraschend positive Entscheidung dar: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. Juni entschieden, dass Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) in vielen Fällen künftig von der Krankenkasse übernommen werden dürfen.
Blutzuckermessgeräte sowie die benötigten Teststreifen sind bei insulinpflichtigen Patienten in medizinisch notwendigem Umfang und ohne Mengenobergrenze zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig. Bei “CGM-Systemen”, also bei Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung, war es bislang aber schwieriger: Denn sie unterscheiden sich “im Hinblick auf die diagnostische Wirkungsweise sowie mögliche Risiken und Aspekte der Wirtschaftlichkeit erheblich von der herkömmlichen Blutzuckermessung” und stellten daher “eine ‚neue‘, bisher nicht anerkannte Untersuchungsmethode” dar.
Vorraussetzungen für eine Kassenleistung
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§ 135 SGB V) dürfen solche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUBs) nur dann als Kassenleistung übernommen werden, wenn der diagnostische und therapeutische Nutzen anerkannt ist, eine medizinische Notwendigkeit hierfür besteht und auch die Kriterien der Wirtschaftlichkeit erfüllt sind.
Solange der Gemeinsame Bundesausschuss hierzu keine positive Empfehlung abgegeben hatte, bestand daher “kein Anspruch auf Versorgung mit den Hilfsmitteln, die für die kontinuierliche Glukosewertbestimmung erforderlich sind” (Bundessozialgericht, AZ: B 3 KR 5/14 R, Urteil vom 8.7.2015).
Überraschend positive Entscheidung
Am 16. Juni 2016 war es nun endlich so weit: Mit seiner überraschend positiven Entscheidung hat der G-BA bestätigt, dass mit Hilfe von rtCGM-Systemen die Blutglukoseselbstmessungen verringert werden können und die Stoffwechsellage langfristig verbessert werden kann – ohne dass dabei das Risiko schwerer Unterzuckerungen in Kauf genommen werden muss (“rt” steht für “real time”, also für den in Echtzeit gemessenen Glukosewert).
Dies gelte insbesondere dann, wenn die festgelegten individuellen Therapieziele zur Stoffwechseleinstellung ohne die Nutzung der rtCGM nicht erreicht werden können. Solche Systeme dürfen daher künftig von den Krankenkassen übernommen werden.
Achtung: rtCGM ist nicht gleich CGM!
Die Empfehlung des G-BA gilt allerdings nicht für alle kontinuierlichen Glukosemesssysteme, denn der medizinische Nutzen wurde nur für solche Systeme anerkannt, die den gemessenen Glukosewert in Echtzeit dann auch automatisch an ein Empfangsgerät senden bzw. eine Alarmierung ermöglichen.
Bekommt nun jeder Patient ein CGM?
Auch wenn der Weg nun grundsätzlich frei ist: CGM-Systeme wird es auch künftig nicht immer auf Kassenrezept geben! Ein Anspruch auf Versorgung mit einem CGM-System besteht nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, d. h. eine Indikation für den Einsatz eines CGM besteht und auch ärztlicherseits eine fachkompetente Betreuung sichergestellt ist.
Im Ergebnis werden also vor allem solche Patienten ein rtCGM-System bekommen können, bei denen die Therapieziele nicht mit herkömmlichen Möglichkeiten erreicht werden können und/oder die Unterzuckerungen nicht (mehr) rechtzeitig wahrnehmen. Auch muss der Patient gut geschult sein und mit dem CGM sicher umgehen können. Der Komfortgewinn allein bzw. die Vermeidung des Piksens reichen daher nicht aus, um die Notwendigkeit für ein CGM zu begründen. Nicht in Frage kommen wird ein CGM auch für Patienten, die kein Insulin spritzen.
Welche CGM-Systeme sind vom Beschluss nicht umfasst?
Für Fans des FreeStyle Libre dürfte der Beschluss des G-BA daher leider wenig bringen, denn die Empfehlung ist ausdrücklich auf Real-Time-Glukosemessung beschränkt. Ein medizinischer Nutzen wurde nämlich nur für solche Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung nachgewiesen, welche vor Unterzuckerungen bzw. zu hohen Werten alarmieren.
Das FreeStyle Libre misst zwar kontinuierlich den Glukosegehalt, bietet aber keine solche Alarmierung. Auch sendet es die Werte nicht automatisch und in Echtzeit zu einem Empfangsgerät, sondern der Patient muss den Messwert selbst abrufen (“scannen”). Solange der Patient das nicht macht (oder nicht machen kann, beispielsweise im Schlaf), dann wird ihm der gemessene Wert nicht bekannt und er kann auch nicht reagieren.
“Ohne Zugriff Dritter”: nur dann …
Auch Systeme, bei denen ein Zugriff auf die gespeicherten Werte nur über eine Cloud bzw. über einen Online-Dienst möglich ist, dürften grundsätzlich von der Versorgung ausgeschlossen sein. Denn eine Nutzung muss “ohne Zugriff Dritter” möglich sein. Der Hersteller muss dem Arzt und Patienten also zwingend eine Möglichkeit bieten, auf die Daten zuzugreifen, ohne dass dabei einem Dritten ein Zugriff auf die Daten gewährt werden muss.
- intensivierte Insulintherapie (ICT, FIT) oder Insulinpumpentherapie (CSII)
- die zwischen Arzt und Patient festgelegten individuellen Therapieziele zur Stoffwechseleinstellung können auch bei Beachtung der jeweiligen Lebenssituation des Patienten nicht erreicht werden
- Verordnung/Durchführung darf nur durch Fachärzte mit diabetologischer Qualifikation erfolgen (z. B. Facharzt für Innere Medizin mit Anerkennung Diabetologe DDG)
- umfassende Dokumentation des bisherigen Behandlungsverlaufs
- Patient muss umfassend geschult sein, sowohl hinsichtlich der Insulintherapie als auch für das CGM
- System muss als Real-Time-CGM zugelassen sein
- anhand einer Alarmfunktion mit individuell einstellbaren Grenzwerten muss das Gerät vor dem Erreichen zu hoher oder zu niedriger Glukosewerte warnen können
- soweit der Einsatz des Gerätes eine Verwendung, Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten vorsieht, muss sichergestellt sein, dass diese allein zum Zweck der Behandlung des Patienten erfolgen und eine Nutzung ohne Zugriff Dritter, insbesondere der Hersteller, möglich ist
Wenn das höchste Sozialgericht vorschreibt, dass CGM-Systeme nur im Rahmen der Vorgaben des G-BA erstattet werden dürfen, dann können sich Krankenkassen hierüber nicht einfach hinwegsetzen. Sie dürfen daher nur solche Systeme erstatten, welche die Voraussetzungen des G-BA erfüllen. Auch eine “freiwillige Leistung” dürfte nach meiner Auffassung unzulässig sein.
Wie geht es weiter?
Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Entsprechende Anträge können allerdings schon jetzt bei den Krankenkassen gestellt werden.
Anträge ab jetzt
Man sollte jedoch in eigenem Interesse darauf achten, dass die obigen Voraussetzungen auch wirklich erfüllt sind. Insbesondere sollte auch eine plausible und möglichst umfassende Dokumentation vorgelegt werden. Der Arzt sollte die Notwendigkeit des Systems ausreichend begründen (nicht nur in wenigen Sätzen) und auch darlegen, dass bzw. warum die Therapieziele nicht mit herkömmlichen Methoden erreicht werden (konnten).
Ich empfehle, dass man sich bis auf Weiteres an dem standardisierten Antrag der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie (AGDT) orientiert. Diesen Antrag finden Sie hier: www.diabetes-technologie.de/images/pdfs/glukosemonitoring-downloads/cgm-antrag-ddg.pdf
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte,
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart,
E-Mail: sekretariat@rek.de
Website: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (8) Seite 44-45
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 21 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 19 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 18 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike