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Die seit Monaten anhaltenden Lieferengpässe bei Medikamenten haben auch für Menschen mit Diabetes Folgen. Es kommt mitunter vor, dass Insuline, andere Diabetes-Medikamente oder auch Hilfsmittel wie Teststreifen und Sensoren kurzfristig nicht erhältlich sind. Meistens handelt es sich nur um einen regionalen oder wenige Tage andauernden Engpass. Insuline mit dem Namen Insuman werden voraussichtlich aber sogar noch mehrere Wochen oder gar Monate Mangelware sein, wie der Hersteller Sanofi mitteilt.
Seit Schmerzmittel und Antibiotika für Kinder knapp wurden, wird in Deutschland verstärkt über Lieferengpässe bei Arzneimitteln diskutiert. Das Bundesgesundheitsministerium unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) hat inzwischen angekündigt, die Situation mit einem neuen Gesetz verbessern zu wollen. Dabei geht es aber in erster Linie um patentfreie Medikamente, deren Produktion aus Kostengründen nach China und Indien verlagert wurde. Dort kam es zu Produktions-Verzögerungen und -Ausfällen durch Lieferengpässe von Rohstoffen im Zuge weltweiter Krisen wie des Russland-Ukraine-Kriegs und der Corona-Pandemie.
Die Politik will die Versorgungssituation in Zukunft verbessern, indem ein Teil der Produktion nach Europa zurückgeholt wird. Zudem soll es für Ärzte und Apotheker nach Möglichkeit einfacher werden, Patienten bei einer Mangellage ein wirkungsgleiches Präparat eines anderen Herstellers zu verschreiben und auszuhändigen. Bislang scheitert dies häufig an Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Herstellern, an die Ärzte und Apotheker gebunden sind, wenn die Kostenerstattung durch die Krankenkasse nicht gefährdet werden soll. Wird trotz Rabattvertrags ein Medikament eines anderen Herstellers ausgehändigt, muss der Patient gegebenenfalls eine Zuzahlung leisten, deren Höhe vom Preis des Arzneimittels abhängig ist. Diese Kosten entstehen den Betroffenen zusätzlich zur Rezeptgebühr.
Bei Insulinen und anderen Diabetes-Medikamenten (Antidiabetika) sowie den Hilfsmitteln für die Diabetes-Behandlung ist die Situation aber ohnehin eine andere, erläutert der langjährige Apotheker Manfred Krüger aus Krefeld, der unter anderem für die Kommission Apotheker in der Diabetologie der Bundesapothekerkammer und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) tätig ist. Zum einen werden Medikamente, die gekühlt gelagert werden müssen, in der Regel sowieso in Europa oder den USA produziert. Zum anderen gibt es im Bereich Diabetologie nur eine geringe Anzahl an patentfreien Medikamenten. Ein Beispiel hierfür ist Metformin, das häufig bei Typ-2-Diabetes zum Einsatz kommt.
Die Ursachen für Lieferengpässe bei Insulinen und Antidiabetika sind laut Krüger vielfältig. Zwar komme es auch bei diesen Medikamenten vor, dass die Produktion durch das Fehlen eines Rohstoffs ins Stocken gerät. Manchmal fehlt lediglich ein Verpackungsteil, das sich auf die Schnelle nicht ersetzen lässt. Besonders häufig kommt es allerdings zu kurzfristigen regionalen Lieferengpässen, die meistens durch eine unerwartet hohe Nachfrage verursacht werden. Die Hersteller neigten in Deutschland dazu, nicht viele Medikamente auf Vorrat zu produzieren, um ein Überschreiten des Haltbarkeitsdatums zu verhindern, erläutert Krüger – denn dann müsste ein bereits produziertes Arzneimittel vernichtet werden, was für den Hersteller Kosten verursacht.
Über langfristige Lieferengpässe informiert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Internet Dort können Patienten, Ärzte und Apotheker nachlesen, wie lange der Mangel voraussichtlich andauern und ob eine Umstellung auf ein anderes Präparat empfohlen wird. Kurzfristige und regionale Lieferengpässe seien dort jedoch nicht aufgelistet, da sie in der Regel nicht vorhersehbar sind, erläutert Krüger. In solchen Fällen sei es auch für Ärzte und Apotheker sehr schwierig, an genauere Informationen zu kommen.
Mitunter komme es vor, dass nur bestimmte Packungsgrößen vorübergehend nicht lieferbar sind. In solchen Fällen kann der Apotheker prüfen, ob es möglich ist, eine andere Packungsgröße nach Rücksprache mit dem Arzt abzugeben. Sofern ein Insulin oder ein Antidiabetikum nur regional knapp ist, weil der örtlich zuständige Großhändler nichts mehr auf Lager hat, lässt sich das Medikament meistens noch woanders besorgen. Wichtig ist in diesen Fällen jedoch, dass der Apotheker ein paar Tage Zeit für die Recherche und das Bestellen hat, so der Experte.
Die Öffentlichkeit über einen Lieferengpass zu informieren, birgt indes ein weiteres Risiko: In solchen Fällen neigen Patienten und Kliniken dazu, größere Mengen eines Medikaments zu lagern, als sie tatsächlich benötigen, was die Mangelsituation weiter verschärft. Dieser Effekt ließ sich auch bei anderen Waren zu Beginn der Corona-Pandemie in den Supermärkten beobachten.
Der Apotheker hält es für eher unwahrscheinlich, dass sich an der Versorgungslage mit Arzneimitteln kurzfristig etwas ändern wird. Der wichtigste Rat an Patienten lautet deshalb, sich immer frühzeitig um Nachschub zu kümmern, damit bei einem Lieferengpass noch ausreichend Zeit zum Bestellen des Medikaments oder zum Besprechen einer Alternative besteht. Da sich beim Wechsel zu einem anderen Insulin oftmals die Dosis und die Wirkkurve beim Patienten ändern, muss eine Umstellung unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Eine intensivierte Blutzuckerselbstkontrolle gibt dann die notwendige Sicherheit.
Trotzdem sollte man nicht mehr Medikamente zu Hause lagern, als man tatsächlich braucht, um die Situation nicht unnötig weiter zu verschärfen. “Patienten in Deutschland müssen keine Angst haben, dass sie am Ende womöglich gar kein Insulin erhalten”, beruhigt Manfred Krüger. Es gebe hierzulande derart viele Alternativen, dass letztlich immer eine individuelle Lösung gefunden werde.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (4) Seite 42-43
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