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Regelmäßige Untersuchungen beim Augenarzt sind für Menschen mit Diabetes empfehlenswert. Aber Untersuchungen, die zusätzlich als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten werden, sind meist nicht erforderlich.
Regelmäßige Untersuchungen durch einen Augenarzt sind für Menschen mit Diabetes unbedingt empfehlenswert, denn so können früh Veränderungen an der Netzhaut gut behandelt und ein Fortschreiten kann verhindert werden. Allerdings berichten Patienten immer öfter, dass man in der Praxis des Augenarztes schon bei der Anmeldung aufgefordert wird, Untersuchungen wahrzunehmen, die selbst bezahlt werden müssen – mitunter zu Kosten von weit über 100 Euro. Nicht selten fühlen sich Patienten unter Druck gesetzt, solche zusätzlichen Untersuchungen zu bezahlen. Patienten wissen aber in der Regel nicht, ob diese teuren Untersuchungen für sie sinnvoll sind oder wirklich nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Sollen sie also vertrauen? Ärzte bzw. Inhaber von Praxen haben hier ein finanzielles Interesse und die Patienten können sich nicht immer darauf verlassen, dass das Patientenwohl an erster Stelle steht. Wird den Patienten nicht klar und deutlich gesagt, dass diese Leistungen völlig freiwillig sind, kann das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört werden. Wer sich gegen die Angebote nicht wehren kann, fühlt sich genötigt und “abgezockt”. Als Konsequenz vermeiden manche die Arztbesuche und die notwendigen Untersuchungen. Finanzielle Interessen, die Patienten unter Druck setzen, können so zu gesundheitlichen Risiken und medizinischen Problemen werden. Hier erfahren Sie deshalb, was Menschen mit Diabetes dazu wissen sollten.
Die augenärztliche Untersuchung auf eine diabetische Retinopathie (krankhafte Veränderungen der Netzhaut) und/oder Makulopathie (krankhafte Veränderungen an der Stelle des schärfsten Sehens) umfasst immer
Diese Untersuchungen zahlt jede Krankenkasse. Wenn alles in Ordnung ist, sind keine weiteren Untersuchungen nötig. Sieht der Arzt etwas, das weitere Untersuchungen nötig macht, zahlen die Krankenkassen ebenfalls.
Ob mit oder ohne Diabetes – viele Vorsorge-Untersuchungen sind Leistung der Krankenkassen (z. B. auf Hautkrebs oder Brustkrebs bei Frauen). Die Krankenkassen übernehmen dabei grundsätzlich die notwendigen Maßnahmen; man hat nur keinen Anspruch auf den Einsatz neuester Technologien oder maximalen Komfort.
In diese Lücke stoßen individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). IGeL werden nicht von den Krankenkassen übernommen, da der Nutzen dieser Leistungen nicht bewiesen ist. Sie sind möglicherweise für einzelne Menschen hilfreich, meist sind sie überflüssig, in keinem Fall medizinisch notwendig. Sie sind immer freiwillig und nie dringend.
In Augenarzt-Praxen wird Patienten oft eine allgemeine Früherkennung auf ein Glaukom (grüner Star) als IGeL angeboten, zum Preis von 20 bis 50 Euro. Es handelt sich also um eine freiwillige Leistung, die niemand annehmen muss. Dennoch glauben viele Patienten, dass diese Untersuchung unbedingt notwendig sei, und bezahlen notgedrungen. Fakt ist: Besteht ein Verdacht oder ein Risiko, ist es eine notwendige Untersuchung und dann zahlen die Krankenkassen. Patienten fürchten auch, dass Ärzte die von den Krankenkassen bezahlten Untersuchungen nur dann gründlich machen, wenn man diese IGeL bezahlt. In manchen Praxen wird von den Patienten verlangt, bei Ablehnung der IGeL eine Verzichtserklärung zu unterschreiben. Fakt ist: Patienten müssen nichts unterschreiben, da die IGeL sowieso freiwillig ist. Das Vorgehen hat natürlich den Sinn, die “unwilligen” Patienten stärker unter Druck zu setzen. Dass die Verzichtserklärung Unsinn ist, weiß der Inhaber der Praxis genau.
Die Glaukom-Früherkennung besteht aus der Untersuchung des Auges mit dem Spaltlampen-Mikroskop, der Untersuchung des Sehnervs sowie der Messung des Augeninnendrucks. Allerdings ist der medizinische Nutzen einer Untersuchung ohne Anlass, wenn also kein medizinischer Grund vorliegt, wissenschaftlich nicht belegt. Dies gilt auch für das alleinige Messen des Augeninnendrucks zum frühen Erkennen des Glaukoms. Hat ein Arzt bei einem Patienten den Verdacht auf ein Glaukom oder liegen Risiken vor, dann ist die Untersuchung eine Leistung der Krankenkassen und ist auch sinnvoll – beispielsweise bei einer längeren Behandlung mit Kortison oder bei bestehender Retinopathie.
Bei Menschen mit Diabetes dürfte die Glaukom-Früherkennung als IGeL ohnehin überflüssig sein, denn wenn sich bei den vorgeschriebenen Untersuchungen auf diabetische Retinopathie der Verdacht auf ein Glaukom ergibt, ist die Untersuchung natürlich Leistung der Krankenkassen.
Die optische Kohärenz-Tomographie (OCT), bis vor Kurzem nur IGeL, wird inzwischen zur Differenzialdiagnose einer diabetischen Makulopathie von den Krankenkassen bezahlt, auch die Behandlungs-Kontrolle mit OCT wird übernommen. Bei dieser Untersuchung werden mit einem schwachen Laserlicht mehrere Schnittbilder des Augenhintergrunds in hoher Auflösung erzeugt. Ärzte bekommen mit dieser schmerzfreien Untersuchung einen genauen Einblick in die feinsten Strukturen und Veränderungen der Schichten der Netzhaut.
Bei einer fortgeschrittenen diabetischen Retinopathie wird die Messung des Augeninnendrucks und – besonders vor einer Laserbehandlung – auch die Fluoreszenz-Angiographie von den Krankenkassen bezahlt: Bei dieser Untersuchung wird ein gelber Farbstoff (Fluoreszein) in eine Armvene injiziert und anschließend wird mit einer speziellen Kamera untersucht, wie sich der Farbstoff im Auge verteilt.
Allgemeine Vorsorge-Untersuchungen wie ein “Netzhaut-Check” oder ein “Augen-TÜV” werden angeboten, sind besonders für Menschen mit Diabetes aber nicht notwendig. Auch die Fundus-Fotografie – also die fotografische Dokumentation des Augenhintergrunds mit Hilfe einer speziellen Kamera – ist ohne konkreten medizinischen Grund keine Leistung der Krankenkassen. Hier wünschen sich allerdings die Augenärzte aus gutem Grund die Bezahlung durch die Krankenkassen. Anhand der Bild-Dokumentation sehen die Patienten ihr überaus feines und verletzliches Gefäßgeflecht – sie sehen den Befund, ob er gut ist oder nicht. Für Betroffene, die sich manchmal seit Jahrzehnten große Mühe mit ihrer Diabetestherapie geben, ist dies eine zusätzliche Bestätigung, gut auf die eigenen Augen aufzupassen.
Bei der Anmeldung in der Praxis sollte grundsätzlich nicht über zusätzliche Untersuchungen diskutiert werden. Ein klares “Nein, danke” reicht manchmal schon. Viele Patienten brauchen für diese Situation ein paar Sätze, die sie sich vorher zurechtgelegt haben.
Man nimmt z. B. das Angebot zur Kenntnis und sagt: “Muss ich überlegen, erstmal zum Arzt” oder “Das möchte ich mit dem Arzt besprechen und nicht mit Ihnen”. Oder etwas bestimmter: “Danke, ich bin heute für die Diabetes-Untersuchung da.” Im Wartezimmer kann man sich die Sätze für den Arzt zurechtlegen: “Diese Untersuchungen sind ja nicht eilig, oder etwa doch?” Wenn sie es doch sind, wären sie keine IGel mehr. Wenn versucht wird, die Krankenkassen schlechtzumachen und man anfängt, sich zu ärgern, hilft vielleicht: “Meine Krankenkasse zahlt genau das, was ich heute brauche, da bin ich aber ganz sicher!” Schulungskräfte können hier den Patienten sehr effektiv den Rücken stärken.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (2) Seite 46-48
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