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Der Artikel „Selbstgebasteltes Closed-Loop: die rechtlichen Aspekte“ (Heft 4/2019) sorgte für viele Diskussionen. Autor Oliver Ebert ging es vor allem darum, mögliche juristische Konsequenzen darzustellen. Einige „Looper“ störten sich an „einseitiger Berichterstattung“, an den „fiktiven Fällen“ etc. Hier exemplarisch ein Leserbrief.
Looper und ihre „selbstgebastelten Systeme“ sind zur Zeit in aller Munde, keine Tagung, kein Kongress, wo nicht darüber gesprochen wird. Teils euphorisch, von Anwendern, hierunter auch Ärzte und DB, Firmenmitarbeiter, aber auch Begleiter der Menschen mit Diabetes (hierzu zähle ich Ärzte, DB, Angehörige etc.), teils aber auch in Sorge oder mit Angst vor rechtlichen Konsequenzen.
Was darf ich sagen? Was darf ich wissen? Die Rechtslage ist sicher nicht ganz klar. Es gibt Stellungnahmen, die mich etwas ruhiger werden lassen, und es gibt Andere wie den o.g. Artikel von Oliver Ebert, der mich unruhig werden lässt. Er nennt es „Bedenkenträger“, und genau so ist der Artikel auch geschrieben. (…)
Ich habe mir in den letzten Monaten viele Gedanken darüber gemacht, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Mir sind mehrere geschichtliche Ereignisse eingefallen:
All diese Dinge sind wichtig für unseren Alltag geworden, aber dabei geht es im Wesentlichen „nur“ um unsere Lebensqualität. Eine gute und stabile Glukoseeinstellung zu bekommen, hat mehr mit wirklich LEBEN zu tun.
Der Diabetologe Prof. Michael Berger setzte sich für mehr Autonomie der Patienten, Integration, patienteninformierte Entscheidungsprozesse und ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Patienten und Therapeuten ein. Dies ist auch eine Vision meines Beraterlebens. Ich will begleiten, helfen und unterstützen. Pro und Contra mit dem Patienten diskutieren, meine Meinung sagen, aber auch die Meinungen und Entscheidungen meines Gegenübers empathisch respektieren.
Die „Looper“, die ich bisher kennenlernen durfte, sind sehr gewissenhafte, intelligente Menschen, die sich die Entscheidung, sich selbst was zu „basteln“ nicht leicht gemacht haben. Sie haben sich informiert und viele Hürden genommen. Ich denke, dass man diese Entscheidung nicht leichtfertig trifft, nur weil man es gerade im Internet gefunden hat. Die meisten Anwender sind sich der „Gefahren“, auch der Rechtlichen, durchaus bewusst.
Wenn Herr Ebert seinen Diabetes „nicht hinderlich, sondern eher im Gegenteil“ findet, freut mich das sehr, er braucht dann solche „Systeme“ nicht. Und es gibt viele Diabetiker, die sich nicht für das Loopen entscheiden, weil sie es sich nicht zutrauen, Ängste haben oder auch überfordert damit wären – das ist auch völlig in Ordnung, denn wir befinden uns alle wirklich in einer rechtlich schwierigen Situation, da gebe ich den Bedenkenträgern völlig recht.
Hier muss man an die Firmen, Fachgesellschaften und auch an die Politik appellieren: Sprecht miteinander, Fortschritt muss möglich sein! Dass hier noch viel Verbesserungspotential liegt sieht man z. B. daran, dass die Insulinpumpe Medtronic Minimed 670G auf dem deutschen Markt noch immer nicht zu erhalten ist, während unsere Nachbarländer nach und nach damit versorgt werden. Aber man sieht auch, dass viele Menschen mit Diabetes mit den Füßen abstimmen.
Das Abbott Freestyle Libre-System wird von den meisten Krankenkassen als Satzungsleistung bezahlt, aber ist immer noch nicht in der Regelversorgung. CGM-Systeme werden von den Kassen inzwischen relativ großzügig bezahlt, allerdings oft erst nach Prüfung. (…) Die loopenden Ärzte, Diabetesfachkräfte und Anwender versuchen zu informieren und kommunizieren ruhig und sachlich. Dr. med. Katharina Braune aus der Berliner Charité ist eine der Ärztinnen, die mit viel Ruhe die Systeme erklärt, pro und contra aufzeigt, die Selbstverantwortung verdeutlicht und, was noch viel wichtiger ist, jetzt die Ergebnisse einer Studie eingereicht hat, die uns mehr Einblick in die Motivationen und Ergebnisse der Looper geben sollen.
Eine letzte, persönliche Frage habe ich mir auch gestellt: „Würde ich, wenn ich Diabetes hätte, loopen?“ Meine Antwort: „Ja, das würde ich tun, mit viel Respekt vor der Technik und mit Augenmaß. Aber zuerst würde ich intensiv mit den wichtigsten Menschen in meinem Leben sprechen.“ Die meisten mir bekannten Looper sind genauso vorgegangen.
Ich danke Herrn Ebert für seinen Artikel aus der Perspektive eines Rechtsanwaltes, der einige Wahrheiten benennt und sicher Viele zum Nachdenken bringt. Aber „Leben“ heißt rückwärts buchstabiert „Nebel“, und um da durch zu kommen benötigen wir auch Menschen, die mutiger sind als andere.
Leserin C. Sahm hat in vielen Punkten sicher recht. Allerdings finden wir es nicht angemessen, dass Redaktionsmitglied Oliver Ebert, der sich seit vielen Jahren sehr erfolgreich für Patienten einsetzt, in die Nähe von fortschrittsfeindlichen Bedenkenträgern gerückt wird. Seine Vita und sein Engagement sprechen eine andere Sprache.
Es geht in seinem Beitrag nicht um Pro und Contra „Do it yourself/DIY“. Thema des Artikels sind die nicht unerheblichen juristischen Risiken nicht zugelassener DIY-Systeme, die vielen Betroffenen nicht bewusst sind. Es ist Aufgabe des Diabetes-Journals und im Interesse unserer Leserschaft, die Risiken zu benennen. Wie dann letztlich Entscheidungen getroffen werden, hat jeder selbst zu verantworten (s. dazu auch die aktuelle Blickwinkel-Kolumne).
Leserbrief von Claudia Sahm
Diabetesberaterin DDG
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (5) Seite 14-15
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