- Soziales und Recht
E-Evidence-Verordnung auch für Diabetes-Patienten problematisch
4 Minuten
Mit der „Verordnung (…) über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen“ sollen Ermittlungsbehörden künftig unkomplizierten Zugriff auf Cloud-Daten erhalten. Nach derzeitigem Stand sind für Gesundheitsdaten keine Ausnahmen vorgesehen – was auch und gerade für Diabetiker erhebliche Probleme bringen kann.
Die geplante Verordnung sieht vor, dass Cloud-Anbieter in der Europäischen Union (EU) relativ einfach dazu verpflichtet werden können, die bei ihnen gespeicherten Cloud-Inhalte an Strafverfolgungsbehörden, wie Staatsanwaltschaften, Antikorruptionsbehörden und Steuerfahndung, herauszugeben. Voraussetzung hierfür ist eine Herausgabeanordnung (EPO, European Production Order), mit welcher die Behörden unter anderem vollständige Auskunft über Transaktions- oder Inhaltsdaten eines Cloud-Kontos verlangen könnten.
Herausgabeanordnung: Über deutsches Recht hinaus
Eine solche EPO kann bei Ermittlungen zu Straftaten erlassen werden, die im Staat der Anordnung mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren geahndet werden kann. Dies ist jedoch keine nennenswerte Hürde – nach deutschem Strafrecht wäre diese Voraussetzung schon beim Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) erfüllt.
Zwar ist dann erforderlich, dass die EPO von einem Richter des betreffenden Lands erlassen oder zumindest überprüft wurde. Allerdings gilt dabei nicht das deutsche Strafrecht, sondern es gelten die Gesetze des Anordnungsstaats. Auch Rechtsmittel vor einem deutschen Gericht sind nicht vorgesehen. Ein deutscher Cloud-Provider müsste beispielsweise einer Anordnung aus Polen oder Griechenland nachkommen, ohne dass man sich hiergegen direkt vor einem deutschen Gericht wehren bzw. dies dort selbst überprüfen lassen könnte. Mit der EPO können grundsätzlich auch Daten verlangt werden, die nach deutschem Recht der beruflichen Schweigepflicht unterliegen – beispielsweise elektronische Patientenakten, die ein Arzt in einer Gesundheits-Cloud speichert.
Der Cloud-Anbieter – nicht der Betroffene – kann zwar Rechtsbehelf gegen eine EPO einlegen. Hierzu müsste der Cloudbetreiber der ausländischen Behörde einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden, „begründeten Einwand“ übermitteln. Die Vorgehensweise ist aber relativ aufwendig. Der Cloud-Anbieter hätte einen hohen administrativen Aufwand und würde erhebliche Sanktionen riskieren, wenn seine Entscheidung, der Anordnung nicht nachzukommen, sich letztlich als fehlerhaft bzw. rechtsirrtümlich erweist.
Beispiel: Schwangerschaftsabbruch
Besonders deutlich zeigen sich die möglichen Konsequenzen am Beispiel eines Schwangerschaftsabbruchs, der nicht in allen EU-Ländern straffrei möglich ist. Eine in Deutschland lebende Patientin, welche die polnische Staatsbürgerschaft hat bzw. von einem polnischen Staatsbürger schwanger ist und hier legal einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lässt, hat auch jetzt schon das Risiko, dass polnische Strafbehörden gegen sie bzw. den Vater ermitteln, beispielsweise aufgrund einer Strafanzeige oder anonymer Hinweise.
Da alle Informationen zum Eingriff aber der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen und nicht an die Ermittlungsbehörden herausgegeben werden müssen, bestand bislang keine große Gefahr einer solchen Strafverfolgung. Mit der EPO könnten die polnischen Behörden nun aber den Cloud-Provider des Arztes verpflichten, die Patientendaten herauszugeben, in denen sich die Dokumentation des Eingriffs befindet. Das Risiko einer Strafverfolgung und Verurteilung wird daher deutlich größer.
Problem auch für Menschen mit Diabetes
Auch im Zusammenhang mit Diabetes ist das problematisch: Kommt es im Straßenverkehr zu einem Unfall mit Personenschaden und besteht die Möglichkeit, dass dabei der Diabetes eine Rolle gespielt haben könnte, ist größte Vorsicht geboten. Man kann dann relativ schnell im Gefängnis landen bzw. mit hohen Strafen und existenzbedrohenden Kosten belastet werden. Die beim Arzt befindlichen Behandlungsdaten unterliegen allerdings der ärztlichen Schweigepflicht; dazu zählen auch die Sensor- oder Insulinpumpendaten, die in der Praxis gespeichert sind.
Viele Diabetes-Patienten speichern ihre Werte jedoch auch selbst in Diabetes-Clouds, die beispielsweise von CGM-System- oder Insulinpumpenanbietern angeboten werden und die in EU-Nachbarländern (z. B. Irland, Schweden) betrieben werden. Auch manche Ärzte nutzen solche Clouds zum Diabetes-Datenmanagement und überlassen dabei die Daten ihrer Patienten den jeweiligen CGM-System- bzw. Insulinpumpenanbietern zur kommerziellen Nutzung.
Online-Petition
Der Entwurf der Verordnung wird gegenwärtig im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament beraten. Dieses Vorhaben stößt aber zwischenzeitlich auf erhebliche Bedenken. Mehrere ärztliche Organisationen – beispielsweise die Freie Ärzteschaft – oder der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) fordern, dass Gesundheitsdaten, insbesondere die zukünftigen Cloud-gespeicherten ePA-Daten gesetzlich Versicherter besonders geschützt und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt werden müssen.
Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) und das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk (DPNW) haben sogar eine Online-Petition eingereicht und rufen alle Bürger EU-weit auf, diese Petition zu unterstützen. Bislang haben schon einige Tausend Personen unterzeichnet – wer mitmachen will, kann dies tun unter www.change.org.
Im Rahmen von Ermittlungen zu einem Verkehrsunfall könnten Polizei bzw. Staatsanwaltschaft mit einer EPO diese gespeicherten Glukosewerte bzw. Pumpendaten vom Cloud-Betreiber verlangen. Dies kann zu einem erheblichen Problem werden, denn je mehr Daten vorliegen, desto mehr Anknüpfungspunkte können sich hieraus für den Vorwurf eines (fahrlässigen) Fehlverhaltens ergeben. So könnte ein Gutachter anhand dieser Daten beispielsweise zur Auffassung kommen, dass man bereits deutlich vor dem Unfall hätte anhalten müssen, dass man ohnehin mit zu niedrigen Werten unterwegs war, dass man zu wenig gescannt hat, dass man nicht (richtig) kalibriert hat, dass man nach Warnungen des CGM-Systems nicht gleich angehalten hat usw.
Auch für das Behandlungsteam kann dies juristische Konsequenzen haben: Wenn angesichts der Glukosewerte erkennbar war, dass der Patient diabetesbedingt gar nicht hätte fahren dürfen oder zusätzlicher Aufklärungsbedarf bestand, wird man mit strafrechtlichen Ermittlungen und Schadensersatzforderungen rechnen müssen. Denn das Unfallopfer bzw. dessen Versicherung könnte grundsätzlich Einsicht in die strafrechtlichen Ermittlungsakten erhalten und über die Cloud-Inhalte auch Einblick in die ärztliche Tätigkeit bekommen. Dies könnte dazu führen, dass auch der Arzt sich verantworten muss.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (2) Seite 49-47
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig