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Ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, die jetzt gut 100 Tage im Amt ist. Nun kommt es auf die Ausgestaltung dieser Maßnahme an, die Diabetes-Experten schon lange fordern. Die DDG warnt schon mal vor wirkungslosen Teilverboten.
Im Hinblick auf die Diabetes-Prävention ist in den ersten 100 Tagen der Ampelkoalition nichts passiert. Das kritisierte die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) Mitte März auf ihrer Jahres-Pressekonferenz. Die neue Regierung sei sehr ambitioniert angetreten, das zeigt auch die Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ des Koalitionsvertrags. Und tatsächlich finden sich im Koalitionsvertrag erstmals Punkte wie ein Verbot von Werbung für ungesunde Produkte, die sich an Kinder richtet, verbindliche Reduktions-Ziele bei Zucker, Fett und Salz sollen angestrebt werden und eine umfassende Ernährungs-Strategie ist in Aussicht gestellt.
„Wir alle haben lange auf diesen Richtungswechsel hingewirkt“, betonte Barbara Bitzer im Namen von DDG und der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). Doch sie schränkte ein: „Freuen dürfen wir uns noch nicht, dafür ist es noch zu früh.“ Zum einen würden wichtige Maßnahmen im Koalitionsvertrag fehlen, zum anderen komme es jetzt ganz besonders auf die Umsetzung der angekündigten Punkte an, damit diese überhaupt ihre Wirkung entfalten könnten.
„Gerade bei den geplanten Werbeverboten, die wir sehr begrüßen, müssen wir im Moment befürchten, dass die Ampelkoalition keine umfassenden Regelungen plant, dass es letztendlich wieder nur auf Teilverbote hinauslaufen wird“, so Bitzer. Dann würden die Hersteller dieser ungesunden Produkte ihre Werbung voraussichtlich nur von einem Medium ins andere verlagern – „wir hätten nichts gewonnen“, warnte die DDG-Geschäftsführerin.
Die DDG hat gemeinsam mit DANK, dem AOK-Bundesverband, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und der Verbraucherzentrale Bundesverband ein Positionspapier zur konkreten Ausgestaltung des geplanten Kinder-Werbeverbots verfasst und an wichtige Akteure verschickt, allen voran Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen). Drei Punkte sind für die DDG laut Bitzer im Zusammenhang mit dem Werbeverbot zentral:
Das Nährwert-Profil der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte unbedingt die Basis für die Einstufung der Lebensmittel im Zusammenhang mit dem Werbeverbot bilden. Dieses WHO-Nährwert-Profil definiert, welche Kinder-Lebensmittel als gesund oder ungesund anzusehen sind.
Das Werbeverbot muss alle Medien erfassen – also nicht nur die klassischen Medien wie Fernsehen, sondern auch vor allen Dingen das Internet, zum Beispiel Werbung durch Influencer auf YouTube, Instagram oder Facebook sowie auch Werbung auf Streaming-Diensten.
Das Werbeverbot muss dort greifen, wo Kinder schauen. Das seien einerseits Kinder-Sendungen, wie sie zum Beispiel auf Kika laufen, aber auch die Familienformate wie Germany’s Next Topmodel oder The Voice of Germany. „Diese Formate haben als Zielgruppe ganz besonders Kinder“, strich Bitzer heraus. Die DDG empfiehlt daher, zwischen 6 und 23 Uhr Werbung für ungesunde Lebensmittel komplett zu untersagen.
Die Reaktion des Ministers auf das konkrete Konzept sei „freundlich, aber verhalten“ gewesen, berichtete Bitzer. Das Vorhaben unterstütze er, zur genauen Ausgestaltung halte er sich nach wie vor bedeckt.
Andere Maßnahmen der Verhältnis-Prävention fehlen in der Agenda der Ampel-Koalition völlig: „Das Thema Besteuerung findet sich im Koalitionsvertrag gar nicht“, kritisierte Bitzer. Dabei wäre es angesichts explodierender Lebensmittel-Preise wichtiger denn je, befand sie. Gerade gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse seien nämlich überproportional von der derzeit zu beobachtenden Preis-Steigerung betroffen. „Ein Werbeverbot alleine wird das Problem nicht lösen. Daher brauchen wir umfassende Maßnahmenbündel, die eben auch steuerliche Maßnahmen berücksichtigen“, verlangte sie. Entsprechend enttäuscht fiel Bitzers Fazit zu 100 Tagen „Ampel“ aus: „Wir haben uns da wesentlich mehr versprochen und können nur an die Regierung appellieren, wirklich zu handeln!“
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (5) Seite 44-45
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