Erfolgloses Werben für das Verbot

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Erfolgloses Werben für das Verbot

Der "Goldene Windbeutel" der Verbraucher-Organisation Foodwatch lenkt zuverlässig die Aufmerksamkeit darauf, was bei der Werbung für Lebensmittel in Deutschland schiefläuft. In diesem Jahr haben laut Organisatoren über 50 000 Verbraucherinnen und Verbraucher über den unwillkommenen Publikumspreis abgestimmt. Mit rund 28 Prozent aller Stimmen ging der Goldene Windbeutel 2023 an die "Pom-Bär Ofen Minis"von Intersnack Deutschland. Es handelt sich um Chips in Bärenform und einen lachenden Bären auf der Verpackung, beworben mit der Aussage "50 Prozent weniger Fett". Was wie ein Erfolg im Kampf um gesündere Kinderlebensmittel klingt, veranschaulicht in Wahrheit das Problem: Denn die fröhlichen Bären haben es in sich, sie enthalten gleichzeitig sechsmal so viel Zuckerwie das nicht als fettreduziert beworbene Original, kritisiert Foodwatch. Immerhin: Die fettreduzierte Variante hat einen 20 Prozent geringeren Gehalt an Kalorien als die Original-Pom-Bären.

Abgeschwächten Entwurf ins Spiel gebracht

Mit ihrem Zucker- und auch Salzgehalt erfüllen die "Pom-Bär Ofen Minis" in den Geschmacksrichtungen "Paprika" und "Sour Cream Style" nicht das Nährwert-Profil der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für gesunde Lebensmittelim Zusammenhang mit Werbung an Kinder. Das sieht für Kategorie 3, herzhafte Snacks, nämlich überhaupt keinen zugesetzten Zucker und auch keine Süßstoffe vor, für den Natrium-Gehalt gilt die Grenze 0,1 Gramm pro 100 Gramm. Damit wären sie vom Werbeverbot betroffen, das Bundesernährungsminister Cem Özdemir wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vereinbart derzeit erarbeitet – und zwar auch in der abgeschwächten Version, die der Minister Ende Juni in einem Interview mit der Rheinischen Post beschrieben hat. Denn das WHO-Nährwert-Profil als Bewertungsbasis ist darin unverändert enthalten.

Welche Werbemaßnahmen aber genau von dem Gesetz betroffen sein sollen, hat sich seit dem ersten Referenten-Entwurf aus dem Februar 2023 geändert: Ging es damals um Spots in Fernsehsendungen in der Zeit von 6 bis 23 Uhr, sind es beim geänderten Entwurf in der Woche nur noch die Zeiten von 17 bis 22 Uhr.Am Wochenende soll weniger erlaubt sein als in der Woche, aber immer noch mehr als im Ursprungs-Entwurf: Am Samstag wäre nach dem Entwurf Werbung für ungesunde Produkte zwischen 8 und 11 Uhr sowie 17 und 22 Uhr verboten, am Sonntag zwischen 8 und 22 Uhr.

Änderungen gab es auch bei den Regeln für Plakatwerbung und für das Sponsoring: Bei Ersterem fallen Bannmeilen von 100 Metern rund um Spielplätze und Freizeit-Einrichtungen weg, die rund um Kitas und Schulen stehen nach wie vor im Gesetz-Entwurf. Besteht ein Sponsoring aus Werbung mit einem Unternehmenslogo auf Banden von Sportstadien oder Trikots von Kindermannschaften, soll das laut aktuellem Entwurf erlaubt sein, nicht aber die Abbildung der Produkte. Davon betroffen wären zum Beispiel Softdrink-Flaschen auf den Presse-Konferenzen von Fußballern. Nach wie vor sollen laut Özdemir auch Influencer von den geplanten Regelungen betroffen sein, man wolle "alle gängigen Kanäle" im Internet einbeziehen.

FDP blockiert Weg ins Parlament

Hintergrund der öffentlich gemachten Änderungen am Gesetz-Entwurf ist die Kritik insbesondere auch innerhalb der Ampelkoalition. Im Rahmen der üblichen Abstimmung des Entwurfs zwischen den Ministerien hat die FDP auf Rot geschaltet, ohne ein Einvernehmen der gesamten Bundesregierung kann das Gesetz aber nicht den nächsten Schritt gehen undim Bundestag beraten werden. "Wir haben Anregungen und Kritik einfließen lassen und unseren Entwurf entsprechend präzisiert", verteidigte Özdemir die Neufassung tapfer in dem Interview. Von dieser Präzisierung wenig begeistert zeigte sich die Stiftung Kindergesundheit in einer Stellungnahme: "Es ist nicht zielführend, Plakatwerbung in der Nähe von Spielplätzen und Freizeit-Einrichtungen weiterhin zu erlauben", sagte der Stiftungsvorsitzende Prof. Dr. Berthold Koletzko dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Auch mit den gekürzten Verbotszeiten für Fernsehwerbung zeigte er sich unzufrieden: "Wenn man Kinder und ihre Gesundheit wirkungsvoll schützen will, sollten die Zeiten von 6 bis 23 Uhr wochentags und am Wochenende eingeschlossen werden", sagte er.

Die FDP dagegen hat auch den abgeschwächten Entwurf massiv kritisiert. "Solange Cem Özdemir keinen sinnvollen und praktikablen Gesetzesvorschlag abgibt, werden wir das parlamentarische Verfahren nicht einleiten", attackierte der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Gero Hocker Ende Juli in einem Interview mit "Bild". Ein Gesetz müsse "anstatt pauschaler Verbote" vor allem auf mehr Bewegung und Ernährungsbildung setzen, um Kinder vor den Gefahren extremen Übergewichts zu schützen, forderte er. Diese Punkte sind allerdings gar nicht Gegenstand des Gesetzes-Vorhabens, das ja den Auftrag des Koalitionsvertrags abarbeitet, eben genau ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel einzuführen. Werbung spiele als Ursache für Übergewicht eine untergeordnete Rolle, so Hocker, darauf abzielende Verbote seien nur eine "Scheinlösung, die kein Gramm Fett verschwinden lässt".

Schon in seinem Interview Ende Juni hatte Özdemir sich weiter verhandlungsbereit gezeigt. "Wir präsentieren einen guten Vorschlag, der gerne noch ergänzt werden darf. Dann werden wir schnell ins Kabinett kommen", gab er einen vagen Ausblick.

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