Grad der Behinderung: Zustand entscheidet

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Grad der Behinderung: Zustand entscheidet

Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Rechteck Antworten auf Rechtsfragen rund um das Thema Diabetes.

Die Frage:

Guten Tag, ist es tatsächlich so, dass Diabetiker (Typ 1), die sich viel Mühe bei einer ICT-Therapie geben, einen geringeren Grad der Behinderung erreichen als solche, die eher nicht auf die Empfehlungen des Arztes eingehen und somit schlechtere Blutzuckerwerte erreichen? Dabei ist die Belastung und Einschnitt in die Lebensführung bei dem gut eingestellten Diabetiker viel gravierender.

Miri


Die Antwort von Oliver Ebert:

Es ist leider in der Tat so, dass bei der amtlichen Prüfung, ob bzw. in welcher Höhe eine Behinderung besteht, nur auf die tatsächlichen Beeinträchtigungen abgestellt wird. Das Bundessozialgericht (Bundessozialgericht, Urteil vom 25.10.2012, B 9 SB 2/12) hat vor einigen Jahren daher die Klage einer Diabetikerin abgewiesen:

Diese hatte vor Gericht geltend gemacht, dass sie wegen ihres „konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung“ bei der Festsetzung des GdB nicht schlechter behandelt werden dürfe als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweist und der deswegen einen höheren GdB als sie bekommt.

Das Gericht meinte dazu: „Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt. Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.“

Dies führt somit zum nur schwer nachvollziehbaren Ergebnis, dass jemand, der sich „gehen lässt“ und es dadurch zu Entgleisungen kommt, aufgrund der damit verbundenen Beeinträchtigungslage einen höheren GdB bekommt als ein disziplinierter Patient, der (nur) dank extrem hohem Therapieaufwand eine gute Stoffwechsellage erreicht.

Man kann somit theoretisch durch eigenschädigendes Verhalten eine Schwerbehinderung erreichen; das ist vergleichbar damit, wenn jemand im Rausch oder gar mit Absicht gegen einen Baum fährt und danach im Rollstuhl sitzt. Auch in einem solchen Fall wird nicht darauf abgestellt, dass die Behinderung selbst verschuldet ist bzw. sich hätte vermeiden lassen.

Das Bundessozialgericht hat mehrfach bestätigt, dass diese Rechtsfolge aufgrund der gesetzlichen Systematik so hinzunehmen ist. Solange also die gesetzlichen Grundlagen nicht geändert sind, wird man da nicht viel machen können.


Autor:

Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart, Balingen
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (7) Seite 50

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