Jugendlicher Diabetiker klagt erfolgreich: CGM wird bezahlt

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Jugendlicher Diabetiker klagt erfolgreich: CGM wird bezahlt

Das Sozialgericht Stuttgart hat mit einem bemerkenswerten Urteil (SG Stuttgart, Urteil vom 13.11.2013, S 23 KR 6965/11) eine Krankenkasse verpflichtet, die Kosten für die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) mittels Glukosesensor nebst sämtlichen Zubehörteilen zu übernehmen.

Klage von Jugendlichem mit starken Schwankungen

Geklagt hatte ein Jugendlicher, bei dem es immer wieder zu erheblichen Blutzuckerschwankungen kam; der HbA1c-Wert der vergangenen zwei Jahre lag zwischen 7,5 und 10,2 Prozent. Eine ausreichende Unterzuckerungswahrnehmung war noch immer vorhanden, auch wenn diese aufgrund der starken Schwankungen immer mehr nachließ.

Zu einer schweren Hypoglykämie (Fremdhilfe erforderlich) war es bislang nicht gekommen. Der Augenarzt hatte eine diabetische Augenerkrankung diagnostiziert (beginnende, milde, nichtproliferative diabetische Retinopathie), die aber noch nicht behandlungsbedürftig ist. Weitere Folge- oder Begleiterkrankungen lagen nicht vor.

Was notwendig ist

Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf medizinisch notwendige Behandlungsleistungen sowie auf Versorgung mit den dafür erforderlichen Hilfsmitteln. Jedoch kann grundsätzlich nur eine in diesem Sinne “ausreichende” Versorgung verlangt werden. Leistungen, die über das Maß des Erforderlichen hinausgehen, dürfen gemäß § 12 SGB V nicht von den Krankenkassen übernommen werden.

Blutzuckermessgeräte und die benötigten Teststreifen sind bei insulinpflichtigen Patienten in medizinisch notwendigem Umfang und ohne Mengenobergrenze zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig. Bei CGM-Systemen ist es schwieriger: Diese sind nach Auffassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA, er regelt den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen) als “neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode” anzusehen.

Gemäß § 135 SGB V dürfen solche Leistungen nur erbracht werden, wenn der diagnostische und therapeutische Nutzen anerkannt ist, eine medizinische Notwendigkeit hierfür besteht und auch die Kriterien der Wirtschaftlichkeit erfüllt sind. Der G-BA hat daher ein gesetzlich vorgesehenes Methodenbewertungsverfahren eingeleitet, dessen Ergebnis aber erst in einiger Zeit feststehen wird. Aus diesem Grund wird eine Kostenübernahme von CGM-Systemen in den meisten Fällen bislang verweigert.

CGM: keine neue Methode

Das SG Stuttgart hat mit diesem Urteil nun klargestellt, dass es die CGM nicht als solche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode ansieht. Eine kontinuierliche Glukosemessung sei “nicht als neue Behandlungsmethode zu qualifizieren”.

Hierdurch erfolge nämlich “weder eine Änderung der Behandlungsmethode, noch des Therapiekonzepts”. Denn es werde neben der Selbstmessung im Blut “lediglich eine andere bzw. zusätzliche Messmethode in Form der Messung der Glukosekonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit zur Verfügung gestellt”.

Therapie bleibt unbehelligt

Das Gericht sah auch keine Auswirkung der kontinuierlichen Glukosemessung auf das übergeordnete Therapiekonzept des behandelnden Arztes. Zwar könne sich der Arzt bei seinen Therapieentscheidungen auch an den durch die kontinuierliche Messung erhobenen Zuckerdaten orientieren – nach Auffassung des Gerichts sei aber ein Unterschied zur herkömmlichen Blutzuckermessung im Blut nicht erkennbar.

Denn der Kläger führte auch bis dahin stets ein Blutzucker-Tagebuch, so dass die dort festgehaltenen Messwerte und Daten auch bislang schon in identischer Weise bei der Therapieentscheidung durch den Arzt berücksichtigt werden konnten.

CGM: “erforderlich”

Aufgrund der Stoffwechselschwankungen, der diabetischen Retinopathie und der nachlassenden Unterzuckerungswahrnehmung sei der Einsatz der CGM auch erforderlich (im Sinne der §§ 12, 33 SGB V). Denn eine ebenso wirksame, aber wirtschaftlichere Alternative stehe nicht zur Verfügung. Schließlich setzte sich das Gericht noch mit dem Kostenargument auseinander, denn eine Verordnung ist nur gesetzlich zulässig, wenn sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs. 1 SGB V entspricht.

Das Gericht ließ dazu aber die als glaubhaft eingestuften Angaben der Eltern ausreichen, dass im Rahmen wiederholter Probephasen eine Verringerung der Blutzuckermessungen erreicht werden konnte. Dem stünde nach Meinung des Gerichts auch nicht entgegen, dass nach Angaben des Herstellers des CGM-Systems die herkömmliche Anzahl von Blutzuckermessungen weiterhin durchgeführt werden solle.

Schließlich hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die fehlende Listung der CGM im Hilfsmittelverzeichnis keine Rolle spielt. Denn die Krankenkassen hätten keine gesetzliche Ermächtigung, den Leistungsanspruch des Versicherten zu begrenzen.

Der Kommentar

Dieses Urteil ist mutig und zu begrüßen; aus juristischer Sicht wäre es aber wünschenswert gewesen, wenn es sich in der Urteilsbegründung etwas ausführlicher und intensiver mit den aufgeworfenen Rechtsproblemen befasst hätte. Kleiner Wermutstropfen: Die Entscheidung hat keine Bindungswirkung.

Es lässt sich daher nicht voraussehen, ob andere Sozialgerichte oder gar Obergerichte diese patientenfreundliche Auffassung des SG Stuttgart bestätigen werden.


Autor:
© Oliver Ebert
RA Oliver Ebert

Kontakt:
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (4) Seite 50-51

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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