Kompetenz soll sich wieder lohnen

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Kompetenz soll sich wieder lohnen

Auch wenn in Krankenhäusern inzwischen jeder fünfte Patient über 20 Jahren Diabetes hat, ist es mit dem Wissen über die Volkskrankheit auf Station oft nicht weit her, wie die DDG kritisiert. Als einen Hebel für Verbesserungen sieht sie die geplante Reform der Klinikfinanzierung.

Hanebüchen bis erschreckend klangen die Beispiele, die Prof. Dr. Andreas Fritsche und Dr. Tobias Wiesner auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Versorgung von Diabetespatienten im Krankenhaus gaben: Patienten mit Typ-1-Diabetes werde vor Koloskopien oder Herzkatheter-Untersuchungen Insulin vorenthalten, da die Betroffenen ja nüchtern blieben, “da wird also Typ-1- und Typ-2-Diabetes verwechselt!”, so Fritsche. Oder Patienten mit Diabetes, die bewusstlos in die Notaufnahme kommen, erhielten bei Unterzuckerung noch Insulin zusätzlich oder bei Überzuckerung noch Glukose. Wiesner nannte als Beispiel einen Patienten mit einem System zur automatisierten Insulin-Dosierung, das auf Geheiß der Klinik abgeschaltet werden musste – mit dem Ergebnis, dass der Patient eine Ketoazidose erlitt.

“Solche Fälle kommen immer wieder vor, weil Ärzte mit Diabetes nicht mehr gut zurechtkommen”, mahnte Fritsche. “Auch eine Hüftoperation kann für einen Diabetespatienten extrem gefährlich werden, weil die Chirurgen gut die Hüfte operieren können, aber mit dem Diabetes überhaupt nichts am Hut haben”, so der DDG-Vizepräsident. Dass es sich nicht um anekdotische Einzelfälle handelt, verdeutliche auch eine Umfrage, in der zum Beispiel über 80 Prozent der Nutzer von moderner Diabetestechnik berichten würden, dass sie im Krankenhaus ohne Ansprechpartner für Insulinpumpe, System zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM) und Co. geblieben wären.

Finanzreform mit erhoffter Auswirkung auf
Diabetes-Kenntnisse in Kliniken

Dass sich diabetologische Stationen in immer weniger Kliniken finden, hat die DDG schon des Öfteren kritisiert. Nur 17 Prozent der Kliniken halten eine ausreichend qualifizierte Diabetes-Expertise gemäß DDG-Zertifizierung vor – mit sinkender Tendenz, wie die Fachgesellschaft kritisiert. Das eigentliche Thema der Pressekonferenz Anfang März war jedoch die von Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach geplante Reform der Krankenhaus-Finanzierung. Auf der Veranstaltung wurde klar, dass diese Reform an den beschriebenen Missständen wenn, dann nur indirekt und mit zeitlicher Verzögerung etwas ändern würde.

Bei der grundlegenden Reformbedürftigkeit des bisherigen Fallpauschalen-Systems (DRG-Systems) zur Finanzierung der stationären Versorgung waren sich der Grünen-Politiker Prof. Dr. Armin Grau und die anwesenden Diabetologen einig: “Benachteiligt waren in diesem Finanzierungs-System Fächer wie die Diabetologie, die wenig mit Operationen und Prozeduren zu tun haben, ja, deren Aufgabe es gerade genau ist, Operationen und Prozeduren zu vermeiden”, beschrieb Grau den Status quo. “Die ist sicherlich unterbezahlt gewesen in diesem System, und deswegen bedarf dieses System der deutlichen Reform”, erklärte das Mitglied im Bundestags-Gesundheitsausschuss. Die geplante Reform diene dazu, gegen den durch das bisherige DRG-System bedingten Hamsterrad-Effekt anzugehen, “da muss ganz klar ein Fach wie die Diabetologie auskömmlich finanziert werden”, bestätigte er.

Kooperation zwischen den Sektoren

Prinzipiell stimmte Grau auch der Forderung nach Kenntnissen über Diabetes in den Kliniken zu: “Diabetologische Fach-Expertise muss überall hingebracht werden – bei einer Volkskrankheit von 8,7 Millionen ist das dringend notwendig!” Über die Art und Weise, dieses Ziel zu erreichen, sagte er dagegen wenig Konkretes. Wo es im klinischen Alltag offene, nicht klärbare Fragen gibt, sei zum Beispiel moderne Digitalisierung, telemedizinische Vernetzung auch ein wichtiges Thema. Der gelernte Neurologe erläuterte, dass die unterste Ebene der Kliniken im Reform-Vorschlag noch einmal unterteilt ist: Level 1n seien Krankenhäuser, die die Notfallversorgung sicherstellen, Level-1i-Krankenhäuser können diese Notfallversorgung nicht bieten und sollen geöffnet werden auch für eine enge Zusammenarbeit mit niedergelassenen Fachärzten und Hausärzten. Hier komme die Diabetologie ganz stark mit ins Spiel, “da kann man sich auch von niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen den Sachverstand hereinholen ins Krankenhaus”, erklärte Grau.

Die DDG hat auf der Jahrespressekonferenz einen 5-Punkte-Plan zum Schaffen besserer Versorgungsstrukturen an Kliniken vorgestellt. Er fordert:

  • die Einrichtung von Diabetes Units in Krankenhäusern,
  • qualifizierte zertifizierte und abgestufte Diabetesbehandlung auf allen Ebenen der Krankenhausversorgung,
  • Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten, Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge,
  • vulnerable Gruppen sollen geschützt werden; Kinder oder multimorbide ältere Patienten mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeitintensive ärztliche Betreuung, was kostendeckend abgebildet sein muss,
  • obligates Diabetes-Screening (HbA1c) und Management in den Notaufnahmen und Stationen der Krankenhäuser.

Die geplante Reform biete aus Sicht der Niedergelassenen die Möglichkeit, sektorenübergreifende Planung auf den Weg zu bringen, sagte Wiesner. Grau berichtete, dass eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung nicht im ersten von der Bundesregierung geplanten Versorgungsgesetz enthalten sein werde, sie werde “aber hoffentlich auch bald kommen”. Der Grünen-Politiker machte seine Meinung klar: “Das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema!”, was im Prinzip auch im Koalitionsvertrag stehe. “Ich wünsche mir sehr, dass das auch noch in ’23 gelingt”, gab er zu Protokoll.

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (5) Seite 48-49

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