- Soziales und Recht
Kolumne | Zum guten Schluss: Life-Work-Balance
2 Minuten

Letzte Woche saß ich mit meiner Frau Gaby im Eiscafé. Es war gegen 15 Uhr, der Laden war brechend voll. Ich hatte an diesem Tag nach einem Nachtdienst frei und auch Gaby hatte ein paar Tage wegen Überstunden frei.
“Warum ist es am helllichten Tag in der Woche schon so voll hier?”, fragte ich Gaby. “Eigentlich müssten die Leute doch alle auf der Arbeit sein.” Mit einem Augenrollen warf Gaby mir nur ein Stichwort zu: “Life-Work-Balance.” Verwundert fragte ich: “Heißt das nicht Work-Life-Balance?” So entstand eine lebhafte Diskussion über Arbeit und Freizeit.
Man kann schon feststellen, dass vielen Menschen ihre Freizeit wichtiger ist als ihre Arbeit. Da gibt es Menschen bei uns in der Diabetes-Klinik, die sich nach Abschluss ihres Medizin-Studiums nicht in die Arbeit stürzen, wie wir das früher getan haben, sondern nach einer 80-Prozent-Stelle suchen. Und Kollegen in Gabys Bank diskutieren über die 4-Tage-Woche, natürlich bei vollem Lohnausgleich. Gaby fügte noch hinzu, dass ihr unlängst der Sohn unserer Nachbarin mitgeteilt hatte, er plane, sich nach dem Abitur nicht das Leben mit Arbeit kaputt zu machen.
Man fragt sich, wohin eine solche Einstellung zur Lebensführung und zur Arbeit langfristig führen wird. “Sie können es sich halt leisten”, meinte Gaby, “denn das ist dem allgemeinen Mangel an Fachkräften geschuldet. Jeder ist froh, wenn er überhaupt genügend Mitarbeiter findet, auch wenn diese nicht den gewünschten Einsatz bringen möchten.”
Dem kann ich nur zustimmen und ich kenne viele Menschen, bei denen der Leistungswille am Arbeitsplatz in diametralem Gegensatz zu den Wünschen und Forderungen bezüglich Geld und Freizeit steht. Wie lange kann ein Land wie unseres es sich noch leisten, diesen Forderungen und dieser Einstellung nachzugeben? Was muss passieren, damit die Menschheit wieder zur Vernunft kommt? Stammtischparolen werden sicher nicht weiterhelfen, sondern eher der Satz “wer nicht hören will, muss fühlen”. Wer sensibel ist, hat vielleicht schon etwas gefühlt, beispielsweise, dass in unserem Land viele Dinge nicht mehr normal funktionieren. Lieferengpässe bei Medikamenten zum Beispiel sind da nur der Anfang. Eine Antwort auf all diese Fragen haben Gaby und ich nicht gefunden, aber wenigstens hat das Eis gut geschmeckt.

von Dr. Hans Langer
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (6) Seite 82
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