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Die Bundesregierung plant ein Gesetz zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bis zum Sommer soll ein Entwurf stehen, Anfang 2025 sollen Maßnahmen beginnen. Auch auf Diabetes als Risikofaktor soll geachtet werden. Der DDG geht das Konzept aber noch nicht weit genug.
Wenn es in der Öffentlichkeit um Diabetes geht, “zuckert” es gern mal. Allen Awareness-Kampagnen zum Trotz wählen viele Experten gegenüber vermeintlichen Laien statt des Fachbegriffs die umgangssprachliche Bezeichnung “Zuckerkrankheit” – auch wenn die Medizin wahrlich abschreckendere Wortungeheuer als “Diabetes” kennt. Aktuell hat niemand geringeres als Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach gerade in einem Interview mit der Bild am Sonntag wieder gezuckert.
“Wir wollen deutschlandweit bei Kindern und Jugendlichen, bei 25-Jährigen, bei 35-Jährigen und bei 50-Jährigen mit einem Gutscheinsystem alle auffordern, sich die Werte messenzu lassen: den Blutdruck, auch den Risikofaktor Zuckerkrankheit”, kündigte er an. Darauf hat sogar die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) mit einer Presse-Mitteilung reagiert – natürlich nicht wegen der Wortwahl des Ministers …
Es geht um das von der Ampelkoalition geplante “Vorbeugegesetz”. Das soll helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern. Lauterbach hat angekündigt, einen Gesetz-Entwurf dafür bis zur Sommerpause des Parlaments vorzulegen. Das “Herz-Gesetz” soll so zum nächsten Jahr in Kraft treten. Im internationalen Vergleich sei die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland sehr hoch, hatte der Minister schon wiederholt kritisiert.
Lauterbach schaut aber nicht nur auf das Ausland, sondern auch auf eine Wunsch-Welt: Unter idealen Vorbeuge-Bedingungen ließen sich nach seinen Wortenfast 90 Prozent aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermeiden. “Es gibt keine so tödliche Krankheit, wo so viel Tod unnötig ist. Und es ist traurig, dass wir in Deutschland so wenig erreicht haben”, sagte er im Interview Mitte April.
Für Menschen mit Diabetes wären Erfolge im Kampf gegen diese Erkrankungen besonders wichtig: Bis zu drei Viertel der Patienten sterben an Herzinfarkt und Schlaganfällen. Das Risiko von Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist laut DDG zwei- bis vierfach erhöht, bei Frauen sogar um das Sechsfache.
Die DDG begrüßt diese Initiative des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) daher auch, allerdings greife ein selektives, nur auf die Herz-Gesundheit ausgerichtetes Maßnahmen-Paket zu kurz. “Wir würden uns wünschen, dass das BMG Volkskrankheiten als ein Zusammenspiel versteht und die geplanten Präventionsmaßnahmen nicht isoliert auf das Herzbezieht. Keine chronische Erkrankung kann für sich stehen, weshalb wir für die Nationale Diabetesstrategie seinerzeit ganzheitliche Präventionsmaßnahmen gefordert hatten, die auch anderen Volkserkrankungen vorbeugen”, erklärte DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.
Als Beispiel nannte sie die Förderung von täglichen Bewegungszielen in Kitas und Schulen, die Einführung einer Zucker- und Fettsteuer sowie verbindlicher Qualitäts-Standards für die Verpflegung in Kitas und Schulen und mehr Kinderschutz in der Lebensmittel-Werbung – alles alte Bekannte aus dem gesundheitspolitischen Forderungskatalog der Fachgesellschaft.
Schon in einem Impulspapier hatte das Bundesgesundheitsministerium im Oktober 2023 vier Handlungsfelder für ein mögliches Präventionsgesetz gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschrieben: die Verbesserung der Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Erwachsenen, die Erweiterung von Disease-Management-Programmen (DMP) und die Reduzierung des Nikotinkonsums.
“Diese Punkte können wir so unterschreiben und begrüßen es ausdrücklich, dass Gesundheitsprävention wieder auf die politische Agenda gesetzt wird. Wir setzen große Hoffnung darauf, dass das BMG geeignete Strukturen und die Finanzierung schafft, um den Vormarsch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das damit verbundene Leid für die Betroffenen sowie die daraus entstehenden Kosten für das Gesundheitswesen zu verringern”, lobte Prof. Dr. Baptist Gallwitz in der Erklärung der DDG.
Noch bevor sich Schäden am Herz bemerkbar machen, können ungesunde Ernährung, Bewegungsarmut, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum nicht nur Typ-2-Diabetes, sondern auch eine Fettleber-Erkrankung, obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom oder chronische Nierenschäden auslösen. Unter Hinweis auf den übergreifenden “health in all policies”-Ansatzder Weltgesundheitsorganisation (WHO) für nicht übertragbare Erkrankungen fordert die DDG ein Gesamtkonzept, das die größten Volkskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Bluthochdruck und Adipositas im Blick hat.
Und sie appelliert an die Politik,längst fällige Schritte der Nationalen Diabetesstrategie(NDS) nun umzusetzen. “Seit der Verabschiedung im Sommer 2020 schlummert die NDS in der Schublade der vergessenen Vorhaben und wartet auf eine Überführung in einen Nationalen Rahmenplan”, erinnert Gallwitz. “Es ist unverständlich, warum das BMG nun mit einem neuen Präventionsgesetz um die Ecke kommt, nicht aber bereits gestartete Vorhaben konkretisiert.”
Bisher bekannt gewordene Maßnahmen des geplanten Gesetzes zielen eher auf den Fett- als den Glukosestoffwechsel: Die Kosten für Cholesterin-senkende Statine sollen umfangreicher von den Krankenkassen übernommenwerden. Bisher gilt für sie bei Personen ohne Vorerkrankungen wie Diabetes ein Verordnungs-Ausschluss, sofern nicht ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegt.
“Wir werden die Erstattungsfähigkeit der Medikamente deutlich ausdehnen, sodass hier keiner mit diesem Risikofaktor hoher Cholesterinwerte leben muss”, kündigte Lauterbach an. Und Angebote zur Rauch-Entwöhnung als Kassenleistung sollen ausgeweitet werden, zum Beispiel entsprechende Medikamente bezahlt werden.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (6) Seite 44-45
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