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Schon während der Koalitionsverhandlungen zeichnete sich ab: Eine Nutzenbewertung von Arzneimitteln, die schon im Markt sind (Bestandsmarkt), soll es wohl nicht geben. Von der Neuerung unberührt bleiben die Gliptine.
Im Jahr 2013 hat das
Diabetes-Journal
immer wieder über die Nutzenbewertungen von Arzneimitteln berichtet – zum einen über die frühe Nutzenbewertung, die das Arzneimittelmarktneuordungsgesetz (AMNOG) vorschreibt, zum anderen über den erstmaligen Aufruf des Bestandsmarkts im Juni 2012, ebenfalls auf AMNOG-Grundlage und durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Dabei ging es um die Gliptine, die schon seit Jahren zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen sind (Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin sowie die Wirkstoffkombinationen Metformin/Sitagliptin und Metformin/Vildagliptin).
Mit diesem ersten Aufruf von Arzneimitteln aus dem Bestandsmarkt schaffe der G-BA die gleichen wettbewerbsrechtlichen Bedingungen für die Gliptine, und zwar unabhängig vom Zulassungsdatum, betonte der Bundesausschuss – weil diese in der Versorgung so bedeutend seien, erklärte das Gremium.
Bei der frühen Nutzenbewertung entscheidet der G-BA hingegen über Medikamente, die nach dem 1. Januar 2011 in Deutschland zugelassen wurden. So hatte der Gemeinsame Bundesausschuss im März 2012 auch einen Beschluss zu Linagliptin (Handelsname: Trajenta) gefasst. Die betroffenen Hersteller (Boehringer Ingelheim und Lilly) nahmen das Medikament in der Folge vom deutschen Markt – laut G-BA habe es keinen Zusatznutzen.
Nutzenbewertungen von Arzneimitteln im Bestandsmarkt hat der Bundesausschuss im Oktober 2013 erstmals abgeschlossen. Für Sitagliptin und Saxagliptin wurde ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen festgestellt, für Vildagliptin sah der G-BA keinen. Anhand nachgereichter Herstellerdaten hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) denn auch der Fixkombination Sitagliptin/Metformin einen Zusatznutzen zugeschrieben.
Und genau mit dieser schrittweisen Prüfung von Medikamenten aus dem Bestandsmarkt soll jetzt voraussichtlich Schluss sein – für die Gliptine gilt diese Neuregelung wie eingangs beschrieben jedoch nicht.
Auf Anfrage des
Diabetes-Journals
teilte der G-BA-Sprecher mit, dass die Substanzgruppe der Gliptine bereits rechtskräftig bewertet wurde und es sich damit um ein abgeschlossenes Verfahren handelt. Nach Kenntnis des G-BA sei dies auch die Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums.
“Eine Auswirkung der derzeit lediglich skizzierten Vorhaben im Koalitionsvertrag auf die Beschlüsse zu den Gliptinen erwarten wir daher nicht”, so Kai Fortelka. “Aber letztlich muss der G-BA auch in diesem Fall die konkreten, rechtlichen Schritte des Gesetzgebers abwarten, um den Sachverhalt abschließend beurteilen zu können.”
Aus den Koalitionsgesprächen ging hervor, dass die Vertreter der Unionsparteien wie auch die der SPD in der Arbeitsgruppe Gesundheit zu einer Einigung gekommen waren: den Absatz 6 des Paragraphen 35a SGB V zu streichen, in dem der Bestandsmarktaufruf geregelt ist.Im Vorfeld dessen und ungeachtet anderer Pläne der AG Gesundheit hat der G-BA im November 2013 weitere Wirkstoffgruppen des Bestandsmarkts zur Nutzenbewertung aufgerufen.
Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) Birgit Fischer dazu: “Während der künftige Gesetzgeber – die Verhandlungsgruppen der Großen Koalition – erklären, den Bestandsmarktaufruf abschaffen zu wollen, schafft die Selbstverwaltung Fakten.” Demnach hat der G-BA einen Bestandsmarktaufruf für 5 weitere Medikamente (u. a. gegen Leukämie und Vorhofflimmern) veranlasst.
“Die Industrie sitzt hier zwischen Baum und Borke: Sie hört die Worte des künftigen Gesetzgebers und sieht gleichzeitig das Verhalten der Selbstverwaltung. Wem darf man glauben, wer schafft die Fakten?”
G-BA-Chef Josef Hecken erklärte: “Dieser zweite Aufruf erfolgt unabhängig von den bisher bekanntgewordenen Zwischenergebnissen der Koalitionsverhandlungen in Hinblick auf die Beendigung der Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Bestandsmarkt.”
Dies sei ein gesetzlicher Auftrag, den der G-BA ohne Abstriche erfüllt, solange die rechtliche Grundlage dafür bestehe. Gäbe es allerdings neue rechtliche Entscheidungen wie einen Kabinettsbeschluss oder die erste Lesung einer entsprechenden gesetzlichen Änderung, würde der Bundesausschuss “die jetzt neu beschlossenen Verfahren und die nach dem ersten Aufruf vom April 2013 bereits laufenden Verfahren selbstverständlich beenden”, so Hecken.
von Angela Monecke
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (1) Seite 42-43
5 Minuten
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