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Diabetes mellitus: Es sind viele Menschen, die davon betroffen sind, bis 2040 wird es einen Anstieg um 54 bis 77 Prozent geben", berichtete Prof. Dr. Monika Kellerer aus Stuttgart. "Jeder sechste bis siebte Patient im Krankenhaus in Deutschland hat einen Diabetes – der nicht Anlass für den Krankenhausaufenthalt sein muss, der aber möglicherweise schlecht eingestellt ist aus einem akuten Anlass", sagte sie. Diese Menschen haben laut Kellerer eine schlechte Prognose. Viele Krankenhäuser haben keine Diabetes-Expertise mehr, so Kellerer, was anhand der DDG-Zertifikate gemessen werden kann. Die Abwärtsspirale in der universitären Diabetologie zeige die Tatsache, dass nur noch an 8 von 38 medizinischen Fakultäten ein klinischer Lehrstuhl in Endokrinologie und Diabetologie mit Direktionsrecht, d. h. einer eigenständigen bettenführenden Abteilung, vorhanden ist.
Dies sei problematisch, weil es ein negatives Signal an den Nachwuchs sende: "In dieser kleinen Nische kannst du keine Karriere machen." Micha Kortemeier aus Iserlohn setzt sich dafür ein, Studierende für das Fach zu begeistern, zu vermitteln, was Diabetologen können: ein offenes Ohr für Patienten haben, werdenden Müttern Zuversicht schenken, Füße retten. Dies werde im Studium jedoch kaum vermittelt und: "Wenn man im Studium mit der Diabetologie keinen Kontakt hat, dann kann man kein Diabetologe werden!", sagte Kortemeier. Er wies auf ein weiteres Problem hin: "Die Diabetologie und Endokrinologie sind im DRG-System nicht adäquat abgebildet."
Das hat dazu geführt, das nur noch 17 Prozent der Kliniken eine diabetologische Kompetenz haben. Die fehlende Kompetenz wirke sich nicht nur auf die Patienten-Betreuung aus, sondern auch auf die Ausbildung, sagte Kortemeier und betonte: "Wir müssen die diabetologische Expertise ausbauen." Die Chance sei aktuell die Krankenhausreform.
Dr. Tobias Wiesner aus Leipzig präsentierte diabetologische Kennzahlen zur Versorgung. Demnach betreut ein Hausarzt – 60 000 Hausärzte gibt es in Deutschland – ca. 100 Patienten mit Diabetes, davon zwei bis fünf Personen mit Typ-1-Diabetes. Demgegenüber stehen 4300 Diabetologinnen und Diabetologen, ca. 5400 Diabetesberaterinnen und -berater und ca. 8800 Diabetesassistentinnen und -assistenten. In rund 1100 diabetologischen Schwerpunktpraxen und in Krankenhausambulanzen seien 10 bis 20 Prozent der Patientinnen und Patienten in permanenter oder vorübergehender Versorgung. Und: Hinsichtlich der Versorgung von Menschen mit Diabetes bestehen erhebliche regionale Unterschiede. So sei ein Kollege verantwortlich für fast 8000 Patienten, die theoretisch zu ihm in die Praxis kommen sollen, weil er der Einzige in dem Großraum ist, verdeutlichte Wiesner.
Die Strukturfragen der Diabetologie betreffen die Versorgung der Patienten, die Ausbildung von Diabetologen und Diabetologinnen sowie der Diabetes-Edukationsberufe. Das Spezifische in der Diabetologie sei, dass die Schwerpunktpraxen zwar fachärztliche Leistungen mit personellem, strukturellem und organisatorischem Aufwand und entsprechenden Qualitäten erbringen, spezifische Leistungsziffern der Diabetologie im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM; Grundlage für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen) aber nicht abgebildet seien, weil das Fach sich im Zwitterfeld zwischen hausärztlichem und fachärztlichem Bereich befinde. Ebenfalls nicht abgebildet seien komplexe diabetologische Fälle und bestimmte Versorgungsformen. "Wenn der Typ-2-Patient mit oralen Antidiabetika dieselbe DRG generiert wie ein Patient mit Pumpe/AID, dann habe ich ein Finanzierungsproblem", brachte es Wiesner auf den Punkt.
Diabetologische Schwerpunktpraxen seien Weiterbildungsstätten, auch für Diabetes-Fachberufe. "Wir haben zu wenig Beratungsberufe aktuell, wir müssten mehr ausbilden." Dafür müsse allerdings Zeit und auch Geld im System sein. "Wenn ich an die Verhandlungen des letzten Jahres mit den Krankenkassen denke, die den Inflations-Ausgleich uns verweigert haben bei steigenden Kosten, heißt das ja de facto eine Abwertung unserer Fallwerte über die letzten Jahre", fügte Wiesner hinzu. Diabetologische Schwerpunktpraxen seien Exzellenz-Zentren, die Menschen mit Adipositas behandeln, mit Diabetes-Technologie, telemedizinische Versorgung mit Video-Konsilen und Video-Sprechstunden leisten, Menschen mit Diabetischem Fußsyndrom behandeln und Schwangere mit Diabetes versorgen.
Die strikte Trennung ambulanter und stationärer Leistungen sei bei personalisierter, umfassender Patientenversorgung nicht mehr zeitgemäß. Intersektorale Versorgungs-Netzwerke könnten die Betreuung und Weiterbildung ebenso wie die Ausbildung sichern. Es brauche für die Zukunft gemeinsame Strategien. Es müsse flächendeckend und intersektoral adäquate Vergütungen geben. Eine Vernetzung für Weiterbildung, Forschung und Ausbildung sei notwendig, und sowohl die Weiterbildung als auch die Ausbildung in der Diabetologie müssten gefördert werden.
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