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Oliver Ebert ist der Experte des Diabetes-Journals für rechtliche und soziale Themen. Aus diesem Blickwinkel resümiert der Rechtsanwalt, was sich im ausklingenden Jahr 2017 diesbezüglich alles getan hat für Menschen mit Diabetes.
Liebe Leserinnen, liebe Leser! Ein turbulentes Jahr ist bald vorbei.
Die Ereignisse und Veränderungen in Politik und Gesellschaft sind zwar auch für Diabetiker nicht ohne Auswirkungen geblieben; allerdings wurden wir von allzu negativen Überraschungen zum Glück weitgehend verschont. Einige Dinge haben sich sogar durchaus zum Positiven entwickelt:
So haben Anfang des Jahres gleich mehrere Gerichte klargestellt, dass der Staat für ein Kind mit Diabetes die Kosten einer Begleitperson übernehmen muss, falls dies für Kindergarten/Schule bzw. Schulausflüge erforderlich ist; der Diabetes bringt bei Kindern oftmals auch in Kindergarten und Schule erhebliche Probleme mit sich. Vor allem wenn das Kind noch nicht selbstständig den Blutzucker messen bzw. spritzen kann, stehen Eltern oft vor einem Dilemma.
In den meisten Fällen sind Lehrer zwar sehr engagiert und übernehmen freiwillig die notwendigen Überwachungs- und Hilfsaufgaben, so dass das Kind ganz normal am Unterricht teilnehmen kann. Manchmal klappt das aber nicht – dann stehen die Eltern vor einem massiven Problem: Ein Verbleib in der Schule oder die Teilnahme an Schullandheim, an Klassenfahrten wird dann nur möglich sein, wenn sichergestellt ist, dass nichts passiert. Denkbar wäre es zwar, dass ein Elternteil diese Aufgaben übernimmt – dies ist aber vor allem bei Alleinerziehenden nicht immer möglich und auch nur begrenzt zumutbar.
Es wird daher regelmäßig eine Begleitperson benötigt, die das Kind beaufsichtigt bzw. den Blutzucker misst und Insulingabe und Mahlzeitenaufnahme sicherstellt. Hierfür entstehen natürlich erhebliche Kosten, die sich viele Eltern gar nicht leisten können.
Die Entscheidungen von gleich drei verschiedenen Gerichten machten nun klar, dass Kinder mit Diabetes einen Anspruch auf eine Begleitperson haben und dies im Zweifel auch im Wege eines Eilverfahrens durchsetzen können
Auch zum Thema kontinuierliche Glukosemessung (CGM) gibt es positive Nachrichten: Seit Herbst 2016 sind solche Systeme offiziell Kassenleistung; allerdings ist es trotzdem nicht selbstverständlich, dass die Krankenkasse die Kosten tatsächlich übernimmt.
In einem besonders krassen Fall – der Patient konnte Unterzuckerungen nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen und hatte schon Folgeschäden am Auge – verweigerte die Kasse eine Kostenübernahme u. a. mit der Begründung, dass Vermeidung von Unterzuckerungen kein Therapieziel sei. Der Patient solle einfach den Blutzucker so hoch lassen, dass er gar nicht erst in Unterzucker komme.
Das Sozialgericht Nürnberg hat hierauf erfreulicherweise klare Worte gefunden: Dieser Vorschlag widerspreche “in eklatanter Weise” der Verpflichtung der Krankenkasse, eine Krankheit bzw. deren Verschlimmerung zu verhüten. “[…] Sowohl aus sozialmedizinischer als auch aus allgemeinärztlicher Sicht ist es nicht nachvollziehbar, erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf zu nehmen mit der Konsequenz der früher einsetzenden Blindheit des Klägers, bei jetzt schon diabetisch vorgeschädigten Augen.”
Das Gericht hat sich dabei sehr ausführlich mit der Problematik auseinandergesetzt und sorgfältig begründet, dass die Leistungspflicht der Krankenkassen über die reine Therapie hinausgeht. Wenn mit Krankheiten erhebliche Gefahrenzustände bzw. Behinderungen einhergehen, dann ist es Aufgabe der Krankenkasse, die zur Gefahrabwendung bzw. Risikominimierung hierfür erforderlichen Leistungen zu erbringen.
Nicht erfreulich ist die Entwicklung im Schwerbehindertenrecht: Der Schwerbehindertenausweis ist allein aufgrund des Diabetes nur noch schwer zu bekommen. Selbst häufiges Messen und Spritzen werden von den Ämtern nur selten als ausreichend angesehen, um die für die Anerkennung als “schwerbehindert” notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen.
Man muss hierzu nachweisen, dass der Diabetes unabhängig vom Therapieaufwand zusätzlich zu “erheblichen Einschnitten” führt und hierdurch die Lebensführung bzw. die Teilhabe im normalen Alltag “gravierend” beeinträchtigt werden
Problematisch wird es zunehmend auch bei Pumpen(folge-)verordnungen: Hier stellen die Kassen (bzw. der medizinische Dienst) immer höhere Hürden auf. Auch bei Messgeräten und Teststreifen gibt es immer mehr Druck: Der Drang der Kassen zum (vermeintlich) günstigsten Anbieter könnte längerfristig die ärztliche Therapie- und Verordnungsfreiheit ausschalten.
Auch in nächster Zeit dürfte es eher “unruhig” werden: Hier wird man sich auf noch mehr Restriktionen und Einsparungen gefasst machen müssen. Hoffen wir hier das Beste, dass Vernunft und Verantwortungsbewusstsein nicht vollständig hinter Sparzwängen zurücktreten.
Einen ersten positiven Ausblick ins Neue Jahr bringt aber schon mal das Bundesteilhabegesetz, das am 1.1.2018 in Kraft tritt. Neben vielen Änderungen im Sozialrecht wird damit u.a. auch im Arbeitsrecht der Kündigungsschutz für Schwerbehinderte verbessert. Ich werde in einer der nächsten Ausgaben des Diabetes-Journals ausführlich über die Neuregelungen berichten.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein friedvolles, besinnliches Weihnachtsfest sowie viel Gesundheit und Glück im neuen Jahr.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (12) Seite 60-61
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