- Soziales und Recht
Recht & Soziales: Oliver Eberts Bilanz 2017
3 Minuten
Oliver Ebert ist der Experte des Diabetes-Journals für rechtliche und soziale Themen. Aus diesem Blickwinkel resümiert der Rechtsanwalt, was sich im ausklingenden Jahr 2017 diesbezüglich alles getan hat für Menschen mit Diabetes.
Liebe Leserinnen, liebe Leser! Ein turbulentes Jahr ist bald vorbei.
Die Ereignisse und Veränderungen in Politik und Gesellschaft sind zwar auch für Diabetiker nicht ohne Auswirkungen geblieben; allerdings wurden wir von allzu negativen Überraschungen zum Glück weitgehend verschont. Einige Dinge haben sich sogar durchaus zum Positiven entwickelt:
Kinder mit Diabetes: Kostenübernahme für Begleitperson
So haben Anfang des Jahres gleich mehrere Gerichte klargestellt, dass der Staat für ein Kind mit Diabetes die Kosten einer Begleitperson übernehmen muss, falls dies für Kindergarten/Schule bzw. Schulausflüge erforderlich ist; der Diabetes bringt bei Kindern oftmals auch in Kindergarten und Schule erhebliche Probleme mit sich. Vor allem wenn das Kind noch nicht selbstständig den Blutzucker messen bzw. spritzen kann, stehen Eltern oft vor einem Dilemma.
In den meisten Fällen sind Lehrer zwar sehr engagiert und übernehmen freiwillig die notwendigen Überwachungs- und Hilfsaufgaben, so dass das Kind ganz normal am Unterricht teilnehmen kann. Manchmal klappt das aber nicht – dann stehen die Eltern vor einem massiven Problem: Ein Verbleib in der Schule oder die Teilnahme an Schullandheim, an Klassenfahrten wird dann nur möglich sein, wenn sichergestellt ist, dass nichts passiert. Denkbar wäre es zwar, dass ein Elternteil diese Aufgaben übernimmt – dies ist aber vor allem bei Alleinerziehenden nicht immer möglich und auch nur begrenzt zumutbar.
Es wird daher regelmäßig eine Begleitperson benötigt, die das Kind beaufsichtigt bzw. den Blutzucker misst und Insulingabe und Mahlzeitenaufnahme sicherstellt. Hierfür entstehen natürlich erhebliche Kosten, die sich viele Eltern gar nicht leisten können.
Die Entscheidungen von gleich drei verschiedenen Gerichten machten nun klar, dass Kinder mit Diabetes einen Anspruch auf eine Begleitperson haben und dies im Zweifel auch im Wege eines Eilverfahrens durchsetzen können
CGM: Gericht zerpflückt dreisten Vorschlag einer Krankenkasse
Auch zum Thema kontinuierliche Glukosemessung (CGM) gibt es positive Nachrichten: Seit Herbst 2016 sind solche Systeme offiziell Kassenleistung; allerdings ist es trotzdem nicht selbstverständlich, dass die Krankenkasse die Kosten tatsächlich übernimmt.
In einem besonders krassen Fall – der Patient konnte Unterzuckerungen nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen und hatte schon Folgeschäden am Auge – verweigerte die Kasse eine Kostenübernahme u. a. mit der Begründung, dass Vermeidung von Unterzuckerungen kein Therapieziel sei. Der Patient solle einfach den Blutzucker so hoch lassen, dass er gar nicht erst in Unterzucker komme.
Das Sozialgericht Nürnberg hat hierauf erfreulicherweise klare Worte gefunden: Dieser Vorschlag widerspreche “in eklatanter Weise” der Verpflichtung der Krankenkasse, eine Krankheit bzw. deren Verschlimmerung zu verhüten. “[…] Sowohl aus sozialmedizinischer als auch aus allgemeinärztlicher Sicht ist es nicht nachvollziehbar, erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf zu nehmen mit der Konsequenz der früher einsetzenden Blindheit des Klägers, bei jetzt schon diabetisch vorgeschädigten Augen.”
Das Gericht hat sich dabei sehr ausführlich mit der Problematik auseinandergesetzt und sorgfältig begründet, dass die Leistungspflicht der Krankenkassen über die reine Therapie hinausgeht. Wenn mit Krankheiten erhebliche Gefahrenzustände bzw. Behinderungen einhergehen, dann ist es Aufgabe der Krankenkasse, die zur Gefahrabwendung bzw. Risikominimierung hierfür erforderlichen Leistungen zu erbringen.
Schwerbehindertenausweis für Diabetiker nur noch im Ausnahmefall
Nicht erfreulich ist die Entwicklung im Schwerbehindertenrecht: Der Schwerbehindertenausweis ist allein aufgrund des Diabetes nur noch schwer zu bekommen. Selbst häufiges Messen und Spritzen werden von den Ämtern nur selten als ausreichend angesehen, um die für die Anerkennung als “schwerbehindert” notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen.
Man muss hierzu nachweisen, dass der Diabetes unabhängig vom Therapieaufwand zusätzlich zu “erheblichen Einschnitten” führt und hierdurch die Lebensführung bzw. die Teilhabe im normalen Alltag “gravierend” beeinträchtigt werden
Immer höhere Hürden für Pumpen(folge-)verordnungen
Problematisch wird es zunehmend auch bei Pumpen(folge-)verordnungen: Hier stellen die Kassen (bzw. der medizinische Dienst) immer höhere Hürden auf. Auch bei Messgeräten und Teststreifen gibt es immer mehr Druck: Der Drang der Kassen zum (vermeintlich) günstigsten Anbieter könnte längerfristig die ärztliche Therapie- und Verordnungsfreiheit ausschalten.
Auch in nächster Zeit dürfte es eher “unruhig” werden: Hier wird man sich auf noch mehr Restriktionen und Einsparungen gefasst machen müssen. Hoffen wir hier das Beste, dass Vernunft und Verantwortungsbewusstsein nicht vollständig hinter Sparzwängen zurücktreten.
2018: positiver Ausblick
Einen ersten positiven Ausblick ins Neue Jahr bringt aber schon mal das Bundesteilhabegesetz, das am 1.1.2018 in Kraft tritt. Neben vielen Änderungen im Sozialrecht wird damit u.a. auch im Arbeitsrecht der Kündigungsschutz für Schwerbehinderte verbessert. Ich werde in einer der nächsten Ausgaben des Diabetes-Journals ausführlich über die Neuregelungen berichten.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein friedvolles, besinnliches Weihnachtsfest sowie viel Gesundheit und Glück im neuen Jahr.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (12) Seite 60-61
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 6 Tagen, 14 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike