“Rückgang der Versorgungs­qualität erfüllt uns mit Sorge”

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“Rückgang der Versorgungs­qualität erfüllt uns mit Sorge”

Beispiel Baden-Württemberg: Wie werden Diabetiker heute in Deutschland behandelt? Wo hakt es? Hier das Interview mit Elke Brückel, Vorsitzende des DDB-Landesverbandes Baden-Württemberg, und Prof. Reinhard Holl aus Ulm.

Diabetes-Journal (DJ): Frau Brückel, kurz vor dem Weltdiabetestag laden Sie nach Stuttgart ein zu einem großen Informationstag. Wieso ist so etwas wichtig?
Elke Brückel: An diesem Tag, der jährlich am 14.11. auf der ganzen Welt begangen wird, sollte das Thema Diabetes in aller Munde sein – vor allem auf politischer Ebene. Dass dieses Thema in den letzten Jahren im Sozialministerium in Stuttgart angekommen ist, sehen wir an der Einrichtung eines Fachbeirates Diabetes und des daraus resultierenden Maßnahmenplans, der gerade verabschiedet wurde. Dennoch erleben wir einen Rückgang der Versorgungsqualität von Menschen mit Diabetes, die uns mit Sorge erfüllt.

DJ: Herr Prof. Holl, was würden Sie in der Klinikdiabetologie in Baden-Württemberg sofort verbessern, wenn Sie könnten: nichts?
Prof. Dr. Reinhard Holl: Die Diabetologie in der Klinik hat sich in den letzten 2 Jahrzehnten dramatisch verändert: Diabetesbehandlung, Schulung, Therapieumstellung findet fast nicht mehr in der Klinik statt. Die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus hat sich stark verkürzt. Klassische Diabetes-Schulungskurse sind deshalb im Krankenhaus fast nicht mehr möglich.

Menschen mit Diabetes sind heute fast nur wegen Folgeproblemen, zum Beispiel Gefäßerkrankungen, Diabetischen Fußsyndroms oder wegen diabetesunabhängiger Probleme im Krankenhaus wie Hüft- oder Knieoperationen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat hierauf reagiert und neue Anerkennungsverfahren geschaffen: “Klinik für Diabetespatienten geeignet”, auch neue Fortbildungsmaßnahmen für Pflegepersonal in der Klinik und vieles mehr.

DJ: Herr Prof. Holl, wie schätzen Sie die Qualität der Diabetologie in Baden-Württemberg ein? Und wie die Diabetologie in Deutschland im internationalen Vergleich?
Holl: Wir klagen sicher auf hohem Niveau, sowohl aus baden-württembergischer Sicht als auch aus deutscher Sicht, wobei aber auch in anderen Ländern, etwa in Skandinavien, eine sehr gute Diabetesbetreuung angeboten wird. Trotzdem müssen wir uns weiterentwickeln, um den Herausforderungen, etwa der raschen Zunahme von Diabetes bei sehr alten Menschen, gewachsen zu bleiben.

DJ: Frau Brückel, welche Themen der Selbsthilfe sind für Sie die wichtigsten?
Brückel: Das Angebot evidenzbasierter Informationen rund um den Diabetes, auch mittels moderner Medien; persönliche Ansprechpartner auf Landes- und regionaler Ebene; Zugriff auf Erfahrungswissen anderer Betroffener, Hilfe und Unterstützung in der Bewältigung des täglichen Lebens mit Diabetes. Vor allem muss eine uneingeschränkte Teilhabe in allen Lebensbereichen gewährleistet sein.

DJ: … und welche konkreten Aufgaben und Ziele sehen Sie im DDB-Landesverband Baden-Württemberg?
Brückel: Den mündigen Patienten zu schaffen. Die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen bei gesundheitspolitischen Entscheidungen und bei Entscheidungen der Kostenträger müssen die gleiche Rolle spielen wie wirtschaftliche Aspekte, die derzeit leider allem übergeordnet sind. Weiteres Ziel ist der Ausbau unserer Geschäftsstelle zu einem Kompetenzzentrum, in dem Rat- und Hilfesuchende den passenden Ansprechpartner finden.

DJ: Herr Prof. Holl, gibt es genügend Diabetes-Experten in Baden-Württemberg – und flächendeckend gute Klinikdiabetologie?
Holl: Das Problem ist vor allem die Erreichbarkeit außerhalb der Ballungszentren wie Stuttgart, Karlsruhe oder Freiburg. Gerade ältere Menschen mit Diabetes sind aber weniger mobil und benötigen eine wohnortnahe Betreuung. Aber auch viele kleinere Kliniken in Baden-Württemberg bieten Menschen mit Diabetes eine sehr gute Betreuung an. Der Kostendruck für diese kleineren Kliniken in der Diabetologie ist aber heute immens.

Weltdiabetestag 2015 in Stuttgart
“Diabetiker in Baden-Württemberg – gut versorgt von Jung bis Alt?” Unter dem Motto findet am 12. November in der Liederhalle in Stuttgart die gemeinsame Veranstaltung zum Weltdiabetestag 2015 der ADBW (Arbeitsgemeinschaft Diabetologie Baden-Württemberg) und des Landesverbandes Baden-Würtemberg des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB) statt.

Ab 14 Uhr gibt es zum Beispiel Fußparcours, Blutzuckermessung, HbA1c-Messung und Beratungen sowie Hilfe bei sozialen Fragen und Kinderschminken. Ab 17 Uhr geht eine politische Veranstaltung über die Bühne mit 3 Impulsvorträgen à 10 Minuten zum Thema: “Diabetiker in Baden-Württemberg – gut versorgt von Jung bis Alt?”

Programminformationen unter www.ddb-bw.de.

DJ: Frau Brückel, welche Highlights sehen Sie für die Besucher des Informationstages in der Liederhalle?
Brückel: Neben einer Reihe an Informationen für Jung und Alt im Vortragssaal werden im Foyer verschiedene Messungen wie HbA1c angeboten, außerdem ein Fußparcours, praktische Ernährungstipps für den Alltag, aber auch Kinderschminken ist vorgesehen. Ein Vortrag widmet sich Kindern mit Diabetes in der Pubertät, ein anderer dem Diabetes im Alter und dem Diabetischen Fußsyndrom. Besonders interessant finde ich die politische Diskussion zum Thema “Menschen mit Diabetes – gut versorgt von Jung bis Alt?”. Hier würden wir uns wünschen, dass diese auf das Interesse der Betroffenen stößt.

DJ: Herr Prof. Holl, gibt es in Baden-Württemberg einen guten Austausch zwischen den Diabetes-Experten und den Hausärzten …?
Holl: Insgesamt sicher ja, aber der Durchschnitt sagt nicht immer etwas über den Einzelfall aus. Hier sind Hausarzt, Diabetologe und Patient gemeinsam gefordert.

DJ: … und zwischen Diabetologen in Schwerpunktpraxen und in Kliniken?
Holl: Wie erwähnt, hat sich die Rolle der Akutkliniken für Menschen mit Diabetes dramatisch gewandelt. Klassische Diabetologie, wie etwa Insulin-Ersteinstellung oder Therapieumstellung, erfolgt heute meist ambulant. Die praktische Erfahrung der Ärzte – aber auch der Beratungs- und Schulungsteams – ist deshalb häufig aus der Klinik in die Schwerpunktpraxis gewandert.


Interview: Günter Nuber
Chefredaktion Diabetes-journal,
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (11) Seite 56-57

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  • loredana postete ein Update vor 1 Tag, 18 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 2 Tagen, 15 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

  • Hallo, ich bin Stefanie, die Diagnose Typ 1, habe ich vor drei Monaten bekommen.
    Ich merke wie es mir aktuell mit der Diagnose eher schlechter, als besser geht und meine Depression wieder da ist und ich auch eine neue Therapie starten werde. Ich habe aber das Gefühl, dass mich niemand Freundeskreis verstehen kann, weil niemand weiß, wie sehr diese Diagnose das Leben durcheinander bringt und ich auf so vieles aufpassen muss. Vor zwei Wochen hatte ich meine Schulung, tatsächlich fällt mir der Umgang mit dem Diabetes eher sogar schwerer. Eine Leichtigkeit (ist auch zu viel verlangt) ist nicht eingetreten. Sicherheit nur etwas.
    Es gibt bei mir leider keine Selbsthilfegruppen vor Ort, darum habe ich mich nun entschieden, den Diabetes Anker beizutreten und hoffe auf Verständnis von “Gleichgesinnten”
    Viele Grüße

    • Hallo Stefanie, schön ,dass du da bist. Wir treffen uns zum virtuellen Austausch nächste Woche Donnerstag. Vielleicht hast du ja Zeit und kannst dich einwählen 🙂 Ich freue mich, wenn wir uns dort sehen. Liebe Grüße Lena

      Virtuelles Diabetes-Anker Community-MeetUp im Dezember

    • Hallo Stefanie! Ich weiß noch wie es nach meiner Diagnose war – es dauert bis da von Leichtigkeit die Rede sein kann. Und das Umfeld tut sich oft sehr schwer das alles zu verstehen. Es wird besser aber es braucht Zeit. Alles Gute

    • @lena-schmidt: Hallo Lena, ich habe angemeldet und steht auch fest im Kalender.

    • @moira: Danke dir, ja es ist nicht ganz leicht damit klarzukommen und du hast recht, das Umfeld stellt mir Unmengen an Fragen, aber die kann ich aktuell selbst nicht beantworten, weil ich selbst genügend habe und andere Prios. Am schlimmsten empfinde ich die gutgemeinten “Ratschläge”.

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