Schwerbehindertenausweis für Kinder: Ja oder nein?

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Schwerbehindertenausweis für Kinder: Ja oder nein?

Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Diabetes-Journal-Rubrik Rechteck Antworten auf rechtliche und soziale Fragen rund um das Thema Diabetes.

Die Frage:

Da unser vierjähriger Sohn Rafael seit zwei Jahren Diabetes Typ 1 hat, möchten wir Sie um eine kurze Einschätzung bitten, nach dem Motto: Ist es sinnvoll oder nicht? Wie Sie sicherlich wissen, besteht die Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis für Rafael zu beantragen.

Bisher haben wir davon abgesehen, da wir uns unsicher sind, ob mit der “offiziellen” Feststellung des Schwerbehindertenstatus ggf. in späteren Jahren für ihn möglicherweise Nachteile entstehen können – z. B. bei der Berufsfindung, der Erlangung des Autoführerscheins, bei Versicherungsangelegenheiten oder anderen uns bisher nicht bekannten Lebensumständen.Da uns momentan die Kita dazu drängen möchte, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, müssen wir uns aktuell mit dem Thema konkreter beschäftigen.

Wir haben dazu schon bei einem auf solche Fragen spezialisierten Anwalt angefragt, der uns aber keine kostenlose Beratung geben wollte. Unsere Rechtsschutzversicherung hat uns daraufhin mitgeteilt, dass die Kosten für eine solche Erstberatung grundsätzlich nicht übernommen werden, und uns stattdessen auf die eigene Hotline für Rechtsberatung verwiesen. Dort haben wir mit einem der Rechtsanwälte telefoniert. Dieser meinte, er sehe bzw. kenne keine späteren Nachteile, wenn man einen Schwerbehindertenausweis für Diabetes beantragt, da grundsätzlich das Krankheitsbild und nicht der formale Ausweis Nachteile bedeuten können.

Sehen Sie das genauso?

J. S. per e-mail


Oliver Ebert:

Ich entnehme Ihrer Anfrage, dass Sie Zweifel an der erhaltenen Auskunft haben. Insoweit wundert es mich natürlich schon ein wenig, dass Sie bei dieser – für die Zukunft Ihres Kindes doch so wichtigen Frage – auf die professionelle Beratung durch den spezialisierten Anwalt verzichtet haben. Die Anwaltsgebühren für eine solche Erstberatung sind relativ niedrig und für den Anwalt oft nicht einmal kostendeckend. Dass ein spezialisierter Anwalt seine Zeit und sein in jahrelangem Studium erlangtes Fachwissen Ihnen aber nicht einfach umsonst zur Verfügung stellt, dürfte ja wohl klar sein.

Juristische Nachteile sind mit der Schwerbehinderteneigenschaft derzeit nicht verbunden. Allerdings kann die Schwerbehinderung dennoch einige Probleme mit sich bringen. Zunächst muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Schwerbehinderung behördlich aktenkundig ist – und das womöglich lebenslang auch bleibt.

Das könnte problematisch werden, wenn in Zukunft ein Datenabgleich der Behörden untereinander, z. B. mit der Straßenverkehrsbehörde, zulässig werden sollte. Weiterhin ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich die Rechtslage in weiterer Zukunft womöglich dramatisch ändert oder gar umkehrt – und behinderte Menschen dann keinen staatlichen Schutz mehr genießen. Momentan muss man die Schwerbehinderung bei der Stellensuche nicht angeben. Aber auch das kann sich ändern. Woher wissen wir heute, was in 30 Jahren sein wird? Dann ist Rafael gerade 34 Jahre alt und steht wahrscheinlich mitten im Leben …

Auch der Abschluss einer Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherung könnte für Rafael mit dem Ausweis noch schwieriger werden: Bei der Antragstellung wird mittlerweile fast immer nachgefragt, ob eine Behinderung festgestellt bzw. dies beantragt wurde. Aufgrund des Diabetes – den man auch wahrheitsgemäß angeben muss – ist es ja ohnehin schon schwer genug, eine solche Versicherung zu erhalten. Wenn dann noch eine amtlich festgestellte Behinderung dazukommt, ist man aus versicherungstechnischer Sicht ein nur noch schwer vertretbares “Risiko”.

Und schließlich: Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann ein Schwerbehindertenausweis auch durchaus zu psychischen Problemen wie Minderwertigkeitsgefühlen führen. Es ist für einen jungen Menschen sicherlich nicht einfach, damit umzugehen, dass er nicht “nur” Diabetes hat, sondern zudem noch offiziell ein “Behinderter” ist.

Umgekehrt stellt sich die Frage, was der Schwerbehindertenausweis für ein Kind mit Diabetes überhaupt bringt. Und das kann man schnell beantworten: eher wenig. Schwerbehinderte können – in Verbindung mit dem Merkzeichen H, das bei Kindern mit Diabetes bis zum 16. Lebensjahr anerkannt wird – kostenlos im Nahverkehr fahren. Beim Einsteigen in den Bus muss man aber den Ausweis bzw. eine Wertmarke vorzeigen, und das kann für ein Kind bzw. einen Jugendlichen sehr belastend sein.

Als Eltern können Sie einen Freibetrag von 3 700 Euro sowie ggf. Fahrtkosten und Sonderaufwendungen von der Steuer absetzen. Das bringt aber natürlich nur dann etwas, wenn die Eltern (sehr) viel verdienen. Wer keine oder nur wenige Steuern zahlt, hat davon nichts.

Letztlich müssen Sie entscheiden, ob Sie für diese mit dem Schwerbehindertenausweis verbundenen Vorteile die genannten Nachteile für Ihr Kind in Kauf nehmen wollen.


von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (4) Seite 44-45

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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