Schwerbehindertenausweis: mit dem Kind vor dem Sozialgericht

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Schwerbehindertenausweis: mit dem Kind vor dem Sozialgericht

Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Diabetes-Journal-Rubrik Rechteck Antworten auf rechtliche und soziale Fragen rund um das Thema Diabetes.

Frage:

Unsere Tochter, geb. 12.04.2007, hat seit Febr. 2014 Diabetes Typ 1. Am 12.03.2017 haben wir Antrag auf Schwerbehindertenausweis gestellt, das Versorgungsamt hat dann einen Feststellungsbescheid mit dem Merkzeichen H und 40 Prozent GdB erlassen. Hiergegen haben wir Widerspruch eingelegt, der ebenfalls abgelehnt wurde.

Nun sind wir vor dem Sozialgericht, dort geht es aber irgendwie nicht weiter. Der Richter will nur unsere Hausärztin anhören, wir halten aber eine Fachklinik für Diabetes als besser zuständig für ein Gutachten. Was können wir noch tun, bitte helfen sie uns, dass wir zu unserem Recht kommen?

Erika W.


Antwort von Oliver Ebert:

So einfach ist die Sachlage leider nicht. Sie hatten ja geschrieben, dass bereits ein GdB 40 sowie das Merkzeichen H festgestellt wurde. Nach den derzeit geltenden Bestimmungen kommt ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 nur in Betracht bei

“an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind”.

Der mit der Therapie (Messen, Spritzen, Nahrungskontrolle) einhergehende Aufwand reicht allein also nicht aus, es müssen daher noch gravierende Einschränkungen bei der Teilhabe im Alltagsleben hinzukommen. Die Rechtsprechung ist hier auch zunehmend streng, denn der Diabetes wird im Vergleich zu anderen Krankheiten ohnehin sehr hoch eingestuft: Für den Verlust eines Auges wird beispielsweise nur ein GdB 30 festgestellt.

Es müssen daher schon Faktoren hinzukommen, die einen GdB 50 rechtfertigen. Ob diese bei Ihrer Tochter vorliegen, kann ich ohne Kenntnis der Akten allerdings nicht beurteilen.

Es ist zwar so, dass die Ämter häufig kulant sind und für Kinder mit Diabetes zumindest befristet bis zum 16. Lebensjahr einen GdB 50 feststellen. Aber es gelten insoweit keine Sonderregelungen: Auch einem Kind mit Diabetes steht somit nicht automatisch der Schwerbehindertenstatus zu. Sie sollten daher möglichst umfassend beschreiben und begründen, wodurch Ihre Tochter aufgrund des Diabetes erheblich im Alltag eingeschränkt wird. Mögliche Argumente und eine Checkliste finden Sie in meinem kostenlosen Leitfaden zum Antrag auf Schwerbehindertenausweis bei Diabetes, der im diabetes-forum.de im Internet heruntergeladen werden kann (siehe Info-Kasten).

Mögliche Argumente und eine Checkliste finden Sie in meinem kostenlosen Leitfaden zum Antrag auf Schwerbehindertenausweis bei Diabetes, der im diabetes-forum.de im Internet heruntergeladen werden kann unter: www.diabetes-forum.de/produkte/details/2145987674/eBook-Schwer
behindertenausweis-bei-Diabetes- Informationen-und-Checkliste

Der Gutachter wird grundsätzlich vom Gericht bestimmt, man hat hierauf nur wenig Einfluss. Jedoch haben Sie das Recht (gemäß § 109 SGG), dass ein von Ihnen bestimmter Arzt gutachterlich angehört wird. Hierzu müssen Sie jedoch einen entsprechenden Antrag stellen; in der Regel wird hierfür auch ein Kostenvorschuss verlangt (meist ca. 1000 bis 1500 €).

Das Problem: Diese Gutachterkosten werden nicht immer von der Staatskasse übernommen. Wenn man also die Klage verliert, dann bleibt man meist auf diesen Kosten sitzen. Von Rechtsschutzversicherungen werde diese Kosten allerdings meistens übernommen.

Sofern Sie die Klage beim Sozialgericht selbst eingelegt haben, empfehle ich die Einschaltung eines spezialisierten Anwalts (Fachanwalt für Sozialrecht) vor Ort; Adressen nennt Ihnen die für Ihren Wohnort zuständige Anwaltskammer. Vielleicht hilft es auch, wenn Sie dem Gericht deutlich machen, aus welchen Gründen der Schwerbehindertenausweis dringend benötigt wird bzw. warum der festgestellte GdB 40 mit dem Merkzeichen H nicht ausreicht.


von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (2) Seite 60

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche

    Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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