- Soziales und Recht
Schwerbehinderung: Jeder Fall wird isoliert betrachtet
3 Minuten
Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Rechteck Antworten auf Rechtsfragen rund um das Thema Diabetes.
Ich hatte Ende letzten Jahres für meinen 10-jährigen Sohn Jonas (Typ 1) einen Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises gestellt mit einem GdB von mind. 50 sowie den Merkzeichen H, B und G.
Den Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 mit dem Merkzeichen H haben wir zwischenzeitig erhalten, jedoch wurden die Merkzeichen B und G nicht anerkannt. Hiergegen habe ich Klage beim Sozialgericht Dortmund eingereicht.
Mein ältester Sohn Klaus hat ebenfalls Typ-1-Diabetes. Für ihn hatten wir seit dem Kindergartenalter bis zur Volljährigkeit einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie den Merkzeichen H, B und G. Der GdB von 50 für meinen Sohn Jonas ist ok. Jedoch fehlen mir die Merkzeichen B und G wie bei meinem ältesten Sohn. Liegen Ihnen z. B. Urteile vor, nach denen einem an Typ-1-Diabetes erkrankten Kind mit 10 oder 11 Jahren die Merkzeichen H, B und G zuerkannt wurden?
Welche Argumente kann ich beim Sozialgericht anbringen, um evtl. doch noch die Merkzeichen B und G anerkannt zu bekommen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Rückantwort.
Martina K.
Die Antwort von Oliver Ebert:
Die Hürden zur Feststellung beider Merkzeichen sind von der Rechtsprechung (u. a. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2014 – L 3 SB 195/13) mittlerweile sehr hoch gesetzt.
Das Gericht führt hierzu aus:
Bei einem behinderten Kleinkind ist bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches „G“ vorliegen, als Vergleichsmaßstab nicht auf den Gesundheitszustand eines gleichaltrigen gesunden Kleinkindes abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob die bei dem Kleinkind festgestellten Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs „G“ rechtfertigen würden, also die Gesundheitsstörungen die entsprechenden Funktionen eines erwachsenen Behinderten im erforderlichen Ausmaß beeinträchtigen würden. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „B“ bei einem behinderten Kleinkind vorliegen, sind dieselben Kriterien wie bei einem Erwachsenen anzunehmen.
Es kommt daher zum einen darauf an, ob und wie häufig es zu schweren Unterzuckerungen kommt, die eine Fremdhilfe erfordern. Dazu muss auch dargelegt werden, dass und inwieweit man im Vergleich zu einem Stoffwechselgesunden erheblich im Straßenverkehr eingeschränkt ist.
Ein 11-jähriges Kind wird auch mit Diabetes in der Regel in der Lage sein, allein im Schulbus zu fahren oder – altersentsprechend – als Fußgänger bzw. mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilzunehmen. Nur wenn dies nicht möglich ist – beispielsweise aufgrund laufender schwerer und unvorhergesehener Unterzuckerungen, die Fremdhilfe erfordern –, können die Merkzeichen B und G zuerkannt werden; diese Ausnahmesituation müssten Sie aber hinreichend belegen und nachweisen können.
Vor diesem Hintergrund sehe ich in Ihrem Fall leider keine großen Erfolgsaussichten. Ich würde auch eher abraten, auf eine extreme Unterzuckerungssituation abzustellen: Bei der späteren Beantragung eines Führerscheins kann u. U. eine verkehrsmedizinische Untersuchung gefordert werden, bei der auch die Krankengeschichte einbezogen wird. Wird dort dann bekannt, dass die Merkzeichen B und G vorliegen, dann könnte dies zu erheblichen Problemen führen.
Auch der Umstand, dass Ihr anderer Sohn die Merkzeichen augenscheinlich problemlos zuerkannt bekommen hat, ist leider für Jonas unbeachtlich; denn jeder Fall wird isoliert betrachtet.
Das Merkzeichen H im Schwerbehindertenausweis signalisiert „hilflos“, d. h.: Die Person benötigt dauernd und in erheblichem Maß fremde Hilfe, Überwachung oder Anleitung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens wie An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft.
Das Merkzeichen B im Schwerbehindertenausweis wird erteilt, wenn als Folge der Behinderung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine ständige Begleitung nötig ist. Schwerbehinderte Menschen mit Merkzeichen B sind zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt, aber nicht verpflichtet.
Das Merkzeichen G im Schwerbehindertenausweis erhalten Personen mit erheblicher Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bzw. erheblicher Geh- und/oder Stehbehinderung. Davon ist auszugehen, wenn auch eine kurze Strecke im Ortsverkehr (ca. 2 km) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten bzw. nicht ohne Gefahren für sich und andere zu Fuß zurückgelegt werden kann.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (7) Seite 42-43
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 6 Tagen, 17 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike