Selbsthilfe – quo vadis?

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Selbsthilfe – quo vadis?

Können Patientenexperten der Selbsthilfe ein Bindeglied zwischen Behandlern und Betroffenen sein und aktiv in der Diabetes-Prävention mitwirken? Dr. Klaus-D. Warz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes Föderation (DDF), meint „Ja“.

Es kommentiert:


Dr. rer. oec. Dipl. Math. Klaus-D. Warz
1. Vorsitzende Diabetiker Thüringen
Vorsitzender der Deutschen Diabetes Föderation (DDF)
Website: www.ddf.de.com

Viele Menschen mit Diabetes – ob direkt oder indirekt betroffen – engagieren sich in Deutschland seit nahezu sieben Jahrzehnten ehrenamtlich in der Diabetes-Selbsthilfe. Regelmäßige Qualifizierungen durch Fachvorträge vermitteln den Mitgliedern der Selbsthilfeverbände aktuelles Wissen zur Diabetestherapie – dies in enger Zusammenarbeit mit den regionalen Diabetesgesellschaften, mit Diabetes-Experten, Therapeuten, Ärzten und Diabetes-BeraterInnen.

Auf gesundheitspolitischer Ebene – sowohl im Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) als auch bei der Entwicklung und der Neufassung von Versorgungsleitlinien – kommt dieses Fachwissen allen Diabetespatienten zugute: Die benannten Vertreter der Patientenorganisationen in diesen Gremien setzen sich für eine konsequente, leitliniengerechte Behandlung nach den individuellen und altersgerechten Bedürfnissen der Patienten ein. Ohne dieses zeitintensive, ehrenamtliche Engagement würden viele Menschen mit Diabetes an ihrer Versorgung, aber auch an ihrer Lebensqualität einbüßen.

Obwohl die Selbsthilfe ganz offensichtlich einen Beitrag zur Steigerung des Gemeinwohls leistet, ist sie immer noch kein ernstgenommener Beratungspartner für die meisten Behandler und andere Partner im Gesundheitssystem.

Das jüngste Beispiel ist die Nationale Diabetes-Strategie. Der anfänglichen Freude darüber, dass es die Strategie nach so vielen Jahren der zähen Verhandlung endlich in den Bundestag geschafft hat, folgte sehr schnell die Ernüchterung:

Von einer Strategie kann keine Rede sein, es ist lediglich eine Ansammlung von Absichtserklärungen. Konkrete Maßnahmen, wie die Zuckerreduktion von Softdrinks oder Werbeverbote für zuckerhaltige Produkte für Kinder fehlen. Und warum spielt die Selbsthilfe in der Nationalen DiabetesStrategie keine Rolle? Das Potenzial der Selbsthilfe bleibt schlichtweg ungenutzt. Das ist enttäuschend.

Potenzial der organisierten Selbsthilfe besser nutzen

Die Betroffenen werden in der Regel ein Leben lang von ihrem Diabetes begleitet und müssen sich täglich damit auseinandersetzen. Ihren behandelnden Arzt treffen sie meist nur einmal im Quartal für wenige Minuten. Die verbleibende Zeit müssen sie ihren Diabetes durch Selbstmanagement bewältigen. Hier sind die ehrenamtlichen Akteure der Selbsthilfe in der Lage, den Patienten weiterzuhelfen, zum Beispiel in der Alltagsbewältigung oder mit einem Coaching für ein besseres Diabetes-Management sowie die Aufklärung über diabetische Folgeerkrankungen.

Eine Verankerung der Selbsthilfe in der elektronischen Patientenakte könnte hier zu einer Verbesserung führen, sofern Diabetespatienten damit eine Weiterempfehlung zu lokalen evaluierten Selbsthilfegruppen und deren Angeboten erhalten. Noch besser wäre eine Zertifizierung der Selbsthilfegruppen durch die Bundesärztekammer.

Vielen Menschen ohne Diabetes, aber auch einem Teil der über sieben Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland fehlt es noch immer an grundlegendem Wissen über eine gesunde Lebensweise, den richtigen Umgang mit ihrer chronischen Erkrankung oder auch daran, ihr theoretisches Wissen im Alltag auf Dauer umzusetzen.

Patientenexperten als Bindeglied im Gesundheitssystem

Unter dem Aspekt der Diabetesaufklärung muss sich die organisierte Selbsthilfe in das Gesundheitssystem einbringen und ein Bindeglied zwischen den Behandlern und den Betroffenen werden. So kann sie einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz sowie in der Aufklärung zu Diabetesrisiken leisten.

Hierzu ist eine kontinuierliche Qualifizierung der Patientenexperten der Selbsthilfe erforderlich, genau wie die institutionelle Strukturierung der Selbsthilfe in zertifizierte Selbsthilfegruppen. Die Vision: Qualifizierte Patientenexperten der Selbsthilfe bilden in Kooperation mit Arztpraxen und Diabetesberatern die dritte Säule der Patientenbetreuung.

Über digitale Kanäle mehr Menschen erreichen

Heute wissen wir: Immer mehr Menschen beschaffen sich Gesundheitsinformationen aus dem Internet. Die digitale Transformation und das damit einhergehende Potenzial der Nutzung digitaler Angebote und Medien ist ein weiterer wichtiger Treiber für die Veränderung der Selbsthilfe. Mit digitalen Leistungen im Bereich der Diabetes-Selbsthilfe lassen sich, ergänzend zu bestehenden analogen Angeboten, zusätzlich viel mehr Menschen verschiedenen Alters erreichen.

Die genannten Ansätze gilt es zu forcieren und kontinuierlich auszubauen. Ich bin überzeugt: So hat die Selbsthilfe gute Zukunftschancen!

Ihr Dr. Klaus-D. Warz

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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