- Soziales und Recht
Selbsthilfegruppe: Wer haftet bei falscher Beratung?
3 Minuten
Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Rechteck Antworten auf Rechtsfragen rund um das Thema Diabetes.
Ich leite seit vielen Jahren eine Selbsthilfegruppe. Wir führen regelmäßig Vortragsveranstaltungen rund um das Thema Diabetes durch, dazu geben wir Auskunft zu Fragen hinsichtlich Schwerbehinderung und Rente. Jetzt habe ich aber gehört, dass es hier möglicherweise ein Haftungsrisiko geben könnte. Ich dachte immer, eine Auskunft sei unverbindlich und daher auch ohne entsprechendes Haftungsrisiko. Was müssen wir beachten, um mögliche Risiken zu vermeiden oder zu verringern?
Claudia T. aus M.
Die Antwort von Oliver Ebert:
Sie müssen sich hier nicht allzu viele Gedanken machen; allerdings kann ich auch keine vollständige Entwarnung geben. Für Auskünfte im privaten Umfeld besteht gemäß § 675 Abs. 2 BGB regelmäßig keine Haftung. Das Gesetz stellt klar, dass „wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, […] zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet“ ist.
Es gibt aber Ausnahmen: Wer für die Beratungsleistung ein Entgelt verlangt, der haftet grundsätzlich immer. Auch darf die Beratung an sich nicht gegen bestehende Gesetze und Bestimmungen verstoßen. Beispielsweise dürfen Laien keine Beratungstätigkeiten vornehmen, die durch Gesetz ausschließlich Ärzten oder Anwälten vorbehalten sind. Wer Diagnosen stellt oder gar medizinische „Behandlungen“ durchführt, ohne Arzt zu sein, der ist recht schnell in einer Haftung. Problematisch sind daher insbesondere vermeintlich gut gemeinte „Ratschläge“, eine vom Arzt verordnete Medikamentendosis, Insulinmenge oder den vorhandenen Spritzplan eigenmächtig abzuändern.
Wer über ein besonderes Sachwissen oder eine besondere Vertrauensposition verfügt, den können ebenfalls erhöhte Sorgfalts- und Aufklärungspflichten treffen. Die Betroffenen bringen demjenigen nämlich ein erhöhtes Maß an Vertrauen entgegen und werden die erhaltenen Ratschläge möglicherweise ohne weitere Rückfrage mit einem Arzt oder Anwalt befolgen. Hier müsste auf jeden Fall klargestellt werden, dass im Zweifel zuvor immer noch ein Arzt bzw. Anwalt gefragt werden sollte.
Vorsichtig sollte man daher – insbesondere bei öffentlichen Beratungen – auch sein mit „Tipps“ zu konkreten juristischen Fragestellungen: Abgesehen davon, dass eine Rechtsberatung grundsätzlich nur im privaten Umfeld zulässig ist, ergeben sich hier nicht selten erhebliche Haftungsrisiken. Wenn ein Betroffener z. B. wissen will, wie lange er Zeit hat, um Widerspruch gegen einen ablehnenden Behinderungsbescheid einzulegen oder Klage gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu erheben, sollte man sehr zurückhaltend sein:
Würde z. B. im Rahmen der Sozialberatung Ihrer Selbsthilfegruppe eine falsche – oder unvollständige – Auskunft gegeben und käme es dann zur Fristversäumung, so wäre eine Haftung nicht unrealistisch. Betroffene könnten vorbringen, man habe darauf vertraut, dass die erhaltenen Auskünfte richtig seien – es sei schließlich ein Unterschied, ob man sich einen „Rechtstipp“ von einem Freund oder Bekannten hole oder die Auskunft von vermeintlich fachkundigen Beratern erhält.
Ein weiteres Haftungsfeld ergibt sich, wenn durch die Auskunft mittelbar die Interessen Dritter berührt werden. Dies kann z. B. passieren, wenn im Rahmen einer Auskunft von einem bestimmten Arzt oder Produkt abgeraten wird. Hier ist sehr schnell die Grenze einer (noch zulässigen) Meinungsäußerung überschritten, vor allem wenn unwahre bzw. nicht beweisbare und potenziell geschäfts- bzw. absatzschädigende Behauptungen erhoben werden.
Wenn Sie z. B. mit einem Blutzuckermessgerät nicht zufrieden sind, dürfen Sie selbstverständlich andere über Ihre Meinung und die Gründe informieren. Unzulässig wäre aber z. B. zu behaupten, dass das Gerät „ungenau“ bzw. „nicht richtig“ messe, wenn Sie keinen sicheren Beweis haben. Hierzu wäre nämlich erforderlich, dass die fehlerhafte Messqualität durch ein sachgerecht und wissenschaftlich erstelltes Gutachten nachgewiesen werden kann – eine lediglich „gefühlte“ Ungenauigkeit oder der Vergleich mit anderen Messgeräten würde nicht ausreichen.
Generell gilt aber, dass für Auskünfte in der Selbsthilfegruppe sicherlich keine allzu großen Risiken bestehen und Sie daher auch grundsätzlich im Rahmen einer angebotenen Sozialberatung entsprechende Informationen geben dürfen.
Vorsichtig sollten Sie vor allem dann sein, wenn die Auskünfte über allgemeine Anfragen hinausgehen und sich allzu konkret auf eine individuelle Situation des Fragestellers beziehen. Hier sollte man genau prüfen, ob Sie berechtigt und im Zweifel auch hinreichend kompetent sind, dem Informationsbedürfnis in der tatsächlich gebotenen Weise gerecht zu werden. In jedem Fall empfiehlt sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass Ihr Ratschlag die Konsultation eines Arztes oder Anwalts nicht ersetzen kann und soll.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (2) Seite 48-49
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 21 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 19 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 18 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike