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Ina fragt sich, warum auf den Social-Media-Kanälen meist nur die guten Werte zu sehen sind. Ist das realistisch oder ist es ein Tabu, auch mal schlechte Werte zu haben? Die Frage ist doch, wie wir mit schlechten Werten umgehen, wo sie herkommen und was wir tun können, damit sie besser werden.
Heute machen viele von uns ihre Werte und Kurven sichtbar, z. B. durch Posts in Facebook-Gruppen oder auf Instagram. Ich nehme mich da nicht aus! Man spricht also über seine Werte, das ist schon mal gut. In der Regel sind es die guten Werte, die wir zeigen, die Kurven mit den geringen Schwankungen. Das kann motivieren, denn man sieht, dass es gehen kann mit den guten Werten. Diese öffentlich gezeigten guten Werte können aber auch frustrieren, wenn es bei einem selbst nicht so gut klappt.
Eher selten sehen wir die schlechten Werte. Das soll jetzt kein Plädoyer für schlechte Werte sein, versteht mich nicht falsch. Doch in der Realität gibt es SIE ohne Zweifel, die schlechten Werte. Doch was machen wir mit unseren schlechten Werten?
Schlechte Werte, weil ich es manchmal einfach nicht hinbekommen habe. Schlechte Werte, weil ich einfach keinen Bock hatte. Schlechte Werte, weil ich nicht um Hilfe bitten konnte. Ich habe mich geschämt, weil ich es nicht hinbekommen habe, denn die Technik hatte ich schnell drauf – in Mathe war ich schon immer gut. Doch Diabetes-Management ist halt mehr als BE-Zählen, Messen, Rechnen und Spritzen. Ich habe mein Leben gut gemeistert, Schule, Studium, Job-Alltag. Der Diabetes hat dabei leider oft eine untergeordnete Rolle gespielt und ich habe ihn vernachlässigt. Die Termine beim Diabetologen waren der Horror.
Meine Oma hat mich immer gefragt, was mein Zucker macht. Auf der einen Seite war ich echt genervt von der Frage, besonders wenn es mal wieder eine Phase war, in der es nicht so gut lief. Aber auf der anderen Seite war ich ihr dankbar. Sie hatte ein Händchen dafür, mich zum Nachdenken anzuregen. Heute würde ich anders mit ihr über meinen Diabetes sprechen. Damals konnte ich das nicht. Aber dennoch war sie die Einzige in meiner Familie, die mich nach meinen Werten fragen durfte, ohne dass ich an die Decke gegangen bin.
Einige Begegnungen mit anderen Diabetikern haben mich oft an die Autoquartette aus meiner Jugend erinnert. Was hast du für Werte? Besser oder schlechter? Wie war dein letzter HbA1c-Wert? Ich habe es gehasst. Guter Diabetiker oder schlechter Diabetiker?
Heute genieße ich den Kontakt zu meiner Diabetes-Community, wertschätzend und unterstützend. Sicherlich habe ich mich verändert und in den letzten Jahren ein sehr viel besseres Verhältnis zu meinem Diabetes entwickelt. Wir haben Frieden miteinander geschlossen – zumindest die meiste Zeit.
Schlechte Werte, weil ich mich bei einem Essen verschätzt habe oder es sich anders verhält als gedacht. Schlechte Werte, weil ich eine falsche Stelle zum Spritzen erwischt habe. Schlechte Werte, weil sich mein Insulinbedarf ändert und ich es nicht sofort merke. Schlechte Werte, weil ich manchmal vergesslich bin.
Schlechte Werte können viele Ursachen haben. Scheut euch nicht, euch mit ihnen auseinanderzusetzen. Schaut hin und ignoriert sie nicht. Wenn ihr alleine nicht weiterkommt, nehmt Hilfe in Anspruch. Es gibt keinen Grund, dass ihr alles mit euch alleine ausmachen müsst. Traut euch, darüber zu sprechen. Ihr seid deswegen keine schlechten Diabetiker. Aber vor allem lasst euch nicht von den schlechten Werten unterkriegen.
von Ina Manthey
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (5) Seite 34-35
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