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Unter führenden Gesundheitspolitikern der Großen Koalition ist auf dem parlamentarischen Jahresempfang der DDG eine Kontroverse über geeignete Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Übergewicht und Diabetes entbrannt.
Auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Herausforderung chronische Krankheiten – Wie sichern wir die Qualität in der Versorgung?“, die anlässlich des Jahresempfangs der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in der Parlamentarischen Gesellschaft Ende Februar in Berlin stattfand, diskutierten Experten über mögliche Methoden der Prävention chronischer Erkrankungen sowie über eine Verbesserung der Versorgung von betroffenen Patienten. Dabei kam es auch zu kontroversen Debatten zwischen Vertretern der Regierungsparteien.
Derzeit leben mehr als sechs Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland, jährlich kommen etwa 300.000 hinzu. Für ihre Behandlung, Pflege, Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung entstehen derzeit Kosten von rund 35 Milliarden Euro pro Jahr. „Davon entfallen 80 Prozent auf die Behandlung von Folgeerkrankungen eines schlecht behandelten Diabetes“, erklärte DDG Präsident Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. „Wir plädieren dafür, das Erkrankungsrisiko durch Prävention zu senken, Risikogruppen rechtzeitig zu identifizieren und die sektorenübergreifende Versorgung zu stärken.“
Wie die Übergänge zwischen den medizinischen Sektoren – also vor allem zwischen Hausärzten, Fachärzten und Kliniken – qualitätsgesichert und ohne Reibungsverluste koordiniert werden können, ist von Hausärzten und Diabetologen bereits modellhaft in einem Konzept für die Versorgungslandschaft Diabetes definiert.
„Mit einer leitlinienorientierten, sektorenübergreifenden und interdisziplinären Versorgung lassen sich Klinikeinweisungen verringern und Doppeluntersuchungen vermeiden“, erläuterte Gallwitz beim Empfang. „Wir schlagen vor, dieses Modell aus dem Innovationsfonds zu finanzieren und in einer Pilotregion zu erproben.“ Christof Veit, Leiter des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG), zeigte sich für Verbesserungen der Systemqualität grundsätzlich aufgeschlossen. „Wir müssen die Rate vermeidbarer Komplikationen beim Diabetes verringern“, sagte Veit.
Bei der Podiumsdiskussion, an der sich Experten aus Politik und Medizin beteiligten, nahm auch das Thema Prävention großen Raum ein. Übergewicht ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung des Diabetes Typ 2. „Stark zuckerhaltige Softdrinks sind heute einer der zentralen Verursacher von Adipositas bei Kindern“, kritisierte Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung im AOK Bundesverband. „Wir brauchen mehr Aufklärung über ungesunde Ernährung, aber auch eine transparente Lebensmittelkennzeichnung und Maßnahmen wie ein Verbot von Werbung für Süßigkeiten, die sich an Kinder richtet“, meinte Richard.
Zuvor hatte sich auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Professor Dr. jur. Edgar Franke, für mehr Transparenz stark gemacht. „Wir brauchen die Lebensmittel-Ampel“, erklärte der SPD-Politiker. „Rot, gelb, grün – das kann jeder unterscheiden.“ Noch einfacher, fand DDG Vizepräsident Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, sei die Steuerung des Ernährungsverhaltens über Preissignale. „Energiedichte Lebensmittel sollten teurer sein, damit ist automatisch das Ungesunde teurer“, sagte Müller-Wieland. Gleichzeitig würden gesunde Lebensmittel nach Vorstellungen der DDG steuerlich entlastet.
Skeptisch gegenüber Lebensmittelampel und Steuererhöhungen für hochkalorische Lebensmittel wie Softdrinks zeigte sich dagegen Michael Hennrich, Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag. „Wir müssen aufpassen, dass wir den Menschen nicht jede Lebensfreude vergällen“, sagte der CDU-Politiker. Er plädierte stattdessen für mehr Aufklärung. „Die Menschen sollen eigenverantwortlich entscheiden, wie sie sich ernähren“, meinte Hennrich.
Einig waren sich die Gesundheitspolitiker von SPD und CDU darin, dass das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zwar ein wichtiges und notwendiges Instrument zur Preisfindung von Medikamenten im Gesundheitswesen ist, mit Blick auf chronische Erkrankungen aber nachzubessern sei. „Chronische Erkrankungen sind nicht ganz optimal abgebildet“, meinte Hennrich. „Wir wollen das Gesetz nicht aufweichen, diskutieren aber Modelle, die am Preisregime ansetzen.“
DDG Präsident Gallwitz unterstrich noch einmal die Forderung, wonach die wissenschaftlichen Fachgesellschaften an dem Verfahren strukturiert eingebunden werden sollen, etwa bei Festlegungen der Vergleichstherapie, der Fragestellung, den Indikatoren für einen Nutzen und eine medizinische „Plausibilitätskontrolle“ der Ergebnisse einer Bewertung. Vize-Präsident Müller-Wieland mahnte an, dass es bei neuen Medikamenten für chronische Volkskrankheiten wie Diabetes klare und verbindliche Kriterien für eine „frühe“ sowie eventuell regelhaft dann durchzuführende mittelfristige und spätere Nutzenbewertungen braucht.
Hier müsse auch klar definiert werden, welche Art von Studien, Register- und Versorgungsdaten anerkannt werden. Die bisherigen Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA hätten zwar zu keiner Gefährdung der Patienten geführt, betonten die DDG Experten, die Individualisierung der Behandlungskonzepte sei aber durch Marktrücknahmen und Versorgungseinschränkungen geschmälert worden.
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
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