Sprechende Medizin ist unrentabel

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Sprechende Medizin ist unrentabel

Droht der Diabetologie das Aus? Bei der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im März in Berlin wurde die Zukunft der Diabetesbehandlung kritisch diskutiert.

Über die Versorgung von Diabetespatienten im Krankenhaus sprach Privatdozent Dr. Erhard Siegel, Past-Präsident der DDG und Chefarzt der Inneren Medizin im St. Josefskrankenhaus Heidelberg. In den Kliniken stehen derzeit die Abteilungen auf dem wirtschaftlichen Prüfstand, die einen hohen Anteil an sprechender Medizin aufweisen und damit als unrentabel gelten.

Mehrere internistische, diabetologische und endokrinologische Klinikabteilungen wurden schon geschlossen. Dringend benötigte Weiterbildungsmöglichkeiten für den medizinischen Nachwuchs entfallen somit, beklagte Siegel. Dabei sind gerade Menschen mit Diabetes eine stetig wachsende Patientengruppe, deren Versorgung auch künftig gesichert sein muss.

6 Millionen Diabetiker jährlich im Krankenhaus

Der Chefarzt berichtete aus dem Klinikalltag und von den Herausforderungen des demographischen Wandels. Im Jahr 2030 werden ein Drittel aller Menschen 4 bis 5 chronische Erkrankungen haben – von Herz-Kreislauf-Erkrankungen über Krebs bis Diabetes. 300.000 Personen erkranken jährlich in Deutschland neu an Diabetes. 2016 wurden 18,5 Millionen Menschen stationär betreut, etwa 6 Millionen von ihnen mit Haupt- und Nebendiagnose Diabetes.

Siegel weiter: “Wird der Diabetes schlecht behandelt, sind Verweildauer und Komplikationen im Krankenhaus signifikant erhöht gegenüber Patienten, die gut eingestellt bzw. behandelt sind”, erklärte er. Diese Situation werde sich in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen – durch mehr multimorbide Patienten im Krankenhaus. “Will man eine vernünftige stationäre Behandlung für diese komplex kranken Menschen erhalten, braucht man im Krankenhaus insbesondere gut ausgebildete Diabetologen, Endokrinologen und Internisten”, so Siegel.

Falsche Anreize: Amputation ist wirtschaftlich günstiger für Kliniken

Bedingt durch das heutige Vergütungssystem sei aber das Gegenteil der Fall. Er nannte ein Beispiel: Ein Patient mit diabetischem Fußsyndrom und einem behandlungsbedürftigem Zeh kommt ins Krankenhaus. Die Therapie, z. B. mit Verbänden und Antibiotika, kann bis zu 3 Wochen dauern. “Wenn es gut läuft, erhält man für diesen Patienten etwa 3.000 Euro”, sagte er. Wird diesem Diabetespatienten hingegen der betroffene Zeh amputiert, dauert die postoperative Phase lediglich 5 Tage und das Krankenhaus bekommt 6.000 Euro.

“Die Verweildauer ist kürzer, der Patient kann schneller entlassen und das Bett wieder belegt werden”, führte der Diabetologe aus. Krankenhäuser seien inzwischen zu Unternehmen geworden – was sie auch sein müssten. “Das steht allerdings im Widerspruch zu einer guten, patientenorientierten Behandlung. Da kommen wir sehr häufig in Entscheidungskonflikte.”

DDG-Qualitätsstandards sollen Ökonomisierung entgegenwirken

Die DDG hat deshalb in den letzten Jahren Qualitätsstandards entwickelt – mit dem neuen Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). Diese Standards sollen bundesweit ausgerollt werden. “Damit könnte man den Prozess des Abbaus aufhalten”, ist sich Siegel sicher.


von Angela Monecke
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (5) Seite 48-49

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