3 Minuten
Die Veranstaltung „diabetes 2030“ (wir berichteten) im März in Berlin machte deutlich: Menschen mit Diabetes sollen mehr im Fokus stehen – in Studien, in der Gesundheitspolitik. Mit der Betonung des „Patientenwohls“ und der „Nationalen Diabetes-Strategie“ hat die Große Koalition die Weichen gestellt. Eine wichtige Rolle spielen auch die „Patientenberichteten Endpunkte“ („PROs“): Studien sollen mehr Wert u. a. auf die Lebensqualität der Betroffenen legen.
Das Diabetes-Journal bekommen Sie im Kirchheim-Shop, als ePaper sowie an Kiosken auf Flughäfen und Bahnhöfen.
Ein „Endpunkt“ steht in der Medizin für das Ziel einer klinischer Studie. Dr. Thomas Kaiser erklärte bei der Konferenz die „Patientenberichteten Endpunkte“: Laut Definition der US-Arzneimittelbehörde FDA ist ein PRO „ein Endpunkt, der von den Patienten kommt. Aber eben ohne eine zusätzliche Interpretation anderer Personen.“ Kein Therapeut, kein Studienarzt interpretiert Studienteilnehmer im Sinne von Ja, Du hast recht, dass Du dieses Symptom so oder so fühlst. Oder: Ja Du hast recht, dass Deine Lebensqualität nun besser ist.
© Novo Nordisk/Axel Gaube | „Wir brauchen die Perspektive der Patienten“: Dr. Thomas Kaiser (re.), Ressortleiter beim „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG).
Ein PRO ist also „eine unverfälschte Aussage von Patienten“, sagt Kaiser, Ressortleiter Arzneimittelbewertung des IQWiG. Niemand anders als Patienten selbst, so Kaiser, könne bestimmte Symptome etc. so wahrnehmen wie die Betroffenen. „Verzicht auf PROs würde bedeuten: Man kann bestimmte Dinge nicht messen, die nur die Patienten erleben.“ Ein Manko in der Diabetologie sowie überhaupt in der Medizin. Dabei meinen PROs mehr als nur Lebensqualität. „PRO ist ein Überbegriff – nicht nur, aber auch Lebensqualität.“
Kaiser weiter: „Wir haben im Bereich Symptome der Erkrankung und im Bereich gesundheitsbezogene Lebensqualität praktisch keine Daten in der Diabetolologie aus den Studien.“ Hingegen: Unterzuckerungen „werden immer und überall untersucht“. Aber Symptome, Krankheitsanzeichen, die der Patient selbst wahrnimmt, werden nicht erwähnt – oder „nur in Zusammenhang mit Hypos“, so Kaiser.
Patienten sollen und müssen mehr einbezogen werden in die Gestaltung von Studien: „Für das Feststellen dessen, was Probleme von Menschen mit Diabetes sind, muss man selbstverständlich Patienten, Patientenvertreter einladen.“ Derzeit werden Guidelines der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA, Zulassungsbehörde) überarbeitet – Leitlinien für Klinische Untersuchungen/Studien von Medizinprodukten in der Behandlung oder Prävention des Diabetes mellitus.
„Ein Punkt war, dass Patientenvertretungen gesagt haben, dass der HbA1c möglicherweise nicht ausreichend ist, um einen Benefit zu zeigen. Sondern, so folgerte die Zulassungsbehörde, auch andere Dinge wie Symptome und Lebensqualität.“ Sollten die PROs in die endgültige Leitlinie eingehen, führt kein Weg vorbei an der Einbeziehung derselben – und damit der Patienten in frühen Stadien der Studienplanung.
Thomas Kaiser abschließend: „Wir brauchen die Perspektive der Patienten.“ Und: „Ohne die patientenberichteten Endpunkte gibt es nur ein unvollständiges Bild zum Nutzen und Schaden von Arzneimitteln.“
DJ: Muss man Patientenverbände vermehrt und früher einbeziehen in Studien?
Kaiser: Für das Feststellen dessen, was Probleme von Menschen mit Diabetes sind, muss man selbstverständlich Patienten, Patientenvertretungen einladen und einbeziehen.
DJ: Wer muss einladen?
Kaiser: Ich sehe das als ein Projekt, das man zum Beispiel im Rahmen dieser Nationalen Diabetes-Strategie machen könnte. Es ist zwar ein anspruchsvolles, aber ein nicht unrealistisches und zeitlich begrenztes Projekt. Man kann innerhalb eines Jahres ein solches Projekt glaube ich gut durchführen. Eine übergeordnete Organisation, das kann auch die Fachgesellschaft oder diabetesDE sein, kann die Leute zusammenbringen. Und selbstverständlich gehören an der Stelle Patienten dazu.
von Günter Nuber
Chefredakteur Diabetes-Journal,
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: 06131/96070-0, Fax: 06131/96070-90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen