- Soziales und Recht
Teststreifen – keine Obergrenze bei Insulintherapie
3 Minuten
Auch wenn immer mehr Menschen Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) bzw. zum “Scannen” des Zuckerwerts (FGM) benutzen: Die herkömmliche Blutzuckerselbstmessung ist aus der Diabetestherapie nicht wegzudenken. Problem: Patienten gehen häufig davon aus, dass sie Anspruch auf Verordnung einer bestimmten Teststreifenmenge hätten. Und Ärzte glauben oft, dass die Teststreifenverordnung gedeckelt sei.
Manchen Patienten reichen wenige Messungen am Tag, andere müssen sehr oft den Blutzucker messen, um Unterzuckerungen oder Gefahren zu erkennen; deshalb dürfen Patienten mit Insulintherapie Teststreifen in benötigter Anzahl auf Kassenrezept verordnet werden. Der Arzt ist hier nicht in der Verordnungsmenge beschränkt: Die Rechtslage ist eindeutig. Wenn Ihr Arzt die Teststreifen für notwendig hält, darf er sie verordnen. Es gibt keine Obergrenze für die Verordnung bei Insulintherapie.
Gesetzgeber erlaubt eine „ausreichende“ Versorgung
Keine Obergrenze bedeutet aber nicht, dass Patienten mit Insulintherapie einen Anspruch auf Verordnung einer bestimmten Teststreifenmenge haben. Auch muss der Arzt nicht die vom Patienten gewünschte Menge verordnen, im Gegenteil: Er ist gesetzlich verpflichtet (§ 12 SGB V), nur die Menge an Teststreifen zu verordnen, die aus medizinischer Sicht notwendig und zweckmäßig ist.
Der Gesetzgeber erlaubt auch nur eine “ausreichende” Versorgung – das ist nicht immer die Menge, die Patient oder Arzt für optimal befinden. Schließlich hat der Arzt auch das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten: Er muss bei der Verordnung prüfen, ob die Verordnungskosten in vernünftigem Verhältnis zum Therapiezweck stehen.
„Richtgrößen“ oder „Orientierungsrahmen“ sind für Ärzte nicht bindend
Unter Beachtung dieser Vorgaben hat der Arzt allein zu entscheiden, welche Teststreifenmenge aus seiner Sicht notwendig ist – diese Menge darf er dann verordnen. Die teils irrtümlich als Höchstmenge begriffenen “Richtgrößen” oder “Orientierungsrahmen” der Kassenärztlichen Vereinigungen sind für den Arzt nicht bindend; dabei handelt es sich nur um Orientierungswerte. Bleibt die Verordnung unterhalb der Grenze, dann wird jedoch automatisch angenommen, dass die verordnete Menge wirtschaftlich war.
Der Arzt darf im Rahmen seiner Therapiefreiheit aber diese ja nur für den Durchschnittsfall angesetzten Richtgrößen überschreiten. Er muss dann aber damit rechnen, dass er die verordnete Menge bei einer späteren Prüfung auch zu begründen hat. Umgekehrt gibt es keinen Anspruch des Patienten auf eine bestimmte Menge. Wenn der Arzt eine geringere Menge für notwendig hält, dann wird und darf er nicht mehr verordnen.
Der Arzt ist in einer unangenehmen Situation: Verordnet er zurückhaltend, dann ist der Patient unzufrieden. Verordnet er mehr Teststreifen als notwendig, dann haftet er womöglich mit seinem Privatvermögen.
Ohne Insulintherapie: bis zu 50 Streifen pro Behandlungssituation
Für Patienten mit Typ-2-Diabetes ohne Insulintherapie gilt durch die Arzneimittel-Richtlinie seit Jahren ein entsprechender Verordnungsausschluss: Die Verordnung von Teststreifen ist nur noch möglich, wenn eine instabile Stoffwechsellage vorliegt – hier darf der Arzt bis zu 50 Streifen pro Behandlungssituation verschreiben.
Tatsächlich sind mir Fälle bekannt, in denen Ärzte aufgrund der Verordnung von Teststreifen nun eine Nachforderung (Regress) erhielten: Sie sollten einige tausend Euro (pro Patient!) aus eigener Tasche bezahlen, weil sie nach Auffassung der Prüfgremien deutlich mehr Teststreifen als notwendig verordnet hätten. Auch wenn diese Ärzte in den meisten Fällen die Notwendigkeit der Verordnung belegen und den Regress am Ende abwenden konnten: Ärger und Zeitaufwand waren erheblich. Solche Fälle sind zum Glück selten.
Zu wenige Teststreifen aus übertriebener Angst vor Regress
Dennoch ist öfter zu beobachten, dass Patienten nicht die erforderliche Teststreifenmenge erhalten – aus übertriebener Angst vor einem solchen Regress … und selbst wenn Ärzte eine höhere Teststreifenmenge für notwendig halten. Begründet wird dies mit der irrigen Annahme, dass eine Überschreitung bestimmter Verordnungsmengen (in der Regel 400 Stück/Quartal) pauschal untersagt sei bzw. zu einem Regress führe.
Dies liegt wohl daran, dass die Informationen der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen oft missverständlich formuliert sind: Auch wenn dort zutreffend nur von “Richtgrößen” oder “Orientierungsrahmen” gesprochen wird – der Kontext suggeriert oft, dass es sich um zwingende Höchstmengen handelt. Tatsächlich braucht der Arzt keine Regresssforderungen zu fürchten, solange er die verordnete Teststreifenmenge gut begründen kann.
Oft machen Ärzte eine Teststreifenverordnung auch davon abhängig, dass der Patient eine schriftliche Erlaubnis der Krankenkasse für eine Verordnung vorlegt – eine solche kann man aber nicht bekommen, denn die Krankenkasse hat gar nichts zu entscheiden. Diese geben den Ball dann wieder zurück und verweisen zu Recht auf die uneingeschränkte Therapie- und Behandlungsfreiheit des Arztes.
Teststreifen auch bei CGM und FGM!
Ärzte berichteten mir, sie seien von Krankenkassen darauf hingewiesen worden, dass Patienten, die mit einem CGM-System oder FreeStyle Libre (FGM) versorgt sind, keine Teststreifen mehr verordnet werden dürften. Dies ist nicht richtig: Auch Patienten mit CGM benötigen Blutzuckerteststreifen; denn CGM-Systeme müssen meist regelmäßig kalibriert werden; und man muss immer damit rechnen, dass der Sensor mal ausfällt und/oder eine blutige Kontrollmessung erforderlich ist.
Auch bei Einsatz des FGM sind zusätzliche Messungen quasi unumgänglich. Denn nach den ausdrücklichen Vorgaben des Herstellers soll eine zusätzliche Prüfung der Glukosewerte mittels eines Blutzucker-Messgeräts in vielen Situationen erfolgen, z. B. bei sich schnell ändernden Glukosespiegeln, wenn das System eine Hypoglykämie oder eine anstehende Hypoglykämie anzeigt, oder wenn die Symptome nicht mit den Messwerten des Systems übereinstimmen.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (11) Seite 58-59
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 6 Tagen, 12 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike