- Soziales und Recht
Überarbeitung der Krankenhausreform: Gute Besserung!
3 Minuten
Die Klinik-Landschaft steht vor der Reform der Reform. Mit dem „Krankenhausreformanpassungsgesetz“ soll das von der Vorgänger-Regierung auf letzten Drücker verabschiedete neue Regelwerk mit einer Überarbeitung fit für die Praxis gemacht werden, ohne es zu verwässern. Wie genau das gehen soll, wird gerade verhandelt.
Immerhin, etwas Realismus hat Einzug gehalten in die Krankenhausreform: Um die Leistungsgruppe 002 „Komplexe Endokrinologie und Diabetologie“ für ein Krankenhaus zu beantragen, muss eine Klinik nicht mehr zwingend mindestens zwei Fachärzte für Endokrinologie/Diabetologie beschäftigen. Es reichen jetzt auch Fachärzte für Innere Medizin mit Zusatzweiterbildung Diabetologie. So steht es im Entwurf des Krankenhausreformanpassungsgesetzes (KHAG).
Hintergrund ist reine Mathematik. In ganz Deutschland arbeiten in Kliniken nur rund 160 Fachärzte für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie. Rechnerisch könnten von den immer noch fast 2.000 Krankenhäusern hierzulande also nur 80 diese Leistungsgruppe erreichen. Diabetologen mit Zusatzweiterbildungen nach den Anforderungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) oder der Landesärztekammern gibt es in Kliniken dagegen mit etwa 3.100 deutlich mehr.
Diese Zahlen rief Anfang November Prof. Dr. Andreas Fritsche auf der Herbst-Tagung der DDG in Mannheim in Erinnerung. Die Fachgesellschaft hatte mit diesem Argument während des Entstehens der Klinik-Reform wiederholt auf die Aufnahme der Zusatzweiterbildung in das Gesetz gedrängt.
Klinik-Versorgung
- 17.202.131 Krankenhaus-Behandlungen fanden 2023 in Deutschland statt.
- 93,56 Milliarden Euro zahlten die gesetzlichen Krankenkassen 2023 für Klink-Behandlungen – etwa 6500 pro Fall.
- 17 Prozent der Kliniken halten laut DDG eine ausreichend qualifizierte Diabetes-Kompetenz vor.
Die Freude, dass die wichtige Forderung der Diabetes-Experten nun endlich Eingang in die Reform gefunden hat, wurde von Dr. Christian Graf, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Klinischer Diabetes-Einrichtungen (BVKD), auf der Herbst-Tagung etwas getrübt: „Nach zwei Jahren Reform hat man mit viel Mühe und Not es gerade geschafft, größeren Schaden zu verhindern und dafür zu sorgen, dass wir weiterhin den Status quo haben. Das kann es aus meiner Sicht nicht sein – Reformen sollten Verbesserungen schaffen!“, so der hauptberuflich bei der Barmer Krankenkasse tätige Graf.
Ein Entwurf des KHAG wurde vom Gesundheitsministerium Ende Juli veröffentlicht. Anfang Oktober beschloss das Bundeskabinett das Gesetz zur Anpassung der Krankenhausreform. Damit leitete es den Weg in die parlamentarische Beratung ein. Das KHAG erfüllt einen im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung festgeschriebenen Auftrag. Es soll laut Gesundheitsministerin Nina Warken das von ihrem Vorgänger Karl Lauterbach initiierte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) praxistauglicher machen. Am Kern des Gesetzes – mehr Qualität, Spezialisierung und Effizienz – soll sich aber nichts ändern.
Zertifiziertes Diabetes-Wissen kann Leben retten
Die DDG fordert für die Krankenhausreform eine strukturierte Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern. Zudem den Schutz vulnerabler Gruppen wie Kinder oder mehrfach erkrankte Menschen und die Finanzierung der Versorgungs-Qualität. Bundesweit will sie den Standard „Klinik mit Diabetes im Blick DDG“ etablieren. Besonders in Gebieten ohne Universitäts-Medizin oder nahe gelegene Klinik mit der erwähnten Leistungsgruppe „Komplexe Diabetologie“.
Eine bundesweite Analyse der Abrechnungs-Statistik der Kliniken des Zeitraums 2021 bis 2023 zeigte signifikant bessere Ergebnisse in für ihre Diabeteskompetenz zertifizierten Häusern, obwohl in ihnen der Anteil an komplexen Fällen höher war. Für Fälle mit Typ-1-Diabetes als Haupt-Diagnose lag danach die Krankenhaus-Sterblichkeit bei 0,6 Prozent in den zertifizierten und bei 1,1 Prozent in den nicht zertifizierten Kliniken. Für die Hauptdiagnose Typ-2-Diabetes lagen die Zahlen mit 2,3 gegenüber 2,9 Prozent etwas näher beieinander.
Kompetenz kann man finden
Auf der Internetseite der DDG findet sich eine Übersicht aller von der Fachgesellschaft zertifizierten Kliniken:
Für die Analyse wurden stationäre Einrichtungen mit einem der Zertifikate „Diabetes Exzellenzzentrum DDG“, „Diabeteszentrum DDG“, „Klinik mit Diabetes im Blick DDG“ oder „Zertifizierte Fußbehandlungseinrichtung DDG“ in dieser Zeitperiode zusammengefasst. Diese wurden mit nicht zertifizierten Einrichtungen verglichen. Die Verteilung der Kliniken auf beide Gruppen deutet ein Problem an: DDG-zertifiziert waren 300 Häuser, die nicht zertifizierten waren mit 1.103 Häusern klar in der Mehrheit.
Detail-Arbeit im Bundestag
Auf der DDG-Herbst-Tagung zeigte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Simone Borchardt, sich ganz ausdrücklich gesprächsbereit in Sachen Krankenhausreform. Das KHAG stehe kurz vor dem Start der parlamentarischen Verhandlung, berichtete sie Anfang November. Es steht für sie fest, dass man dabei „an der einen oder anderen Stellschraube nochmal drehen muss“. Dafür brauche es die Rücksprache mit Betroffenen aus der Praxis.
Als einen strittigen Punkt nannte sie die Ausnahme-Fristen, die das Gesetz zum Übergang in die neue Struktur der Klinik-Landschaft vorsieht. Von drei Jahren ist im vom Kabinett verabschiedeten Entwurf die Rede, aus manchen Bundesländern werden sechs Jahre gefordert. Borchardt nannte als Ziel, realistische Fristen zu erreichen. Bei der Ambulantisierung von bisher stationär erbrachten Leistungen plädierte Borchardt für einfache Pauschal-Regelungen statt der derzeit vieldiskutierten Hybrid-DRGs, um bei dem Thema überhaupt einmal in Gang zu kommen. DRG steht für „Diagnosis-related Groups“.
Bei all diesen Details des Gesetzesvorhabens nannte Borchardt beim Kongress auch ein zentrales Ziel von Projekten wie der Klinik-Reform: die im deutschen Gesundheitssystem vorhandenen Ressourcen dort einzusetzen, wo sie für die Gesundheit der Menschen auch wirklich gebraucht werden. Neben ihrer Gesprächsbereitschaft erfreute die Anwesenden auch ihre klare Aussage in Bezug auf die Diabetologie: „Es kann nicht sein, dass wir mit der Krankenhausreform Strukturen kaputtmachen.“
von Marcus Sefrin
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (12) Seite 50-51
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