Viele Übergewichtige fühlen sich diskriminiert

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Viele Übergewichtige fühlen sich diskriminiert

Menschen mit starkem Übergewicht werden auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt diskriminiert. Das zeigen Studien aus den USA und Großbritannien. Nun wurden erstmals auch in Deutschland übergewichtige Menschen nach ihren Erfahrungen mit Diskriminierungen aufgrund ihres Körpergewichts befragt. Das Ergebnis: Je höher das Übergewicht, umso stärker erfahren die Betroffenen Diskriminierung. Die Leipziger Forscher folgern daraus, das auch rechtlicher Handlungsbedarf besteht.

Während bei Übergewicht nur 5,6 Prozent der 3000 Befragten von Diskriminierung berichten, sind es bei leichter bis mittlerer Adipositas 10 bis 18 Prozent. Der Wert schnellt dann nach oben: 38 Prozent der Menschen mit schwerer Adipositas und einem Body-Mass-Index über 40 haben Diskriminierung erfahren. Das ergab die repräsentative Befragung des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) AdipositasErkrankungen der Universität Leipzig

Vor allem übergewichtige Frauen sind betroffen

Die Zahlen beruhen auf den Selbstauskünften der Erhebungsteilnehmer auf die Frage, ob sie schon einmal Benachteiligung aufgrund ihres Körpergewichts erlebt haben. Dr. Claudia Luck-Sikorski, Leiterin der IFB-Forschungsgruppe “Stigmatisierung bei Adipositas”, unterstreicht, “dass in dieser Studie zum ersten Mal das Ausmaß gewichtsbedingter Diskriminierung in Deutschland deutlich wurde. Es handelt sich also nicht nur um ein Einzelphänomen, sondern betrifft vor allem Frauen mit höherem Gewicht. Während 7,6 Prozent der Männer mit Adipositas über gewichtsbedingte Diskriminierung berichten, ist dieser Wert bei Frauen mit 20,6 Prozent ungleich höher.”

Diskriminierung bedeutet Benachteiligung und Ausgrenzung

Diskriminierung geht deutlich über negative Einstellungen hinaus und beschreibt Situationen, in denen die Betroffenen aufgrund ihres Gewichts benachteiligt und ausgegrenzt werden. Ähnliche Prozentwerte zur Diskriminierung liegen in den Vereinigten Staaten vor. Dort gelten etwa 33 Prozent der Bevölkerung mit einem BMI über 30 als adipös; hierzulande sind es rund 23 Prozent. Weltweit nimmt Adipositas zu.

Soll Adipositas als Erkrankung anerkannt werden?

Diese Zahlen zeigen zum einen, wie wichtig Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Adipositas sind, und zum anderen, dass rechtlicher Handlungsbedarf besteht. Voraussetzung dafür wäre, Adipositas als ernstzunehmende Erkrankung zu definieren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO erkennt sie seit dem Jahr 2000 als chronische Erkrankung an; in den USA ist dies seit 2013 der Fall, in Deutschland definiert die Bundesärztekammer Adipositas lediglich als Risikofaktor für weitere Erkrankungen. Die Leipziger Forscherinnen kooperierten mit der Juristischen Fakultät der Universität Kopenhagen. Die dänische Rechtswissenschaftlerin Prof. Mette Hartlev erläutert: “Diskriminierung ist die Benachteiligung einer Gruppe von Menschen mit bestimmten Merkmalen. Dazu zählen zum Beispiel Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter oder Behinderung.

Die aktuelle Untersuchung zeigte nun für Deutschland, dass auch Adipositas dazu gehört. Ähnlich wie in den Bestrebungen zur rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau, Behinderten und Nicht-Behinderten, müssten wir heute über gesetzliche Regelungen für adipöse Menschen nachdenken”.

Übergewichtiger Tagesvater – ein Fall aus Dänemark

In Dänemark ist die Diskussion dazu bereits angestoßen durch den Fall eines adipösen Tagesvaters, der Kleinkinder betreute und dem nach 15-jähriger Tätigkeit gekündigt wurde. Er klagte dagegen, da er dies als Diskriminierung aufgrund seines Übergewichts empfand. Das dänische Gericht wendete sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Da es im EU-Recht kein Diskriminierungsverbot aufgrund von schwerer Adipositas gibt, müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Berufsausübung beeinträchtigt ist. Starke Adipositas könne im Einzelfall als Behinderung anerkannt werden, so der EuGH. Dann greift die EU-Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

Stimatisierung führt zu Diskriminierung

“Solche Fälle wie in Dänemark kommen auch in Deutschland vor. Sie sind aber nur die Spitze des Eisbergs”, betont Luck-Sikorski. “Das zugrundeliegende Problem ist die negative Meinung und ablehnende Haltung gegenüber Menschen mit Adipositas. Diese Stigmatisierung führt letztlich zu Diskriminierung. Ziel unserer Forschung ist, diese Phänomene besser zu verstehen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Wir sehen aber auch den Gesetzgeber in der Pflicht.”


Quelle: Pressemitteilung der Universität Leipzig

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