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Die deutschen Kliniken stehen ökonomisch unter Druck. Sie müssen in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Patienten behandeln, um wirtschaftlich rentabel zu sein. Das soll sich durch eine Finanzierungs-Reform ändern, verspricht Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. Die Medizin soll wieder in den Vordergrund rücken.
Die “größte Reform im Krankenhaussektor seit 20 Jahren” hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) angekündigt. Das Finanzierung-System der Kliniken soll anders organisiert werden, damit “wieder die Medizin in den Vordergrund gestellt wird”, so der Minister. Derzeit stünden bei der stationären Therapie zu oft wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund.
Konkret bezog sich Lauterbach damit auf das System der Fallpauschalen: Seit dieses Finanzierungs-Modell im Jahr 2004 verpflichtend eingeführt wurde, müssen Krankenhäuser möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit behandeln, um wirtschaftlich überleben zu können. Besondere Erfordernisse des Einzelfalls oder auch die Qualität der Therapie und Pflege spielen bei der Vergütung keine Rolle. An allen Kliniken werden einheitliche Sätze gezahlt, deren Höhe – anders als in der ambulanten Versorgung – ausschließlich von der Diagnose abhängig ist.
Das System der Fallpauschalen, an dessen Entwicklung der heutige Bundesgesundheitsminister selbst beteiligt war, sollte unter anderem unnötig lange und teure Krankenhaus-Aufenthalte verhindern. Es setzt durch die strikte Orientierung an der Ökonomie jedoch auch falsche Anreize, wie sich inzwischen immer deutlicher zeigt. So ist in manchen Kliniken trotz steigender Arbeitsbelastung die Anzahl der Mitarbeiter reduziert worden, um Gehälter einzusparen. Gleichzeitig nahm nach Einführung der Fallpauschalen die Anzahl an Hüft- und Knieoperationen bundesweit deutlich zu – derartige operative Eingriffe werden im System der Fallpauschalen besonders gut honoriert. Die sprechende Medizin hingegen lohnt sich kaum, lautet ein häufig geäußerter Vorwurf.
Mit der geplanten Reform soll sich das zumindest teilweise ändern. Die im vergangenen Mai eingesetzte Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat inzwischen Vorschläge gemacht, wie das System weiterentwickelt werden könnte. Eine komplette Abschaffung der Fallpauschalen steht allerdings nicht zur Debatte. Die drei wichtigsten Reformbausteine sind die Vergütung von Vorhalteleistungen, die Einteilung der Krankenhäuser in Versorgungsstufen und die Einführung definierter Leistungsgruppen.
Die Vergütung von Vorhalteleistungen soll die Kliniken weniger abhängig von Fallpauschalen machen. Die Regierungskommission schlägt vor, die Krankenhäuser mit einem Basisbudget für das Vorhalten von Personal und medizinischen Geräten auszustatten, damit sie besser für Notfälle gerüstet sind. Das soll unter anderem dabei helfen, die Existenz kleinerer Kliniken im ländlichen Raum zu sichern. In diesen Häusern werden verhältnismäßig wenige planbare Eingriffe durchgeführt.
Mit dem Einteilen in Versorgungsstufen wäre die Definition von Mindeststandards verbunden, die das jeweilige Krankenhaus vorhalten muss. Ein kleines Klinikum im ländlichen Raum etwa dient in der Regel der Grundversorgung – bei diesen Häusern wäre es besonders wichtig, dass sie enger mit ambulanten Arztpraxen zusammenarbeiten. Kliniken der Regel- und Schwerpunktversorgung bieten einige zusätzliche Leistungen an. Die Maximalversorgung sollen zum Beispiel die Universitätskliniken übernehmen.
Die Definition von Leistungsgruppen schließlich soll dazu führen, dass Krankenhäuser nur noch Behandlungen durchführen, für die sie tatsächlich ausgestattet sind. Ein Klinikum mit Kardiologie zum Beispiel müsste dann nachweisen, dass es über ein Katheter-Labor verfügt, um Herzinfarkt-Patienten behandeln zu können. Andernfalls kann diese Leistung nicht mehr abgerechnet werden.
Ob sich durch die geplanten Reformen auch in der Versorgung von Patienten mit Diabetes etwas ändert, ist derzeit noch völlig offen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) sieht die Vorschläge der Regierungskommission zwar grundsätzlich positiv. Die Einführung von Vorhaltepauschalen, um die finanzielle Grundausstattung der Krankenhäuser zu sichern, sei richtig und wichtig, betont DDG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Baptist Gallwitz. Die Diabetologie müsse jedoch unbedingt in die Leistungsgruppen der Kliniken aufgenommen werden, ergänzt der Sprecher der Fachgesellschaft. “Es kommen immer mehr Menschen mit Diabetes in die Krankenhäuser”, erklärt Gallwitz. Sie werden dort zwar meistens wegen anderer Erkrankungen behandelt. Für eine fachgerechte Versorgung sei es aber trotzdem notwendig, dass in den Kliniken auch Diabetologen und Diabetes-Fachpersonal arbeiten.
Eine engere Verzahnung der stationären und der ambulanten Versorgung sei für Menschen mit Diabetes besonders wichtig, ergänzt der Diabetologe. Zudem sei eine bessere Vergütung der sprechenden Medizin in den Krankenhäusern dringend nötig. Gallwitz gibt allerdings zu bedenken, dass die Umsetzung schwierig wird, wenn insgesamt nicht mehr Geld im Gesundheitssystem zur Verfügung steht.
Die DDG hat inzwischen ebenfalls Vorschläge zur Reform der Krankenhausfinanzierung gemacht. Da das bereits erwähnte Diabetes-Fachwissen nach Auffassung der Fachgesellschaft in allen Kliniken gebraucht wird, muss das Vorhalten des qualifizierten Fachpersonals finanziell belohnt und das Fehlen durch Abschläge sanktioniert werden, fordert die DDG in einer Pressemitteilung. “Die Leistungen von Diabetesberatern und Diabetesassistenten müssen bei der Berechnung der Pflegeuntergrenzen in die Kalkulation mit einfließen”, heißt es. Das gelte insbesondere bei Kindern und älteren Patienten mit Diabetes, da deren Betreuung zeitaufwendig ist. Die Ausgestaltung der Reformpläne mit den Bundesländern wird nun mit Spannung erwartet.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (2) Seite 44-45
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