Wie der Diabetes mir Augen und Türen öffnete

4 Minuten

Community-Beitrag
Wie der Diabetes mir Augen und Türen öffnete

„Werde doch Diabetesberaterin!“ Solche Sprüche durfte ich mir während meiner Schullaufbahn fast wöchentlich anhören. Aber das war so ziemlich das Letzte, was ich machen wollte. Eine Schulkameradin, die ebenfalls Typ-1-Diabetes hatte, versuchte sich öfters mit mir auszutauschen und fühlte sich dabei wahrscheinlich so, als würde sie mit einer Wand reden. Ich erstickte jedes Gespräch über Diabetes im Keim. Ich wollte nichts hören über Pumpen oder nicht über Diabetes und Alkohol sprechen. Ich wollte ihn nur trinken.

Reichte es nicht, dass mein Bruder und ich Diabetes hatten? Dass meine Eltern permanent versuchten, den Diabetes präsent zu halten? Muss ich jetzt auch noch meine berufliche Laufbahn danach ausrichten und mit jedem darüber reden? Der blanke Horror! Letztendlich beugte ich mich und machte mein Abitur auf einem beruflichen Gymnasium mit dem Schwerpunkt Ökotrophologie. Doch das bestärkte mich nur noch mehr. Auf keinen Fall mache ich meinen Diabetes zum Beruf und gestehe ihm noch mehr Lebensraum zu!

„Ich möchte etwas machen, bei dem ich schreiben kann.“

Quelle: Pexels

Ich wollte schreiben. Das wurde mir mit den Jahren immer mehr bewusst und wenn ich heute zurückblicke, dann schien ich diesen Weg schon seit der Grundschule unterbewusst eingeschlagen zu haben. Schon meine Grundschullehrerin erzählte meinen Eltern immer, wie gut ich schreiben kann. Dasselbe passierte auf der weiterführenden Schule. „Lisa konnte schon damals toll schreiben, das habe ich gleich gesehen!“ Seit der fünften Klasse war ich durchgehend in der Schülerzeitung, unsere Abizeitung schrieb und bastelte ich fast im Alleingang, machte alle Praktika bei Zeitungen und Verlagen und meine Lehrerin im Deutsch-Leistungskurs der Oberstufe war es tatsächlich auch, die mir ein Germanistikstudium vorschlug. Ab da stand dann endlich für mich fest: Ich studiere Germanistik. Eine andere Option wäre Journalistik gewesen, doch dafür fühlte ich mich nicht gut genug.

„Ich möchte einen Blog schreiben.“

Quelle: Pexels

Schon vor vielen Jahren wollte ich unbedingt einen eigenen Weblog schreiben. Meine zweite Leidenschaft, die Musik, sollte das Thema sein. Ich versuchte es zwei oder drei Mal, doch so richtig funktionieren wollte es einfach nicht.

Erst als ich 2013 durch eigenes Verschulden in ein ketoazidotisches Koma fiel, wurde mir bewusst, dass ich etwas in meinem Leben verändern muss. Der Diabetes musste präsenter werden. Jahrelang hatte ich krampfhaft versucht, ihn aus meinem Leben auszuschließen, doch das war gewaltig nach hinten losgegangen. Was hatte ich mir auch vorgestellt? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion kam mir dann die Idee, einen Diabetes-Blog zu schreiben. Damit könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich hätte endlich einen Blog, den ich mit Inhalten füttern könnte, und ich hätte außerdem einen Grund, mich endlich mal mit meinem Diabetes auseinanderzusetzen und ihn wieder in mein Leben zu lassen. Gesagt, getan. Um ehrlich zu sein, dachte ich damals tatsächlich, dass ich eine ganz tolle neue Idee hatte. Die hatte ich natürlich nicht, wie ich schnell bemerkte. Es gab schon einige Diabetes-Blogs, sogar eine ganze Community im Internet. Das war wie ein Eintauchen in eine andere Welt.

„Das Beste, was passieren konnte.“

Quelle: Pexels

Heute bin ich froh, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Ich kenne mich, ich bin ein sturer Bock und wenn ich nicht über Diabetes reden will, dann tue ich das auch nicht. Und wenn ich mich nicht um ihn kümmern will, dann passiert das auch nicht. Rückblickend bin ich mir sicher, dass ich den Tritt in den Hintern mit dem ketoazidotischen Koma gebraucht habe. Denn ohne das würde ich mit großer Wahrscheinlichkeit immer noch ohne Blutzuckermessgerät zu Hause sitzen und meinen Diabetes so gut es geht ignorieren – oder schlimmer.

Das Ganze ist mittlerweile 5 Jahre her und mein Leben hat sich komplett verändert. Nicht nur, dass ich endlich die richtige Balance zwischen Leben und Diabetes gefunden habe, ich weiß endlich, dass das Schreiben meine Zukunft ist – und der Diabetes auch. Es ist, als hätte ich meine Berufung gefunden. Meine Eltern hatten also von Anfang an Recht. Ich hätte etwas mit Diabetes machen sollen. Ich aber wollte schreiben. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich herausfand, dass man beides wunderbar vereinen kann. Zwar habe ich mein Studium noch nicht abgeschlossen, doch konnte ich mir in der Branche mit meinem Blog einen Namen machen, ich habe mich selbstständig gemacht und weiß heute definitiv: Das möchte ich weitermachen!

Ja, ich möchte meinen Diabetes zum Beruf machen und über ihn schreiben und das hat er mich selbst am Ende gelehrt. Meine Texte über Musik hatten nie denselben Wert wie meine Artikel über Diabetes, denn die wurden zu einer Herzensangelegenheit. Und wie schön ist es, sagen zu können, dass man sein Hobby zum Beruf gemacht hat? Es ist ein sehr schönes Gefühl!


Hielt dein Leben auch eine Diabetes-Chance bereit? Teile deine Geschichte in den sozialen Medien mit dem Hashtag #DiaChance und sichere dir damit einen Platz auf unserer Wall. (Das Ganze ist Teil des Monatsthemas “Diabetes als Chance – wie ich an meiner neuen Herausforderung gewachsen bin“)

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Zu viel Diabetes – geht das?

Nathalie erhielt während ihres Studiums die Typ-1-Diabetes-Diagnose und hat ihre persönliche Erfahrung zur Berufung gemacht. Über die Vor- und Nachteile dieser Kombination sowie ihre eigene Motivation schreibt sie in diesem Beitrag.

4 Minuten

Community-Beitrag

Beschäftigungsverbot bei Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes 

Nadja hat gerade die Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind hinter sich. Bereits relativ früh in der Schwangerschaft hat sie sich Gedanken zum Beschäftigungsverbot gemacht. Ihre Erfahrung erzählt sie euch hier. 

4 Minuten

Community-Beitrag

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände