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„Werde doch Diabetesberaterin!“ Solche Sprüche durfte ich mir während meiner Schullaufbahn fast wöchentlich anhören. Aber das war so ziemlich das Letzte, was ich machen wollte. Eine Schulkameradin, die ebenfalls Typ-1-Diabetes hatte, versuchte sich öfters mit mir auszutauschen und fühlte sich dabei wahrscheinlich so, als würde sie mit einer Wand reden. Ich erstickte jedes Gespräch über Diabetes im Keim. Ich wollte nichts hören über Pumpen oder nicht über Diabetes und Alkohol sprechen. Ich wollte ihn nur trinken.
Reichte es nicht, dass mein Bruder und ich Diabetes hatten? Dass meine Eltern permanent versuchten, den Diabetes präsent zu halten? Muss ich jetzt auch noch meine berufliche Laufbahn danach ausrichten und mit jedem darüber reden? Der blanke Horror! Letztendlich beugte ich mich und machte mein Abitur auf einem beruflichen Gymnasium mit dem Schwerpunkt Ökotrophologie. Doch das bestärkte mich nur noch mehr. Auf keinen Fall mache ich meinen Diabetes zum Beruf und gestehe ihm noch mehr Lebensraum zu!
Ich wollte schreiben. Das wurde mir mit den Jahren immer mehr bewusst und wenn ich heute zurückblicke, dann schien ich diesen Weg schon seit der Grundschule unterbewusst eingeschlagen zu haben. Schon meine Grundschullehrerin erzählte meinen Eltern immer, wie gut ich schreiben kann. Dasselbe passierte auf der weiterführenden Schule. „Lisa konnte schon damals toll schreiben, das habe ich gleich gesehen!“ Seit der fünften Klasse war ich durchgehend in der Schülerzeitung, unsere Abizeitung schrieb und bastelte ich fast im Alleingang, machte alle Praktika bei Zeitungen und Verlagen und meine Lehrerin im Deutsch-Leistungskurs der Oberstufe war es tatsächlich auch, die mir ein Germanistikstudium vorschlug. Ab da stand dann endlich für mich fest: Ich studiere Germanistik. Eine andere Option wäre Journalistik gewesen, doch dafür fühlte ich mich nicht gut genug.
Schon vor vielen Jahren wollte ich unbedingt einen eigenen Weblog schreiben. Meine zweite Leidenschaft, die Musik, sollte das Thema sein. Ich versuchte es zwei oder drei Mal, doch so richtig funktionieren wollte es einfach nicht.
Erst als ich 2013 durch eigenes Verschulden in ein ketoazidotisches Koma fiel, wurde mir bewusst, dass ich etwas in meinem Leben verändern muss. Der Diabetes musste präsenter werden. Jahrelang hatte ich krampfhaft versucht, ihn aus meinem Leben auszuschließen, doch das war gewaltig nach hinten losgegangen. Was hatte ich mir auch vorgestellt? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion kam mir dann die Idee, einen Diabetes-Blog zu schreiben. Damit könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich hätte endlich einen Blog, den ich mit Inhalten füttern könnte, und ich hätte außerdem einen Grund, mich endlich mal mit meinem Diabetes auseinanderzusetzen und ihn wieder in mein Leben zu lassen. Gesagt, getan. Um ehrlich zu sein, dachte ich damals tatsächlich, dass ich eine ganz tolle neue Idee hatte. Die hatte ich natürlich nicht, wie ich schnell bemerkte. Es gab schon einige Diabetes-Blogs, sogar eine ganze Community im Internet. Das war wie ein Eintauchen in eine andere Welt.
Heute bin ich froh, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Ich kenne mich, ich bin ein sturer Bock und wenn ich nicht über Diabetes reden will, dann tue ich das auch nicht. Und wenn ich mich nicht um ihn kümmern will, dann passiert das auch nicht. Rückblickend bin ich mir sicher, dass ich den Tritt in den Hintern mit dem ketoazidotischen Koma gebraucht habe. Denn ohne das würde ich mit großer Wahrscheinlichkeit immer noch ohne Blutzuckermessgerät zu Hause sitzen und meinen Diabetes so gut es geht ignorieren – oder schlimmer.
Das Ganze ist mittlerweile 5 Jahre her und mein Leben hat sich komplett verändert. Nicht nur, dass ich endlich die richtige Balance zwischen Leben und Diabetes gefunden habe, ich weiß endlich, dass das Schreiben meine Zukunft ist – und der Diabetes auch. Es ist, als hätte ich meine Berufung gefunden. Meine Eltern hatten also von Anfang an Recht. Ich hätte etwas mit Diabetes machen sollen. Ich aber wollte schreiben. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich herausfand, dass man beides wunderbar vereinen kann. Zwar habe ich mein Studium noch nicht abgeschlossen, doch konnte ich mir in der Branche mit meinem Blog einen Namen machen, ich habe mich selbstständig gemacht und weiß heute definitiv: Das möchte ich weitermachen!
Ja, ich möchte meinen Diabetes zum Beruf machen und über ihn schreiben und das hat er mich selbst am Ende gelehrt. Meine Texte über Musik hatten nie denselben Wert wie meine Artikel über Diabetes, denn die wurden zu einer Herzensangelegenheit. Und wie schön ist es, sagen zu können, dass man sein Hobby zum Beruf gemacht hat? Es ist ein sehr schönes Gefühl!
Hielt dein Leben auch eine Diabetes-Chance bereit? Teile deine Geschichte in den sozialen Medien mit dem Hashtag #DiaChance und sichere dir damit einen Platz auf unserer Wall. (Das Ganze ist Teil des Monatsthemas “Diabetes als Chance – wie ich an meiner neuen Herausforderung gewachsen bin“)
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