Wie ist die rechtliche Situation für Diabetes-Patienten?

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© Robert Kneschke - AdobeStock
Wie ist die rechtliche Situation für Diabetes-Patienten?

Das Corona-Virus beeinträchtigt noch immer das Leben im Land, die Einschränkungen führen auch im Arbeitsleben und im sozialen Alltag weiter zu Belastungen. Im Mai hat Redaktionsmitglied Oliver Ebert schon einige Antworten auf wichtige rechtliche Fragen gegeben, die sich Diabetes-Patienten stellen. Hier greift er weitere drängende Fragen von Leserinnen und Lesern auf (Stand 12. Mai 2020).


Mein Sohn ist Diabetiker Typ 1. Sein Arbeitgeber trifft keine Vorkehrungen zum Schutz vor Corona. Abstand halten ist in den Büros nicht möglich. Welche Möglichkeiten hat mein Sohn als Risikopatient, sich zu schützen? Auf Anfragen wird vom Arbeitgeber nicht reagiert.

Oliver Ebert: Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass Erkrankungsrisiken und Gesundheitsgefahren im Betrieb so gering wie möglich bleiben. Er hat gegenüber seinen Beschäftigten eine Schutz- und Fürsorgepflicht, die sich u. a. aus § 3 ArbSchG ergibt. Was genau zu tun ist, hängt von der Art und Größe des Betriebs ab: Man muss also im Einzelfall prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind.

Stehen beispielsweise – wie hier – keine ausreichend großen Räumlichkeiten zur Verfügung, um die Abstandsregeln einhalten zu können, dann könnte über eine Änderung der Arbeitszeiten nachgedacht werden, beispielsweise dass in unterschiedlichen Schichten gearbeitet wird, sodass weniger Beschäftigte gleichzeitig im Büro anwesend sind. Auch eine Ausstattung mit Schutzmasken oder die Anbringung von Plexiglasscheiben als Spuck-/Spritzschutz könnte in Frage kommen.

Wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, dann hat der Arbeitgeber mit diesem schnell die erforderlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu vereinbaren. Der Arbeitgeber muss aber auch in kleineren Betrieben die Beschwerden von Arbeitnehmern ernst nehmen: Gemäß § 81 Abs. 3 BetrVG müssen Arbeitnehmer zu Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit angehört werden.

Auch kann man sich als Arbeitnehmer gemäß § 17 (2) ArbSchG beschweren, wenn der Arbeitsschutz nicht gewährleistet ist. Reagiert der Arbeitgeber trotzdem nicht, dann können sich die Beschäftigten – auch anonym – an die zuständige Behörde wenden, also an das Gewerbeaufsichtsamt oder das Amt für Arbeitsschutz.



Unsere Kita ist geschlossen, und ich habe als alleinerziehende Mutter niemanden, der zu Hause auf mein Kind mit Diabetes aufpasst. Bislang habe ich bezahlten Urlaub genommen bzw. Sonderurlaub erhalten. Nun möchte mein Arbeitgeber mich aber nicht länger bezahlt freistellen, sondern mir nur noch unbezahlten Urlaub geben. Bekomme ich den Verdienstausfall ersetzt?

Oliver Ebert: Der Arbeitgeber ist nur unter engen Voraussetzungen zu einer Lohnfortzahlung verpflichtet. Gemäß § 616 BGB besteht ein solcher Lohnfortzahlungsanspruch nämlich nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche“ Zeit. Ein Ausfall über mehrere Wochen oder gar Monate dürfte davon daher wahrscheinlich nicht umfasst sein.

Unter Umständen kann man in solchen Fällen vom Staat Entschädigung für den Verdienstausfall erhalten, wenn man als Eltern wegen der behördlichen Kita- und Schulschließungen nicht arbeiten kann. Geregelt ist dies in der neuen Vorschrift des § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz: Die Entschädigung beträgt 67 % des Nettoeinkommens und wird für bis zu sechs Wochen gewährt; allerdings ist der Betrag auf maximal 2 016 Euro pro Monat begrenzt.

Die Auszahlung übernimmt der Arbeitgeber, der bei den zuständigen Behörden einen entsprechenden Erstattungsantrag stellen kann. Die Regelung gilt allerdings nur für die Zeiten, in denen die Einrichtung außerplanmäßig wegen des Corona-Virus geschlossen ist. Während der üblichen Ferienzeiten gibt es daher keine Entschädigung. Momentan ist die Regelung noch bis Ende 2020 befristet.

Voraussetzung ist, dass man das Kind aufgrund der Schließung selbst betreuen muss und daher der beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann. Auch muss plausibel dargelegt werden, dass keine Möglichkeit einer zumutbaren, anderweitigen Betreuung (z. B. durch den anderen Elternteil oder die Notbetreuung in den Einrichtungen) besteht. Auf eine mögliche Betreuung durch die Großeltern darf man allerdings nicht verwiesen werden, denn diese zählen in der Regel zu einer selbst besonders gefährdeten Risikogruppe.

Die Entschädigung setzt weiterhin voraus, dass man ein Kind bis zum 12. Lebensjahr oder ein Kind mit Behinderungen betreut. Bei Kindern mit Diabetes gilt daher eine Besonderheit: Diabetes ist eine chronische Krankheit und zählt als Behinderung. Es besteht daher die Möglichkeit, dass man auch für ältere Kinder noch die Entschädigung bekommt. Voraussetzung ist aber natürlich, dass das Kind nicht allein klarkommt und auf Hilfe angewiesen ist.



Menschen mit Diabetes gelten als besondere Risikogruppe. Wir haben daher Sorge, dass unser Kind mit Diabetes zu Hause bleiben muss, wenn die Schulen wieder öffnen.

Oliver Ebert: Das Robert Koch-Institut (RKI) vertritt bislang leider noch immer die Auffassung, dass Menschen mit Diabetes generell zu einer besonders gefährdeten Risikogruppe zählen. Allerdings dürfte das so pauschal nicht zutreffen: Menschen mit einem gut eingestellten Diabetes mellitus erkranken nicht häufiger an COVID-19 als die Durchschnittsbevölkerung.

Zwar gibt es Hinweise darauf, dass der Krankheitsverlauf bei dieser Patientengruppe schwerer sein kann, doch die meisten an COVID-19 Verstorbenen mit Diabetes waren hochbetagt und hatten weitere Erkrankungen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) weist daher ausdrücklich darauf hin, dass bislang keine medizinischen Daten vorliegen, die einen Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben allein aufgrund einer Diabetes-Erkrankung rechtfertigen bzw. notwendig machen würden.

Falls Schule oder Kindergarten hier dennoch Bedenken haben, können möglicherweise die Informationsmaterialien helfen, die vom Ausschuss Soziales der DDG bzw. der AGPD erstellt wurden.


Autor:

Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart, Balingen
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (6) Seite 50-51

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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