- Soziales und Recht
CGM: Anspruch auch wegen Alarm vor Hypos
3 Minuten
Die Kosten für die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) sind seit 2016 von den Kassen zu tragen, wenn der Diabetespatient seine Therapieziele nicht mit anderen Mitteln erreicht. Ein aktuelles Urteil stellt jetzt klar: Diabetiker haben auch Anspruch auf ein CGM, damit es sie vor Unterzuckerungen warnt.
CGM-Systeme nutzen Diabetiker, die auf eine intensivierte Insulintherapie (Pentherapie) oder eine Insulinpumpen-Therapie eingestellt sind. Die Kosten für die kontinuierliche Glukosemessung übernehmen inzwischen die Kassen, wenn die Therapieziele nicht erreichen werden und/oder der Patient Unterzuckerungen nicht mehr rechtzeitig wahrnimmt.
Häufig werden CGM-Geräte, sog. Echtzeit-Systeme (rtCGM), von Diabetikern benötigt, um sie vor drohenden Unterzuckerungen zu waren. Besonders hilfreich: Die Patienten können so rechtzeitig auf die Hypoglykämie reagieren und potenziell lebensbedrohliche Situationen vermeiden.
Die Erfahrung zeigt allerdings: Kassen lehnen oftmals ausgerechnet in solchen Fällen die Kostenübernahme ab. Das Argument: Nur die Alarmierung allein führe nicht zur Therapieverbesserung.
Sozialgericht: Kasse muss zahlen!
Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Nürnberg (SG Nürnberg v. 26.01.17, Az. S 11 KR 138/13) macht deutlich: Hier muss die Krankenkasse ebenfalls zahlen. Denn auch und gerade wegen der Alarmfunktion kann ein CGM nötig sein. Nach Ansicht des Sozialgerichts diene es dazu, eine Verschlimmerung der Krankheit zu verhindern, eine Behinderung auszugleichen und den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Genau dies sei allerdings Leistungspflicht der Krankenkasse.
Geklagt hatte ein Typ-1-Diabetiker, der gesetzlich krankenversichert ist. Zu dem Rechtsstreit kam es, weil sich seine Kasse weigerte, dem Diabetespatienten ein kontinuierliches Glukosemonitoring-System (DexCom G 4 bzw. G 5 ) neben dem erforderlichen Zubehör sowie dem notwendigen, laufenden Verbrauchsmaterial (jeweils als Sachleistung) zu bezahlen. Der behandelnde Diabetologe beantragte für den Diabetiker die Kostenübernahme für ein “Dexcom G 4 Standalone-System zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung”.
Der Grund: In der Vergangenheit hatte der Patient mehrere schwere Hypos erlitten. Auch eine engmaschige Blutzuckerselbstkontrolle konnte dieses Problem nicht lösen: In kurzer Zeit kam es vermehrt zu unvorhergesehenen und fremdhilfebedürftigen Hypoglykämien, die Notarzteinsätze erforderlich machten. Auch Schulungen und ein Unterzuckerungswahrnehmungstraining brachten keinen Erfolg.
Nach Ansicht des behandelnden Diabetologen sei in diesem Fall ein CGM-System erforderlich, um eine Stabilisierung der Stoffwechsellage zu erreichen und nächtliche Hypoglykämien durch die integrierte Alarmfunktion zu vermeiden.
Patient nimmt Hypos schlecht wahr
Ein weiterer Punkt, der für die kontinuierliche Glukosemessung bei diesem Patienten spricht: Der Typ-1-Diabetiker hat nicht nur eine unzureichende Unterzuckerungswahrnehmung, sondern auch schon diabetische Folgeerkrankungen am Auge (Retinopathie).
Die Kasse bestand dennoch darauf, dass es der Typ-1-Diabetiker zunächst mit noch weiteren Schulungen oder einem Hypowahrnehmungstraining versuchen sollte. Solche Unterzuckerungen könnten meist auch durch eine Therapieumstellung verhindert werden, erklärte die Krankenkasse – und ging sogar noch weiter: Sie verlangte von dem Diabetespatienten, dass er, statt ein CGM-System zu nutzen, einfach höhere Blutzuckerwerte (und damit mögliche diabetische Folgeschäden) in Kauf nehmen solle.
So seien ja dann keine Unterzuckerungen mehr möglich, argumentierte die Kasse. Vor dem Sozialgericht kam sie damit nicht durch: Dieser Vorschlag widerspreche “in eklatanter Weise der Verpflichtung der Beklagten eine Krankheit bzw. deren Verschlimmerung zu verhüten”, erklärte es.
Sowohl aus sozialmedizinischer als auch aus allgemeinärztlicher Sicht sei es “nicht nachvollziehbar, erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf zu nehmen mit der Konsequenz der früher einsetzenden Blindheit des Klägers, bei jetzt schon diabetisch vorgeschädigten Augen.” Das beantragte CGM sei allein schon erforderlich, um “den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern”.
Drohende Behinderung
Zudem sei die Versorgung mit einem solchen Gerät medizinisch erforderlich, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, betone das Gericht: Die Hypoglykämiewahrnehmungsstörung des Diabetikers sei eine Behinderung.
Bei Epilepsie oder Inkontinenz sind z.B. reine Alarmsysteme als Hilfsmittel zugelassen. Auch bei schweren Hypos komme es zu einem Bewusstseinsverlust, der mit der Epilepsie vergleichbar sei. Da die Alarmfunktion des CGM die Patienten akustisch vor Unter- und Überzuckerungen warnt, beuge sie einer drohenden Behinderung vor: Dem Bewusstseinsverlust bei schweren Unterzuckerungen und den damit verbundenen direkten und unmittelbaren Folgen, die für den Typ-1-Diabetiker lebensbedrohlich sein könnten.
Darüber hinaus gleiche die CGM die Behinderung “Hypoglykämiewahrnehmungsstörung” aus, heißt es weiter. Letztlich sei das System medizinisch notwendig, weil es keine geeignete und genauso wirksame Alternative gebe: Auch wenn sich der Patient mit konventioneller Blutzuckermessung noch so oft messen würde, könne z.B. eine Absicherung während der Nacht nicht erfolgen. Außerdem beeinträchtigten die genannten Behinderungen seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Deutliches Urteil
Das Sozialgericht verpflichtete die Kasse deshalb dazu, dem Typ-1-Diabetiker ein kontinuierliches Glukosemonitoring-System (Dexcom G4 bzw. G5 Starterset), das erforderliche Zubehör sowie das notwendige laufende Verbrauchsmaterial zu bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt also abzuwarten, ob die Krankenkasse in Berufung geht und das Landessozialgericht erneut entscheiden muss.
Diabetesexperten gehen jedoch davon aus, dass die deutliche Urteilsbegründung nun auch anderen Patienten helfen kann, deren Kassen sich bei der Kostenübernahme eines CGM derzeit noch schwertun.
Redaktion Diabetes
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-online.de
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (5) Seite 6-7
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig