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Die Kosten für die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) sind seit 2016 von den Kassen zu tragen, wenn der Diabetespatient seine Therapieziele nicht mit anderen Mitteln erreicht. Ein aktuelles Urteil stellt jetzt klar: Diabetiker haben auch Anspruch auf ein CGM, damit es sie vor Unterzuckerungen warnt.
CGM-Systeme nutzen Diabetiker, die auf eine intensivierte Insulintherapie (Pentherapie) oder eine Insulinpumpen-Therapie eingestellt sind. Die Kosten für die kontinuierliche Glukosemessung übernehmen inzwischen die Kassen, wenn die Therapieziele nicht erreichen werden und/oder der Patient Unterzuckerungen nicht mehr rechtzeitig wahrnimmt.
Häufig werden CGM-Geräte, sog. Echtzeit-Systeme (rtCGM), von Diabetikern benötigt, um sie vor drohenden Unterzuckerungen zu waren. Besonders hilfreich: Die Patienten können so rechtzeitig auf die Hypoglykämie reagieren und potenziell lebensbedrohliche Situationen vermeiden.
Die Erfahrung zeigt allerdings: Kassen lehnen oftmals ausgerechnet in solchen Fällen die Kostenübernahme ab. Das Argument: Nur die Alarmierung allein führe nicht zur Therapieverbesserung.
Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Nürnberg (SG Nürnberg v. 26.01.17, Az. S 11 KR 138/13) macht deutlich: Hier muss die Krankenkasse ebenfalls zahlen. Denn auch und gerade wegen der Alarmfunktion kann ein CGM nötig sein. Nach Ansicht des Sozialgerichts diene es dazu, eine Verschlimmerung der Krankheit zu verhindern, eine Behinderung auszugleichen und den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Genau dies sei allerdings Leistungspflicht der Krankenkasse.
Geklagt hatte ein Typ-1-Diabetiker, der gesetzlich krankenversichert ist. Zu dem Rechtsstreit kam es, weil sich seine Kasse weigerte, dem Diabetespatienten ein kontinuierliches Glukosemonitoring-System (DexCom G 4 bzw. G 5 ) neben dem erforderlichen Zubehör sowie dem notwendigen, laufenden Verbrauchsmaterial (jeweils als Sachleistung) zu bezahlen. Der behandelnde Diabetologe beantragte für den Diabetiker die Kostenübernahme für ein “Dexcom G 4 Standalone-System zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung”.
Der Grund: In der Vergangenheit hatte der Patient mehrere schwere Hypos erlitten. Auch eine engmaschige Blutzuckerselbstkontrolle konnte dieses Problem nicht lösen: In kurzer Zeit kam es vermehrt zu unvorhergesehenen und fremdhilfebedürftigen Hypoglykämien, die Notarzteinsätze erforderlich machten. Auch Schulungen und ein Unterzuckerungswahrnehmungstraining brachten keinen Erfolg.
Nach Ansicht des behandelnden Diabetologen sei in diesem Fall ein CGM-System erforderlich, um eine Stabilisierung der Stoffwechsellage zu erreichen und nächtliche Hypoglykämien durch die integrierte Alarmfunktion zu vermeiden.
Ein weiterer Punkt, der für die kontinuierliche Glukosemessung bei diesem Patienten spricht: Der Typ-1-Diabetiker hat nicht nur eine unzureichende Unterzuckerungswahrnehmung, sondern auch schon diabetische Folgeerkrankungen am Auge (Retinopathie).
Die Kasse bestand dennoch darauf, dass es der Typ-1-Diabetiker zunächst mit noch weiteren Schulungen oder einem Hypowahrnehmungstraining versuchen sollte. Solche Unterzuckerungen könnten meist auch durch eine Therapieumstellung verhindert werden, erklärte die Krankenkasse – und ging sogar noch weiter: Sie verlangte von dem Diabetespatienten, dass er, statt ein CGM-System zu nutzen, einfach höhere Blutzuckerwerte (und damit mögliche diabetische Folgeschäden) in Kauf nehmen solle.
So seien ja dann keine Unterzuckerungen mehr möglich, argumentierte die Kasse. Vor dem Sozialgericht kam sie damit nicht durch: Dieser Vorschlag widerspreche “in eklatanter Weise der Verpflichtung der Beklagten eine Krankheit bzw. deren Verschlimmerung zu verhüten”, erklärte es.
Sowohl aus sozialmedizinischer als auch aus allgemeinärztlicher Sicht sei es “nicht nachvollziehbar, erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf zu nehmen mit der Konsequenz der früher einsetzenden Blindheit des Klägers, bei jetzt schon diabetisch vorgeschädigten Augen.” Das beantragte CGM sei allein schon erforderlich, um “den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern”.
Zudem sei die Versorgung mit einem solchen Gerät medizinisch erforderlich, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, betone das Gericht: Die Hypoglykämiewahrnehmungsstörung des Diabetikers sei eine Behinderung.
Bei Epilepsie oder Inkontinenz sind z.B. reine Alarmsysteme als Hilfsmittel zugelassen. Auch bei schweren Hypos komme es zu einem Bewusstseinsverlust, der mit der Epilepsie vergleichbar sei. Da die Alarmfunktion des CGM die Patienten akustisch vor Unter- und Überzuckerungen warnt, beuge sie einer drohenden Behinderung vor: Dem Bewusstseinsverlust bei schweren Unterzuckerungen und den damit verbundenen direkten und unmittelbaren Folgen, die für den Typ-1-Diabetiker lebensbedrohlich sein könnten.
Darüber hinaus gleiche die CGM die Behinderung “Hypoglykämiewahrnehmungsstörung” aus, heißt es weiter. Letztlich sei das System medizinisch notwendig, weil es keine geeignete und genauso wirksame Alternative gebe: Auch wenn sich der Patient mit konventioneller Blutzuckermessung noch so oft messen würde, könne z.B. eine Absicherung während der Nacht nicht erfolgen. Außerdem beeinträchtigten die genannten Behinderungen seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Das Sozialgericht verpflichtete die Kasse deshalb dazu, dem Typ-1-Diabetiker ein kontinuierliches Glukosemonitoring-System (Dexcom G4 bzw. G5 Starterset), das erforderliche Zubehör sowie das notwendige laufende Verbrauchsmaterial zu bezahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt also abzuwarten, ob die Krankenkasse in Berufung geht und das Landessozialgericht erneut entscheiden muss.
Diabetesexperten gehen jedoch davon aus, dass die deutliche Urteilsbegründung nun auch anderen Patienten helfen kann, deren Kassen sich bei der Kostenübernahme eines CGM derzeit noch schwertun.
Redaktion Diabetes
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (5) Seite 6-7
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