- Technik
Die Stechhilfe – das unbekannte Wesen
3 Minuten
Die Stechhilfe, die jeder Mensch mit Diabetes braucht, um einen Blutstropfen für die Blutzuckermessung zu gewinnen, ist ein Stiefkind der Wissenschaft: Es gibt kaum Studien zu diesem kleinen und doch so wichtigen Gerät. Warum ist das so? Und was können Nutzer tun, um Schmerzen beim Einstechen der Lanzette zu vermeiden?
1. Die Blutzuckermessung per se ist schmerzfrei
Diese Aussage stimmt, denn es ist die Gewinnung des Blutstropfens, der für diese Messung benötigt wird, der schmerzt. Stechhilfen sollen die Lanzette bei der Auslösung so in die Haut “einschießen”, dass ein minimales Loch gestochen wird, aus dem ein ausreichend großer Blutstropfen austritt. Diese Bewegung muss gut kontrolliert ablaufen, um den Einstichschmerz zu minimieren. Die Gestaltung der Nadelspitze, die Politur der Nadeloberfläche und die Minimierung von Vibrationen beim Einstich sind entscheidende Faktoren, um den Schmerz zu reduzieren.
Eigentlich sollte die Stechhilfe (= die Lanzette) von den Patienten regelmäßig gewechselt werden, um ein Abstumpfen der Nadel und ein dadurch verstärkter Schmerz beim Einstechen zu vermeiden.
Dieser Wechsel verlangt allerdings bei vielen Stechhilfen gewisse Handhabungsfähigkeiten und ist zudem zeitaufwendig, von den Kosten ganz zu schweigen.
Viele Patienten werden wohl in die Auswahl der Stechhilfe nicht eingebunden, sie bekommen eine in die Hand gedrückt oder sie verwenden diejenige, die dem Messsystem beigepackt ist.
Dies bedeutet auch, sie bekommen die Stechhilfen ohne gründliche Einführung und Schulung in der optimalen Nutzung.
Im Rahmen des 14. Diabetes Technology Meeting in Washington wurden bei einem Workshop eine Reihe von interessanten Vorträgen zu kritischen Aspekten bei Geräten gehalten, die für die Diagnose und Therapie bei Diabetes von Belang sind. Die Diskussion zu dem Thema Stechhilfen fasst Professor Dr. Lutz Heinemann in diesem Artikel für die Zeitschrift Diabetes Congress Report zusammen. Professor Heinemann ist der Gründer von „Profil – Institut für Stoffwechselforschung“ und einer der Herausgeber von „Diabetes Congress Report“.
Übrigens: Noch mehr Artikel aus „Diabetes Congress Report“ finden alle, die beruflich mit Diabetes zu tun haben (medizinische Fachkreise mit Berufsnachweis), auf www.diabetologie-online.de.
2. Stechhilfen – ein (akademisches) Mauerblümchen
Der Stich in den Finger macht das Blutglukosemessen zu einer ungeliebten Prozedur. Dies ist ein Hauptgrund dafür (neben den Kosten), warum Patienten dazu tendieren ihren aktuellen Blutzuckerwert weniger häufig zu messen, als sie sollten.
Diese reduzierte Messfrequenz führt nachgewiesenermaßen zu einer schlechteren Stoffwechselkontrolle und damit zu höheren Kosten für die Behandlung von diabetesbedingten Langzeitfolgen.
Im Gegensatz dazu, wie störend die Patienten das Stechen empfinden (deutlich mehr als die Insulinapplikation, diese ist durch die modernen Nadeln praktisch schmerzfrei), gibt es kaum wissenschaftliche Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Eine Literaturrecherche ergab nur 26 (!) Zitate; dabei werden in den meisten Publikationen keine Studiendaten berichtet, viele Publikationen sind Kommentare oder berichten Ergebnisse von Tierstudien. Nur drei Publikationen berichten Ergebnisse von klinischen Studien aus den letzten fünf Jahren. Die geringe Aufmerksamkeit in der akademischen Welt steht in deutlichem Kontrast zu der Aufmerksamkeit, die Stechhilfen z. B. in Patientenblogs im Internet bekommen; dort werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen verfügbaren Stechhilfen eifrig diskutiert.
- Beate Kerber erklärt die richtige Handhabung der Stechhilfe und verrät ihre Geheimnisse für streichelzarte Hände ohne Hornhaut.
- Annika Hubrich hat viele Messgeräte getestet – und natürlich auch die dazugehörigen Stechhilfen. Nachzulesen ist das in Teil 1, Teil 2 und Teil 3.
3. Warum gibt es bei Stechhilfen wenig Entwicklung?
Für die Hersteller stellen Stechhilfen einen relativ kleinen und nicht bedeutsamen Markt dar, daher wird relativ wenig in Neuentwicklungen investiert.
Das Interesse der Patienten an einer schmerzfreien Gewinnung des Blutstropfens bleibt dabei eher hintenan.
Dabei hat sich in den Unternehmen ein beträchtliches Know-how zum Thema akkumuliert, d. h. die Faktoren, welche für die Entstehung des Schmerzes beim Durchstehen der Haut von Bedeutung sind und wie diese optimalerweise reduziert werden können, sind wohlbekannt.
4. Schmerzfreie Blutgewinnung – eine Zusammenfassung
Durch die Verwendung von geeigneten Stechhilfen in einer optimalen Art und Weise kann der Schmerz bei der Gewinnung des Bluttropfens deutlich reduziert werden.
Viele Patienten könnten den Schmerz schon dadurch deutlich reduzieren, wenn sie eine geringere Einstichtiefe wählen würden.
Die von modernen Messsystemen benötigte Blutmenge ist ja deutlich geringer als früher, d. h., es reicht ein recht kleiner Blutstropfen für eine erfolgreiche Glukosemessung. Im Sinne der Patienten sollte dem Thema Stechhilfen eigentlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ob und in welchem Ausmaß wir eine technische Weiterentwicklung bei den Stechhilfen sehen werden, bleibt abzuwarten; interessant sind die Ansätze, die ohne Stechhilfen auskommen.
- Stechhilfen sind ein für Patienten sehr relevantes Thema – sie stört der Einstichschmerz.
- Die Faktoren, die es zu kontrollieren gilt, um den Schmerz zu reduzieren, sind gut bekannt.
- Schmerzfreie Blutgewinnung ist im Prinzip möglich, verlangt aber aufwendige Geräte.
- Markt für Stechhilfen ist vergleichsweise klein und das akademische Interesse gering.
- Wenig aktuelle Entwicklungen mit Chancen auf Annahme im Markt.
- Andere Ansätze reduzieren den Bedarf an guten Stechhilfen.
Diabetes-Congress-Report, 2015; 15 (1) Seite 31-32
Redaktion Diabetes
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-online.de
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bloodychaos postete ein Update vor 3 Tagen, 1 Stunde
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 22 Stunden
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
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Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.
Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.
Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️
Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).